Apples möglicher Kauf von Beats:Bass für 3,2 Milliarden Dollar

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Geschäftstüchtig: Dr. Dre mit Beats-Kopfhöhern (Foto: AFP)

So machen es echte Gangster: Rap-Produzent Dr. Dre soll seine Kopfhörer-Firma Beats an Apple verkauft haben. In einem Video erklärt er sich schon mal zum ersten Hip-Hop-Milliardär der Welt.

Von Jannis Brühl und Pascal Paukner

Andre Young gehört zu jenen Gangstern, denen die Leute freiwillig ihr Geld geben. Eigentlich will er das gar nicht. Kein Interesse, behauptet der Gangster-Rapper und Produzent aus Compton, einem der berüchtigtsten Vororte von Los Angeles. "Es ist immer seltsam, wenn Leute bei mir investieren wollen. Ich sage ihnen: Ich brauche kein Geld mehr. Mir geht's gut." So erzählte er es dem Magazin Esquire einmal. Der Spruch könnte sich bald als Koketterie herausstellen.

Denn jetzt soll Apple dem 49-Jährigen, berühmt unter dem Künstlernamen Dr. Dre, 3,2 Milliarden Dollar für die Übernahme seiner Kopfhörer-Firma Beats geboten haben, berichtet die Financial Times. Es wäre Apples bisher teuerste Übernahme. Obwohl noch nicht bestätigt, scheint der Deal tatsächlich über die Bühne gegangen zu sein. Auf Facebook tauchte für kurze Zeit ein Video auf, in dem sich ein augenscheinlich betrunkener Dr. Dre auf einer Party als "ersten Milliardär des Hip-Hop" bezeichnet.

Beats Electronics stellt vor allem teure Kopfhörer her, betreibt neuerdings aber auch einen Musikstreaming-Dienst. Die Geräte sind auch deshalb so populär, weil sie auf die Wiedergabe der Bässe hin optimiert sind, die sind bei Rap und anderer Pop-Musik entscheidend. Auf dem Markt der Premium-Kopfhörer hat Beats in den USA einen Anteil von gut 50 Prozent und macht klassischen Hi-Fi-Anbietern wie Bose das Leben schwer, auch wenn diese in Produkttests meist besser abschneiden. Promis von Lady Gaga bis zum Schwimmer Michael Phelps lassen sich trotzdem gern mit Beats auf dem Kopf sehen.

Gegründet wurde die Firma 2006 von Young und seinem Geschäftspartner Jimmy Iovine, beide halten zusammen 75 Prozent. Sie würden bei einem Geschäft mit Apple das große Geld machen. Der Elektronikkonzern HTC hielt zwischenzeitlich fast die Hälfte der Anteile. Young und Iovine kauften sie teilweise wieder zurück, den Rest hält der Investor Carlyle Group, der sich im Herbst für 500 Millionen Dollar einkaufte.

Apple könnte sich mit dem Kauf ein neues Geschäftsfeld erschließen. Jahrelang legte der Konzern seinen iPods und iPhones nur billige Kopfhörer bei. Apple ließ anderen Unternehmen viel Platz, förderte so indirekt einen Markt besser designter, oft besser klingender Alternativen. Dieser dürfte in Zukunft noch weiter wachsen, und Apple will wohl mitmischen.

Wearable Technology ist einer der großen Technik-Trends. Wenn Brillen, Kontaktlinsen und Uhren zu Computern umgebaut werden, warum sollte man nicht auch Kopfhörer neu konstruieren? Erste Ansätze gibt es bereits. Weiter als Apple ist Beats ohnehin schon beim Thema Musikstreaming. In den USA erzielt die Musikindustrie 21 Prozent ihrer Einnahmen mit Streaming. Tendenz steigend, das geht zu Lasten des digitalen Musikverkaufs. Das wirkt sich auch auf Apple aus, das mit iTunes viel Geld verdient hat, aber bislang der Streaming-Konkurrenz nur zaghaft mit einem Radiodienst entgegentritt.

Cool, aber tanzbar

Der Gangster-Rapper und der Steve-Jobs-Konzern - passt das zusammen? Beide waren Schlüsselfiguren für ihr Feld, technisch wie stilistisch: Während Jobs das Musikgeschäft mit iPod und iTunes revolutionierte, erfand Dr. Dre vor fast 25 Jahren eine neue Musikrichtung: G-Funk - den Funk der Gangster: tiefe Bässe, Synthesizer-Melodien, cool, aber tanzbar.

Auch Dr. Dre prügelte sich, verherrlichte Gang-Gewalt in seinen Texten. Auf Schießereien oder andere lebensgefährliche Auseinandersetzungen ließ er sich aber nicht ein. Die Musik stand für ihn im Vordergrund. Mit dem Song "Fuck the Police", das er für seine Gruppe NWA produzierte, schockierte er das konservative Reagan-Amerika in den Achtzigern. Mit seinem Album "The Chronic" (Slang für Marihuana) hauchte er dem darbenden Genre Rap 1992 neues Leben ein. Er komponierte den Sound und reimte darüber mit seinen Partnern Snoop Dogg oder Tupac Shakur - über Waffen, leichte Mädchen und natürlich Geld. Heute ist Tupac tot und Snoop öffentlich zum Rastafari konvertiert. Dr. Dre ist immer noch Geschäftsmann, der Deal könnte ihn wirklich zum ersten Milliardär der Szene machen.

Obwohl er in den 22 Jahren nach "The Chronic" nur ein eigenes Album fertiggestellt hat, wurde Young einer der wichtigsten Männer im Geschäft. Die Rapper Eminem und 50 Cent wurden auch dank seiner Produktionen zu Superstars. Nur war mit Musik selbst immer weniger zu verdienen. Die Umsätze brachen ein, träge reagierten die Labels auf die Digitalisierung. Wie also mit Musik-Expertise Geld verdienen, wenn die Musik selbst nicht mehr lukrativ erscheint? Young entschied sich für eines der wichtigsten Arbeitsgeräte des Studio-Produzenten: Kopfhörer.

Dabei arbeitete er mit einem alten Bekannten zusammen: Jimmy Iovine, dem Plattenboss, der Dr. Dre schon Anfang der Neunziger gefördert hatte. Auf den ersten Blick eine seltsame Paarung: Iovine ist zwölf Jahre älter als Young, weiß, aus New York, und arbeitete in den Siebzigern an Bruce Springsteens Album "Born to Run" mit. Doch Iovine hatte damals als einer der Ersten erkannt, dass die Kinder der weißen Mittelschicht plötzlich lieber die Musik der schwarzen Ghettos hörten, als Hochglanz-Rock mit Dauerwellen à la Bon Jovi. Dr. Dre nannte Iovine schon 1993 "den smartesten Motherfucker in diesem Geschäft". Jetzt könnten die beiden ihren smartesten Schachzug machen

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