Apple Watch:Uhr gesucht

Apple Watch Goes On Display At Apple Inc. Stores Ahead Of Sales Launch

Nur gucken, nicht mitnehmen: Apple hält Uhren-Kunden auf Abstand. Bei exklusiven Events wie im Apple Store in Berlin darf man sie wenigstens ansehen.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Weltweit giert das Publikum nach der Apple Watch. Doch die meisten Interessenten bekommen erst einmal - nichts. Der Konzern irritiert bei der Einführung seines neuen Produkts. Panne oder Strategie?

Analyse von Björn Finke, London, und Angelika Slavik, Hamburg

Natürlich hat Beyoncé schon eine. Das wäre ja auch gelacht. Beyoncé Knowles ist Sängerin, nein: Sie ist ein Superstar. Und weil alle Welt ihr dabei zusieht, beim Superstar-Sein, ist es nur logisch, dass Unternehmen es gut finden, wenn Beyoncé ihre Produkte vermeintlich beiläufig der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Suchmaschine Google findet fast 25 Millionen Treffer dazu, dass Beyoncé vor ein paar Tagen mit einer goldenen Apple Watch gesichtet wurde.

Bis hierher ist das eine Geschichte darüber, wie Konzerne einen Hype um ihre Produkte kreieren. Sie machen ein großes Tamtam, sie verschenken vor dem offiziellen Verkaufsstart ein paar Exemplare an sorgfältig ausgewählte Prominente, und dann hoffen sie, dass ihnen die zahlende Kundschaft am Tag X die Tür einrennt.

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Beim Technologiekonzern Apple hat das in den vergangenen Jahren immer ausgezeichnet funktioniert. Bei jedem neuen iPhone gab es Menschen, die schon nachts vor den Läden warteten. Die Bilder von absurd langen Warteschlangen gingen um die Welt und verbreiteten die Botschaft: Das, was man hier bekommt, muss den ganzen Aufwand offenbar wert sein.

Für diesen Freitag hat Apple nun wieder einen offiziellen Verkaufsstart angesetzt. Es geht um die Apple Watch, das erste richtig neue Produkt des Unternehmens seit der Vorstellung des iPads vor fünf Jahren. Das Publikum ist gespannt: Wird dieses Ding erneut den Alltag von großen Teilen der Menschheit revolutionieren? Oder ist es doch nicht mehr als eine unnötige "Knight Rider"-Phantasie für ein paar Technikfreaks? Ein Flop wäre zudem ein großer Makel für den Apple-Chef Tim Cook, der fast vier Jahre nach seinem Amtsantritt in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch "der Neue" ist, der Mann nach der Apple-Legende Steve Jobs.

Künstliche Verknappung ist ein beliebter Trick. Was schwer zu kriegen ist, weckt Begierde

Die Welt giert also nach der Apple Watch. Bloß bekommen wird sie dieses Ding nicht. Zumindest nicht in relevanter Stückzahl. Denn die Uhr wird am Freitag weltweit nur in einigen wenigen Geschäften erhältlich sein. In der Mehrzahl der Apple Stores kann man den Computer fürs Handgelenk erst mal nur: bestellen. So wie man es auch von zu Hause aus über das Internet tun kann, sogar schon seit zwei Wochen. Lange Schlangen vor den Läden kann man am Freitag also wohl nicht erwarten.

Offiziell heißt es, es gebe Lieferengpässe wegen der hohen Nachfrage. Wer sehr früh online bestellt hat, kann immerhin am Freitag auf eine Lieferung hoffen. Wer jetzt erst in den Store trabt, wird aber mitunter bis Juni auf die Smartwatch warten müssen. Unerträglich, gerade für eingefleischte Apple-Fans.

Ist das also die peinlichste Vertriebspanne aller Zeiten für den Konzern? Oder doch eine Strategie?

Anders als sonst hat sich Apple dieses Mal auch nicht zu den Vorbestellungen geäußert, was viele Beobachter als Zeichen der Unsicherheit werten. "Der ruhigere Start erlaubt ihnen erst einmal zu sehen, wie es läuft, und mindert die Erwartungen und die Risiken", sagt etwa der Analyst Gene Munster von der US-Investmentbank Piper Jaffray. "Wenn sie es auf die alte Art und Weise getan hätten und die Schlangen nicht so lang wären, hätten sie ein kleines Problem", meint Jaffray.

