Arbeitskosten:33,60 Euro pro Stunde

In Deutschland steigen die Kosten pro Stunde stärker als in der Eurozone. Das sei gut, um Europa stabiler zu machen, sagen Forscher.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Arbeit wird in Deutschland derzeit deutlich schneller teurer als in anderen europäischen Ländern. Die Arbeitskosten, zu denen Bruttolöhne und Lohnnebenkosten gehören, erhöhten sich 2016 um 2,5 Prozent. In der EU belief sich der Zuwachs auf 1,6 Prozent und in den Euro-Ländern sogar nur auf 1,3 Prozent. Dies geht aus einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Der fast doppelt so starke Anstieg in Deutschland sei aber "kein Problem", er sei sogar gut, um den Euroraum zu stabilisieren, sagte IMK-Direktor Gustav Horn.

Deutschland galt jahrelang als Musterland für Löhne, die nur mäßig zulegen. Seit 2011 ist damit jedoch Schluss, weil die Konjunktur gut läuft, Arbeitskräfte stärker gesucht und die Arbeitgeber dadurch eher bereit sind, höhere Löhne zu zahlen. Laut IMK sind die Jahre der Lohnzurückhaltung nach der Jahrtausendwende aber noch lange nicht ausgeglichen. So stiegen die deutschen Arbeitskosten von 2000 bis 2016 um durchschnittlich 2,0 Prozent pro Jahr. Deutschland hat damit den drittniedrigsten Zuwachs - nach den Krisenländern Griechenland und Portugal. Zum Vergleich: In der EU lag das jährliche Plus bei 2,7 und in der Eurozone bei 2,4 Prozent.

Ähnlich sieht es bei den Lohnstückkosten aus, hier wird die Entwicklung der Produktivität mit berücksichtigt. Obwohl diese für die Wettbewerbsfähigkeit maßgeblichen Kosten in Deutschland zuletzt stärker als in Europa gestiegen sind, liegen sie langfristig noch deutlich unterm Durchschnitt des Euroraums. Dies trage zu den wirtschaftlichen Ungleichgewichten unter den Euroländern bei, heißt es in der Untersuchung. Sichtbar werde dies anhand zweier Faktoren: So habe die Binnennachfrage in Deutschland seit der Jahrtausendwende real um insgesamt 13 Prozent zugelegt, die Ausfuhren hingegen um gut 120 Prozent.

Die großen Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz hatten wiederholt Kritik bei Ökonomen, internationalen Organisationen und ausländischen Politikern wie US-Präsident Donald Trump ausgelöst. Die IMK-Forscher plädieren daher für weiter stark steigende Löhne und mehr Investitionen vom Staat, um den Konsum im eigenen Land anzukurbeln und die Einfuhren zu erhöhen. Horn sieht hier noch "Luft nach oben".

2016 rangierte Deutschland bei den Arbeitskosten für die private Wirtschaft mit 33,60 Euro pro Stunde an siebter Stelle und damit jetzt vor der Niederlande. Höher liegen die Arbeitskosten mit 43,80 bis 33,70 Euro nur in Dänemark, Belgien, Schweden, Luxemburg, Frankreich und Finnland. Am niedrigsten sind sie in Bulgarien mit 4,40 Euro.

Nach wie vor gibt es allerdings große Unterschiede bei den Löhnen, die Industrie und Dienstleister zahlen; Im Verarbeitenden Gewerbe betrugen die deutschen Arbeitskosten 39 Euro pro Stunde, das ergibt Platz vier im EU-Vergleich. Im Dienstleistungsbereich kostet die Arbeitsstunde hierzulande jedoch nur 30,60 Euro. Hier liegt Deutschland an neunter Stelle. In keinem anderen EU-Land ist der Abstand so groß. IMK-Chef Horn fordert deshalb die Politik zum Eingreifen auf. Es müsse künftig leichter sein, gegen den Widerstand der Wirtschaft Tarifverträge für allgemein verbindlich zu erklären, sagte er. Dann müssten sich alle Arbeitgeber einer Branche an Tarifverträge halten.

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