Arbeitsagentur verteidigt Hartz-IV-Spartipps:"Die Debatte ist schräg, nicht die Broschüre"

Eine Woche kein Fleisch und Waschmittel aus dem Discounter: Nach der Kritik an den umstrittenen Empfehlungen aus einer Broschüre des Jobcenters Kreis Pinneberg, setzt sich jetzt die Arbeitsagentur zur Wehr.

Arbeitsagentur Pinneberg Brorschüre verteidigt Hartz-IV-Spartipps

Um die Comic-Broschüre des Jobcenters Pinneberg gab es Ärger - nun wehrt sich die Bundesagentur für Arbeit. 

(Foto: oh)

Heinrich Alt, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA), verteidigt eine umstrittene Broschüre des Jobcenters Kreis Pinneberg, die unter anderem Spartipps für Hartz-IV-Empfänger enthält. "Da ist die Debatte schräg, nicht die Broschüre", sagte Alt im Spiegel.

Die Broschüre sei in erster Linie ein Ratgeber für Menschen in einer schwierigen Lebenssituation und die wenigen Spartipps darin seien Hinweise, die regelmäßig in jeder Verbraucherzeitung stünden.

"Nur weil sich der Rat an Hartz-IV-Empfänger richtet, gilt er als diskriminierend", sagte Alt. In dem mehr als einhundert Seiten umfassenden Heft sind unter anderem Spartipps enthalten, wie etwa durch Duschen statt Baden Wasser zu sparen.

"Wenn gutsituierte Bürger Fleischverzicht empfehlen, ist das politisch korrekt, die gleiche Empfehlung vom Jobcenter ist diskriminierend", so der BA-Vorstand. Sage die Stiftung Warentest, Waschmittel vom Discounter sei billiger und besser, gelte dies als Verbraucheraufklärung, in der Broschüre hingegen als Bevormundung. Für Alt ist dies "ein Ausdruck von Doppelmoral".

Zuvor hatte die Bild-Zeitung über die Broschüre berichtet. In den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter wurde sie teils heftig diskutiert und kritisiert.

Die im Kreis Pinneberg bei Hamburg erschienene Broschüre erzählt in Comics die Geschichte der fiktiven vierköpfigen Familie Fischer. Vater Knut muss Arbeitslosengeld II beantragen, zusammen mit Frau und Kindern beschließt er zum Beispiel, auf Fleisch zu verzichten. "Ich will sowieso Vegetarier werden", wird Tochter Lara zitiert - sie ist "bester Laune". Wenig später verkauft die Familie elf Jahre alte Möbel im Internet. "Wahnsinn!", brüllt Vater Knut, als ein Schrank weggeht. Sohn Ben erklärt, dass Verkäufe aus dem Hausrat nicht angerechnet würden - anders als Gemälde oder Schmuck.

Tipps und verständliche Sprache seien grundsätzlich gut, sagte der Sozialreferent der Caritas Schleswig-Holstein, Norbert Schmitz. "Nur sollte das Ganze dann auch so gestaltet sein, dass es der Lebensrealität entspricht und sich potenzielle Leserinnen und Leser ernst genommen fühlen", kommentierte er die Broschüre. Das sei hier nicht der Fall.

"Solche Unterhaltungen finden in deutschen Haushalten statt", verteidigte hingegen die BA-Sprecherin den Stil. Zudem sei der Kreis Pinneberg nicht der erste mit der Idee. BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt hatte die Broschüre am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter gelobt.

Vorgestellt wurde das Heft bereits in der vergangenen Woche. Dennoch brachte die jüngste Diskussion die Nachfrage erst richtig in Schwung. Laut Jobcenter wurde sie bis Donnerstagmittag mehr als 15.000 Mal heruntergeladen. Bis zum Mittwoch seien es weniger als 200 Downloads gewesen.

Der Antrag auf Arbeitslosengeld II soll unterdessen künftig leichter zu bewältigen sein. Die Arbeitsagentur habe das Hartz-IV-Formular grundlegend überarbeitet, berichtete die Bild-Zeitung (Samstagausgabe). Das neue Papier soll ab dem 1. August im Umlauf sein. Mit Hilfe von Juristen, Arbeitslosenverbänden und Sprachforschern sei der Antrag vereinfacht worden und setze nun auf bessere Verständlichkeit und kürzere Sätze. Außerdem werde Wichtiges farblich hervorgehoben. "Wir wollen uns nicht hinter Bürokratie verstecken", sagte Alt der Zeitung zufolge. "Wir wollen unnötige Distanz abbauen, kein Misstrauen, sondern Vertrauen schaffen."

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