Arbeitsmarkt:Abgesprochen

USA United States of America New York New York 15 03 2018 McDonalds Restaurant am Times Square

Berühmter Ort nicht nur für Touristen: das McDonald’s-Restaurant am Times Square in New York.

(Foto: imago/Rüdiger Wölk)

Sind Fastfood-Ketten wie McDonald's schuld daran, dass die Löhne in den USA nicht steigen?

Von Kathrin Werner, New York

Wildern verboten! Bei der Form der Wilderei, um die es hier geht, sind nicht Nashornhörner oder Krokodil-haut das Ziel, sondern eine andere zunehmend seltene Spezies: Arbeitskräfte. Damit diese nicht einfach von einer Filiale zur nächsten wechseln, haben sich etliche amerikanische Fast-Food-Restaurants, darunter die von McDonald's, über Jahre hinweg verabredet, sich gegenseitig keine Leute abzuwerben. "No-Poach-Agreements" heißen die Geheimklauseln, Wildereiverbote.

Nun haben sich sieben große Fast-Food-Ketten, auch McDonald's, verpflichtet, auf die Absprachen zu verzichten, die dazu beitrugen, dass Zehntausende Fast-Food-Arbeiter in Niedriglohnjobs stecken blieben. Eine Gruppe von elf Bundesstaatsanwälten hatte Briefe an Ketten wie Burger King, Dunkin' Donuts und Wendy's geschickt, um Franchise-Verträge und andere Dokumente einsehen zu können, die sich um die Wilderei-Bestimmungen drehen. "Sie sind wettbewerbsfeindlich, arbeiterfeindlich und müssen aufhören", sagte Maura Healy, die Generalstaatsanwältin aus Massachusetts. Die Untersuchung läuft weiter und will allen Fast-Food-Ketten landesweit die Klauseln verbieten.

Burger-Brater zählen zu den am schlechtesten bezahlten Amerikanern

Fast-Food-Arbeiter zählen zu den am schlechtesten bezahlten Amerikanern. Im Median verdienen sie laut Statistik des Arbeitsministeriums 9,81 Dollar pro Stunde beziehungsweise 20,410 Dollar im Jahr. Der Median ist das Gehalt, das genau in der Mitte liegt, wenn man alle Löhne der Fast-Food-Arbeiter nach Höhe sortiert. Es reicht meist nicht zum Leben. Mehr als 5,1 Millionen Amerikaner verdienen ihr Geld mit Burgerbraten und Abkassieren, kaum eine Branche beschäftigt mehr Menschen. Wenn die Fast-Food-Restaurants die Regeln ändern, macht sich das in der gesamten US-Volkswirtschaft bemerkbar.

Die Wildereiverbote gelten in der Regel nur innerhalb der Ketten. Ein Manager eines McDonald's-Restaurants darf einer anderen Filiale laut der Klauseln keine Leute abwerben. Selbst wenn ein McDonald's-Mitarbeiter in einem der Restaurants auf zu wenig Stunden kommt, weil kein Platz für ihn im Schichtplan ist, darf er nicht zusätzlich in einer anderen Filiale arbeiten.

Mit Jobwechseln kommen aber meist höhere Gehälter, gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels. Laut einer Studie des Princeton-Ökonoms Alan Krueger, die die New York Times zitiert, haben rund 70 000 US-Restaurants, mehr als ein Viertel aller Fast-Food-Filialen, Wilderei-Verbote. "Das könnte dabei helfen, eines der jüngsten Rätsel auf dem US-Arbeitsmarkt zu erklären: Die Arbeitslosigkeit hat ein 16-Jahres-Tief erreicht und die Stellenangebote sind auf einem Allzeithoch, doch das Lohnwachstum ist überraschend langsam geblieben." Es ist tatsächlich ein Rätsel, das die Ökonomen beschäftigt. An der derzeit boomenden Wirtschaft verdienen amerikanische Arbeiter kaum mit. Die durchschnittlichen Stundenlöhne sind mit 2,7 Prozent im Jahresvergleich langsamer gestiegen als die meisten Preise, die Menschen können sich heute weniger leisten als im vergangenen Sommer. Und das obwohl die Erwerbslosenquote bei gerade einmal vier Prozent liegt. Überall im Land fehlen Arbeitskräfte, die Verhandlungsposition der Arbeiter wird Besser. Doch statt der Löhne steigen die Unternehmensgewinne.

Schuld daran ist unter anderem die sinkende Mobilität der Arbeiter, glauben viele Volkswirte. Weil Mieten gerade in den Großstädten, in denen es Jobs gibt, so teuer sind, können sich die Arbeiter nicht leisten, dorthin zu ziehen. Auch Drohungen von Unternehmen, ihre Standorte ins Ausland zu verlegen, schüchtern Beschäftigte bei Gehaltsverhandlungen ein. Gewerkschaften sind heute schwächer als früher.

Die Unternehmen missbrauchten ihre Macht, sagen Forscher. Behörden müssten das verhindern

Ein Problem sind aber auch die Wildereiverbote und andere Vertragsklauseln wie Wettbewerbsverbote, die Arbeitern ihre Bewegungsfreiheit nehmen, glauben die ermittelnden Staatsanwälte - gerade weil US-Unternehmen immer größer und mächtiger werden und es vielerorts keine Konkurrenz gibt. Bei Wettbewerbsverbote geht es anders als bei Wildereiverboten oft um den Schutz von Betriebsgeheimnissen, viele Mitarbeiter zum Beispiel im Silicon Valley finden sie in ihren Verträgen.

Die Wildereiverbote dagegen sind meist geheime Absprachen zwischen den Arbeitgebern, von denen der Arbeitnehmer nicht erfährt. Das US-Justizministerium hält sie für illegal. McDonald's hat sie nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr aus neuen Franchise-Verträgen entfernt und will sie auch in Bestandsverträgen nicht mehr durchsetzen. Die neue Vereinbarung macht das Versprechen bindend.

Zunehmend werde klar, dass große Konzerne die Schuld an der Lohn-Misere tragen, sagen Volkswirte und fordern, dass die Behörden sie zwingen, ihre Macht nicht weiter zu missbrauchen. "Die Amerikaner neigen nicht dazu, große Unternehmen für die Missstände in der Wirtschaft verantwortlich zu machen, wie sie es noch Ende des 19. Jahrhunderts waren, als antimonopolistische soziale Bewegungen erhebliche Unterstützung hatten", schrieben die Professoren Suresh Naidu, Columbia University und Eric Posner, University of Chicago. "Aber da die Forschung das Ausmaß des Problems mehr und mehr zeigt, vermuten wir, dass sich das ändert."

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