Apple:Schluss mit der Anarchie

Apple: Apples Marketing-Vizepräsident Phil Schiller präsentierte bei der "Keynote" am Mittwoch dieser Woche auch die Funktionen der Kopfhörer des neuen iPhones.

Apples Marketing-Vizepräsident Phil Schiller präsentierte bei der "Keynote" am Mittwoch dieser Woche auch die Funktionen der Kopfhörer des neuen iPhones.

(Foto: Marcio Jose Sanchez/AP)

Die offizielle Begründung des Unternehmens aus Cupertino für den Verzicht auf die Kopfhörerbuchse beim iPhone ist nicht wirklich überzeugend. Auf jeden Fall bindet Apple seine Kunden damit noch mehr an sich.

Von Simon Hurtz

Apple ist der einflussreichste Technologiekonzern der vergangenen Jahrzehnte: iMac, iPod, iPhone, iPad - diese Produkte haben Standards gesetzt. Ohne das iPhone würden Milliarden Menschen womöglich noch heute Smartphones mit Hardware-Tastaturen bedienen. Apple hat aber auch alte Technologien beerdigt: Der iMac ersetzte Ende der Neunzigerjahre Disketten durch CDs, die wiederum zehn Jahre später beim Macbook Air ersatzlos gestrichen wurden. 2012 stießt das Unternehmen Millionen iPhone-Nutzer vor den Kopf, als die bisherige 30-polige Daten-Schnittstelle ersetzt wurde: Die fünfte Gerätegeneration etablierte den Lightning-Anschluss, der nun nötige Adapter kostet 35 Euro.

Tonsignale per Kabel kommen künftig nur noch über die Apple-Schnittstelle

Auch nach der jüngsten "Keynote" am Mittwoch waren es nicht die neuen Funktionen der Produkte, welche die Diskussionen bestimmten, sondern ein Feature, das wegfällt. Das iPhone 7 ähnelt optisch seinem Vorgänger, doch ein entscheidendes Detail fehlt: die analoge Kopfhörerbuchse. Tonsignale per Kabel kommen künftig nur noch über den Lightning Port. So reflexhaft die Empörung war, so schnell verstummte sie bislang auch wieder. Ein paar Blackberry-Nostalgiker trauern ihren Tastaturen hinterher, doch dass sich Disketten nur noch im Museum bewundern lassen, dürfte die meisten eher freuen. Diesmal ist die Ausgangssituation aber eine andere. Die 3,5-Millimeter-Klinke ist seit einem halben Jahrhundert der Standard, um Ton analog zu übertragen. Verstärker, Lautsprecher, Kopfhörer, Laptops und Smartphones: Sie alle besitzen entsprechende Ein- oder Ausgänge. Im Gegensatz zur Diskette steckt dahinter keine veraltete Technik, auch Audiophile verbinden teure Hardware mit Klinkenkabeln. Wenn Steve Jobs neue Produkte präsentierte, ließ er einen Satz folgen: "It just works." Das ließe sich auch über die Kopfhörerbuchse sagen: Sie funktioniert einfach.

Die Klinke ist eine Art analoge Anarchie in der digitalen, zunehmend reglementierten Welt. Der 3,5-Millimeter-Stecker verbindet viele Milliarden Geräte miteinander, und die Hersteller haben keinerlei Einfluss darauf. Jeder Kopfhörer passt zu jedem Smartphone, egal ob Android oder iOS. Apples Abschied von der Klinkenbuchse könnte die iPhone-Welt noch mehr abschotten als bisher. Wer einen Kopfhörer kauft, würde sich an sein Smartphone binden: Lightning-Ports gibt es nur bei Apple, die Hersteller der Kopfhörer müssen Lizenzgebühren zahlen, wenn sie den Anschluss nutzen. Android-Smartphones setzen dagegen auf USB-C. Motorola (beim Moto Z) und einige chinesische Firmen verzichten bereits auf die Kopfhörerbuchse, Intel erklärte den USB-C-Anschluss zur Zukunft: "Wir haben ein einziges Kabel, das so ziemlich alles kann, was du willst."

