Apple-Chef Tim Cook:Mathemagier mit schwerem Erbe

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Das hat schon mal geklappt: Tim Cook hat das neue iPhone vorgestellt, das Publikum hat applaudiert. Doch in dem Handy steckt noch sehr viel des legendären Konzerngründers Steve Jobs. Cook schafft es aber, Apple in seinem Sinne umzubauen - ganz langsam.

Sabrina Keßler

Tim Cook ist die einzige Person auf der Bühne, aber er steht dort nicht alleine. Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem leichten Lächeln, das Publikum begrüßt ihn mit Applaus. "Heute heben wir das iPhone auf ein neues Level", verspricht der Apple-Chef. Wir. Das sind er, die Mitarbeiter - und Steve Jobs, der verstorbene Konzernlenker, den manche Magier nennen. Fast bis zu seinem Tode, sagen Analysten, hat Jobs die Entwicklung des neuen iPhone 5 noch kontrolliert. Den größeren Bildschirm, die kantigeren Kanten. Die große iPhone-Show von Tim Cook ist auch eine Steve-Jobs-Show.

Sie ist anders als früher. Cook ist kein Mann der großen Reden. In seiner Stimme liegt weder der melodische Klang seines Vorgängers, der Millionen Apple-Fans in den Bann zog, noch der Pathos, mit dem der einstige Apple-Chef jede Produktvorstellung zu einer riesigen Show machte. Der ergraute Südstaatler Cook hat nicht die Strahlkraft und nur wenig von dem Charisma, das den exzentrischen Jobs zur Legende machte. Dennoch sei er der beste Neuzugang, den er je engagiert habe, sagte Jobs vor Jahren über seinen loyalen Weggefährten.

Knapp ein Jahr ist es her, da trat Jobs in die übermächtigen Fußstapfen Jobs. Manche Kritiker haben es ihm nicht zugetraut - doch der Konzern mit dem Apfel steht unter der Führung des neuen Vorstandsvorsitzenden besser da als je zuvor. Analysten lobten Cook zu seinem einjährigen Chefjubiläum im August deutlich. "Die Zahlen sprechen für sich", sagte Katy Huberty, Apple-Analystin der amerikanischen Bank Morgan Stanley. Seit seinem Antritt ist der Aktienkurs um 80 Prozent gestiegen, momentan liegt er bei rund 670 Dollar je Aktie - enorme Höhen für ein Wertpapier. Nach der Präsentation des neuen iPhones stieg der Kurs sogar noch leicht weiter.

Die Zahlen sprechen für Cook

Allein in den ersten drei Quartalen 2010 konnte Apple seinen Nettogewinn um mehr als 70 Prozent auf 32,9 Milliarden Dollar steigern. "Damit hat das Unternehmen alle Erwartungen der Wall Street übertroffen", sagte Analystin Huberty. Gemessen an der Marktkapitalisierung ist Apple damit das wertvollste Unternehmen aller Zeiten, analysierte das Marktforschungsunternehmen Millward Brown. Der Konzern wird aktuell mit 619 Milliarden Dollar bewertet, das ist mehr als die Konkurrenten Google und Microsoft zusammen wert sind.

Dennoch sehen Analysten weiter Luft nach oben. "Apple hat sich im vergangenen Jahr hervorragend geschlagen", attestierte Helge Rechberger, Analyst bei der Raiffeisen Bank International. "Befürchtungen, dass nicht nur die Innovationskraft, sondern vor allem auch die Vermarktung ohne das Marketing-Genie Steve Jobs leiden werde, haben sich absolut nicht bestätigt."

Der Chef ist ein Mathemagier

Cook gilt als zurückhaltender Manager, als bestimmt und diszipliniert. Er kenne keine Feiertage und halte sich zumeist nur mit Kaffee und Energieriegeln auf den Beinen, schreibt das Klatschmagazin People . Dass der neue Chef dabei so ganz anders ist wie der Apple-Gründer, wäre Jobs vermutlich nur recht gewesen. "Frage dich nie, was ich getan hätte", gab der krebskranke Jobs seinem Nachfolger mit auf den Weg. "Tue einfach das Richtige."

Das klappt offenbar. Cooks Talente im Managen sind hoch gelobt, seine Rechenkünste gefürchtet. Es gibt niemanden, der so gekonnt mit Excel-Tabellen umgehen kann, munkelt die Branche. Der Höhenflug des Unternehmens scheint das zu bestätigen. Jobs war der Magier, Cook ist der Mathemagier.

Apple-Präsentation in San Francisco
:So sieht das neue iPhone aus

Wie groß wird das Display? Heißt das neue Gerät überhaupt iPhone5? Und welche neuen technischen Spielereien hat die neueste Ausgabe von Apples Wundertelefon? Die Fangemeinde spekulierte bereits seit Monaten - jetzt ist das Warten vorbei.

