Arbeitnehmer:Ganz gern im Büro

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Millionen Menschen in Deutschland wollen mehr arbeiten, geht aus einer Befragung des Statistischen Bundesamts her vor. Das gilt allerdings eher für Männer als für Frauen. Die Ergebnisse liefern neuen Stoff für Diskussionen.

Von Thomas Öchsner, München

Immer mehr Menschen haben eine Arbeit. 2017 ist die Zahl der Erwerbstätigen so kräftig gestiegen wie seit zehn Jahren nicht mehr. 44,3 Millionen sind es inzwischen. Und weil die Konjunktur weiter gut läuft, könnte die Zahl der Erwerbstätigen bis 2019 sogar auf mehr als 45 Millionen klettern, schätzt das Münchner Ifo-Institut. Doch fast jeder Zehnte ist mit seiner Arbeitszeit unzufrieden. Das hat das Statistische Bundesamt auf Basis des Mikrozensus, einer Befragung von einem Prozent der Privathaushalte, ermittelt.

So wünschten sich Anfang 2016 etwa 2,6 Millionen Erwerbstätige im Alter von 15 bis 74 Jahren, mehr zu arbeiten. 1,2 Millionen wollen demnach weniger arbeiten. Wunsch und Wirklichkeit hängen dabei eng miteinander zusammen: Wer mehr tun möchte, hatte im Durchschnitt eine Arbeitszeit von 28,9 Stunden pro Woche - und wollte fast elf Stunden mehr arbeiten. Wer die Arbeitszeit verringern wollte, arbeitete im Durchschnitt schon 41,6 Stunden - und hätte gern die Zeit im Betrieb oder Büro um elf Stunden reduziert, obwohl der Verdienst geringer gewesen wäre. "Bei der Frage nach den Arbeitszeitwünschen sollten die Befragten berücksichtigen, dass Mehrarbeit mit einem entsprechenden höheren und Minderarbeit mit einem entsprechend geringeren Verdienst einhergehen würden", teilte das Amt mit.

Für Minijobber lohnt sich Teilzeit oft nicht

Auffällig ist nun, wie sich die Arbeitszeitwünsche der nach eigener Einschätzung zu wenig beschäftigten Männer und Frauen unterscheiden: Diejenigen mit einem Teilzeitjob kommen pro Woche auf durchschnittlich knapp 20 Stunden, die Männer wollen aber gleich 17,4 Stunden mehr pro Woche arbeiten, Frauen nur 12,5 Stunden. Die Zahlen liefern neuen Stoff für eine Debatte über die Frage, inwieweit die mehr als zehn Millionen Teilzeit-Beschäftigten ihre Arbeitszeit frei wählen. "Viele Frauen in Minijobs und Teilzeit würden ihre Arbeitszeit gerne ausweiten, stoßen beim Arbeitgeber aber auf taube Ohren. So bleiben sie, oft ihr gesamtes Berufsleben lang, in der Teilzeit-Falle stecken", sagt Elke Hannack, Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Dem widersprechen die Deutschen Arbeitgeberverbände. Teilzeit sei "fast immer aus privaten Gründen gewollt". Viele Mütter entschieden sich "nach der Elternzeit bewusst und aus unterschiedlichen Gründen für eine Teilzeittätigkeit", heißt es in ihrer Broschüre "Fakten statt Zerrbilder - Die Realität auf dem deutschen Arbeitsmarkt".

Zur Teilzeit gezwungen oder nicht? Die große Mehrheit arbeitet offenbar immer noch freiwillig weniger, das ermittelte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Unter den Teilzeitbeschäftigten wollen dem IAB zufolge bundesweit 25 Prozent der Männer und 17 Prozent der Frauen mehr arbeiten. Das gilt vor allem für Ostdeutsche. 39 Prozent der weiblichen und 43 Prozent der männlichen Beschäftigten nennen demnach als Grund für den Teilzeitjob, "dass eine Vollzeitstelle nicht zu finden war". In Westdeutschland gaben nur zehn Prozent der Frauen und 22 Prozent der Männer fehlende Angebote der Arbeitgeber als Grund an.

Das Nürnberger Institut, das als Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit gilt, sieht aber noch andere Gründe, warum vor allem Frauen lieber zu Hause bleiben oder wenig arbeiten. Die Öffnungszeiten von Kitas oder Kindergärten könnten nicht ausreichend sein. Außerdem sei es zum Beispiel für einen Minijobber, der bei seinem Partner beitragsfrei krankenversichert ist, "finanziell unattraktiv, die Arbeitszeit zu verlängern", weil dann Abgaben und Steuern gezahlt werden müssten. "Ebenso kann das Ehegattensplitting durch die höhere Besteuerung des Zweiteinkommens die Aufnahme oder Ausweitung einer regulären Teilzeitbeschäftigung bremsen", heißt es in einer IAB-Analyse.

Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), nennt noch einen weiteren Grund: Paare mit Kindern unter 14 Jahren würden häufig "ein arbeitsteiliges Arrangement" nach traditionellen Rollenmustern treffen. Frauen würden sich in diesen Fällen "mehr Zeit für Betreuungsaufgaben wünschen. Ihre gewünschten Arbeitszeiten liegen dann überwiegend in einem Korridor zwischen 20 und unter 35 Stunden."

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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