Es sei denn, man besitzt ein iPhone. Als Anfang des Jahres Gerüchte auftauchten, dass der Klinkenanschluss beim neuen iPhone fehlen könnte, unterschrieben 300 000 Menschen eine Petition, die Apple davon abbringen sollte. Doch Steve Jobs sagte schon vor knapp 20 Jahren: "Oft wissen die Leute nicht, was sie wollen, bis du es ihnen zeigst." Auch sein Nachfolger Tim Cook beharrt darauf, es besser zu wissen als die Nutzer. Mit seiner Marktmacht kann es sich Apple leisten, seine Kunden zu bevormunden. Nur wenige werden zu einem Android-Smartphone greifen. Trotzdem bleibt ein Risiko, weshalb Apple die Neuerung verteidigt.

"Einige Leute haben gefragt, warum wir den analogen Kopfhöreranschluss entfernen. Es lässt sich auf ein Wort herunterbrechen: Mut", sagte Marketing-Vizepräsident Phil Schiller. Wenig überzeugend ist auch die Begründung, mit der es Apple-Vizechef Greg Joswiak im Gespräch mit dem Portal Buzzfeed versucht: Die Kopfhörerbuchse sei "ein Dinosaurier", seit 50 Jahren nicht mehr verändert worden. Steckdosen sind allerdings fast doppelt so alt, trotzdem macht Apple keine Anstalten, sie mit eigenen Alternativen zu ersetzen.

Ein entscheidender Grund aus Apples Sicht lautet: Platz. Die neue Kamera ist größer als das Vorgängermodell. Das iPhone 7 Plus besitzt zwei Kameras. Auch der neue Home-Button, der dem Clickpad der Macbooks ähnelt, benötigt mehr Raum im Geräteinneren. Der Verzicht auf die Kopfhörerbuchse sei die einzige Möglichkeit, alle Komponenten unterzubringen. Nebenbei konnten die Entwickler einen größeren Akku verbauen, das Smartphone soll jetzt je nach Modell bis zu zwei Stunden länger durchhalten. Nicht zuletzt habe der Verzicht auf die Buchse auch geholfen, das iPhone besser gegen eindringendes Wasser zu schützen. Samsung hat das beim Galaxy S7 allerdings auch geschafft, ohne auf einen analogen Kopfhöreranschluss zu verzichten. Die Platzersparnis mag für Apples Ingenieure wichtig gewesen sein - um den Kunden zu erklären, warum sie einen Adapter für neun Euro kaufen sollen. Nur um ihre alten Kopfhörer anschließen zu können, reicht das aber nicht.

Lightning-Kopfhörer dürften manche audiophilen Nutzer interessieren, weil die Technik den Klang verbessert. Wichtiger für Apple dürften die Millionen iPhone-Käufer ohne solch hohen Ansprüche an Akustik sein. Sie greifen zu Bluetooth-Funkkopfhörern. Die Musikqualität leidet etwas, doch im Alltag dürfte das kaum eine Rolle spielen. In den USA übersteigt der Umsatz mit Bluetooth-Kopfhörern die Verkaufserlöse von kabelgebundenen Kopfhörern. Auf Platz 1: Beats - jener Hersteller, den Apple vor zwei Jahren für drei Milliarden Dollar übernommen hat. Passend zur Keynote stellte Beats drei Bluetooth-Kopfhörer vor. Dazu kommen Apples Airpods. Auch bei der Bluetooth-Verbindung scheint Apple auf eine Eigenentwicklung zu setzen: Auf sogenannte W1-Chips, die die Verbindungsqualität verbessern, aber auch die Kunden binden sollen.

Eine weitere Gefahr versteckt sich hinter drei Buchstaben: DRM - Digital Rights Management, also Multimediadateien mit eingebauten Urheberrechtsschutz. Analoge Signale sind immer frei davon, die digitale Übertragung per Bluetooth oder Lightning-Anschluss lässt es jedoch zu, illegal kopierte Musik zu erkennen und das Abspielen zu verhindern. Apple sagt, das sei eine "paranoide Verschwörungstheorie".

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