Der Produktpallette konnte er seinen Stempel noch nicht aufdrücken. Das Erbe von Jobs wirkt noch nach, das liegt auch an den Produktionszeiten. Der erste große Wurf in Cooks Amtszeit, das iPhone 5, ist noch ein Jobs-Gerät. Andere Innovationen, die Cook in den vergangenen Monaten präsentierte, waren nur kleine Verbesserungen, wie der schärfere Bildschirm beim Laptop Macbook Pro. Ob da noch mehr kommt? "Unsere Produktionspipeline ist voller Innovationen", versprach der 51-Jährige vor kurzem Analysten.

Cook, sagen Beobachter, muss kein Innovator sein, um das Unternehmen erfolgreich zu managen. Profilieren kann er sich woanders. Da war zum Beispiel die unerwartete Ankündigung einer Dividende. Gewinne an die Aktionäre auszuschütten, hatte Jobs stets abgelehnt. Im Februar verkündete Cook allerdings, dass Apple 45 Milliarden Dollar ausschütten werde. Innerhalb von drei Jahren sollen die beachtlichen Barreserven von 100 Milliarden Dollar schrumpfen, die sich in den letzten Jahren angehäuft haben. Damit befriedigt Cook vor allem die unruhige Wall Street, die schon seit Jahren eine anlegerfreundlichere Geldpolitik vom Unternehmen fordert - die letzte Ausschüttung datiert auf 1995.

Tim Cook gab Apple ein Gewissen

Auch auf Kritik von Umweltgruppen und Arbeitsrechtlern reagierte Cook. Mit seinen Plänen, sich von einem Umweltsiegel abzukehren, erntete Apple jüngst harsche Proteste. Das Siegel bewertet, wie gut sich Elektronik-Produkte recyceln lassen, wie energieeffizient sie sind und ob umweltschädliche Stoffe verarbeitet werden. Doch einige Apple-Produkte sind so gebaut, dass es praktisch unmöglich ist, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen. "Design bedeutet nicht nur, wie etwas aussieht oder wie es sich anfühlt. Design ist, wie etwas funktioniert", sagte Jobs einst und bestätigte damit, dass der Umweltschutz manchmal hinter dem Design zurückstecken muss. Doch Cook ist anderer Meinung, schließlich sichert der grüne Kurs auch Großaufträge von amerikanischen Behörden und Universitäten.

Proteste gab es auch gegen die Beschäftigungspolitik des Unternehmens. John Browett, Chef der Apple-Stores, hatte die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter in den Läden gekürzt, um zu sparen. Das Unternehmen entschuldigte sich daraufhin und korrigierte den Fehler - unter der Führung des Apple-Gründers Jobs, der über alle Kritik erhaben war, wäre so etwas nicht möglich gewesen, sagen Apple-Kenner. "Tim Cook hat Apple damit gegeben, was Steve Jobs nie geben konnte: ein Gewissen", formuliert der Journalist John Brownlee treffend.

Ähnlich behandelt Cook die kritisierten Arbeitsbedingungen beim taiwanischen Zulieferer Foxconn, der unter anderem Teile für das iPad und nun auch für das iPhone 5 produziert. Beschäftigte erzählen Journalisten immer wieder, dass die gesetzliche Überstundenregelung massiv überzogen würden. Seitdem mehrere Arbeiter Suizid begingen, steht Foxconn symbolisch für die schlechten chinesischen Arbeitsgesetze. Apple-Chef Cook ignorierte das Problem nicht, sondern flog nach China. Apple arbeitet mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, die die Arbeitsbedingungen kontrollieren sollen. "Damit schenkt Cook einem Thema Beachtung, das Jobs bis dahin verachtet hat", resümierte das Fortune Magazine.

Nachfolger, aber kein Nacheiferer

Auch solche positiven Termine inszeniert Cook nicht überschwenglich. Aber er weiß, wie er sich und das Unternehmen verkauft. So wie Ende Mai. Energiegeladen stellte er sich den Fragen der Wall-Street-Journal-Reporter Walt Mossberg und Kara Swisher, die ihm fast 120 Minuten auf den Zahn fühlten. Cook ist keiner, der sich unter Druck setzen lässt. Er spricht mit fester Stimme, aber langsam und ein wenig monton. Fragen nach künftigen Apple-Geräten wich Cook, ganz der Medienprofi, allerdings gekonnt aus. Stattdessen sprach er lediglich von "unglaublichen" Produkten, die demnächst ihren Weg auf dem Markt finden sollen.

Diese Geheimniskrämerei war schon mit Jobs Teil der Unternehmensstrategie. Also steckt doch ein bisschen Jobs in Cook? "Ich bin der, der ich bin. Und ich konzentriere mich darauf, ein großartiger Vorstandsvorsitzender von Apple zu sein", sagte er im Interview. Jobs sei ein Genie gewesen, ein Visionär. Jemanden wie ihn werde es wohl nie wieder geben.

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