Dazu kommt: Künstliche Verknappung ist ein beliebtes Marketinginstrument. Was schwer zu bekommen ist, weckt Begierde. Das ist das Kalkül. Viele Unternehmen machen das, indem sie Produkte nur zeitlich begrenzt anbieten und hoffen, so den Kaufimpuls zu verstärken. Konsumforscher erklären das damit, dass der zeitliche Druck eine schnelle Entscheidung für oder gegen einen Kauf notwendig macht. Aufzuschieben oder erst noch die Angebote der Konkurrenz zu sichten, fällt als Möglichkeit weg. Im Fall von Apple wird die Smartwatch zwar nicht zeitlich begrenzt angeboten - allerdings bedeutet jeder Tag, der vergeht, womöglich wochenlange zusätzliche Wartezeit.

Die Verknappungsstrategie kann man bei Händlern wie Tchibo beobachten, deren Sondersortiment wöchentlich wechselt. Aber auch bei Modeunternehmen hat sich dieses Konzept durchgesetzt: Große Ketten wie Zara oder H & M wechseln ihr Sortiment in kurzen Abständen.

Die neue Vertriebschefin hält nichts davon, dass Kunden auf dem Bürgersteig campieren

Und mit Mode kennt sich auch die Vertriebschefin von Apple aus: Angela Ahrendts wechselte vor einem Jahr vom englischen Edel-Konzern Burberry zu Apple. Sie ist nun die erste Frau im Vorstand. Ist so eine Smartwatch nicht auch ein modisches Statement? Bei Burberry hatte Ahrendts als Vorstandschefin von 2006 an jedenfalls eine beeindruckende Wende geschafft. Burberry, Hoflieferant des Königshauses, war beliebig geworden, hatte sich mit zu vielen unterschiedlichen Produkten verzettelt. Ahrendts mistete aus und investierte stark in eigene Läden, in denen gut geschultes Personal den Kunden die Vorzüge dieses und jenes Trenchcoats erläutert. Burberry stieg unter ihrer Regie wieder zur begehrten Luxusmarke auf. Für ihre Verdienste um die Wirtschaft verlieh ihr die Regierung eine der höchsten Auszeichnungen des Königreiches - die Amerikanerin Ahrendts wurde ernannt zur "Honorary Dame Commander of the Most Excellent Order of the British Empire". Als sie im Herbst 2013 ihren Abschied ankündigte, sank der Aktienkurs deutlich.

Aber das Angebot von Apple war zu verlockend. Schon bei Burberry war sie im Jahr 2012 mit 20 Millionen Euro Jahresgehalt bestbezahlte Managerin unter den Chefs jener Firmen, die im britischen Börsenindex FTSE 100 gelistet sind. Doch Apple war ihr Wechsel 73,35 Millionen Dollar wert. So etwas ist schwer zu toppen.

Zwar liegt ihr Jahresgehalt nur bei einer Million Dollar, aber 2014 erhielt sie als Antrittsprämie Aktienoptionen auf Apple-Papiere im Wert von 33 Millionen Dollar. Zudem ersetzte Apple für 37 Millionen Dollar die Aktienoptionen ihres früheren Arbeitgebers Burberry. Die Differenz zu den 73,35 Millionen Dollar entfallen unter anderem auf die Erstattung der Umzugskosten - 457 615 Dollar - und eine Barprämie.

Der Start der Apple-Uhr, zu haben ab 399 Euro, ist nun die Bewährungsprobe des teuren Einkaufs. Ahrendts hielt von Anfang an gar nichts von der Idee, dass Interessenten für den Zeitmesser auf schmutzigen Bürgersteigen campieren. Deswegen wies sie die Mitarbeiter an, Kunden die Vorzüge des Einkaufs in Apples Internetshop zu erklären. Das ist ein gewagtes Manöver. "You could be a sweet dream or a beautiful nightmare", singt Beyoncé. Traum oder Albtraum, man wird sehen.

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