Anleihen:Nichts wie raus

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Wie geht es jetzt weiter? Das interessiert auch Anleger. (Foto: Michael Nagle/Bloomberg)

Seit dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA verkaufen Anleger massenhaft Schuldscheine von Staaten oder Unternehmen. Warum steigen sie gerade jetzt aus? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Von Harald Freiberger und Lukas Zdrzalek, München

Es ist die stärkste Reaktion an den Finanzmärkten auf den neuen US-Präsidenten: In dem Moment, da Donald Trump als Sieger feststand, setzte eine Verkaufswelle bei Anleihen ein, die seitdem nicht mehr abgeebbt ist. Im Gegenzug sind die Renditen derart gestiegen, wie es binnen so kurzer Zeit selten der Fall ist. Für Investoren scheint es derzeit nur eine Devise zu geben: nichts wie raus aus Anleihen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie funktionieren Anleihen?

Anleihen sind Schuldscheine von Staaten oder Unternehmen mit fester Laufzeit, festem jährlichen Zinskupon und dem Versprechen, dass der Anleger am Ende der Laufzeit 100 Prozent seines Geldes wieder bekommt. Sie werden zu einem Kurs von 100 ausgegeben. Verändert sich die wirtschaftliche Lage des Staates oder Unternehmens, spiegelt sich dies im Kurs wider: Bei größerer Nachfrage steigt er, bei geringerer Nachfrage sinkt er, ähnlich wie bei einer Aktie. Der Kurs spielt dann eine Rolle, wenn ein Anleger vor Ende der Laufzeit verkauft. Da es einen fest versprochenen jährlichen Zinskupon gibt, steigt bei einem niedrigeren Kurs zum Ausgleich automatisch die jährliche Rendite, die ein Anleger erhält, wenn er aktuell zu einem niedrigeren Kurs kauft. Umgekehrt gilt: Fällt der Kurs, steigt die Rendite. Die derzeitige Verkaufswelle führt daher zu einem starken Renditeanstieg.

Wie sind die Renditen gestiegen?

Die Verkaufswelle betrifft vor allem "Langläufer", wie die Fachleute sagen: Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit und mehr. Die Rendite solcher US-Papiere erhöhte sich seit der Wahl von 1,86 auf rund 2,2 Prozent, ein Plus von fast einem Fünftel. Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit verdoppelten sich fast von 0,16 auf gut 0,30 Prozent. Der Anstieg ist so heftig, weil die Renditen vorher historisch niedrig waren. Bei zweijähriger Laufzeit fällt der Anstieg geringer aus.

Warum verkaufen die Anleger?

Das liege "eindeutig an den Ankündigungen Trumps im Wahlkampf", sagt Elmar Völker, Anleihenexperte der Landesbank Baden-Württemberg. "Sein großes Konjunkturprogramm wird mit Schulden finanziert, das heißt, es werden künftig deutlich mehr US-Staatsanleihen ausgegeben." Allein dieses höhere Angebot führt nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage schon zu sinkenden Preisen, also Kursen. Hinzu kommt, dass Trumps protektionistische Pläne die Inflation treiben. Wenn er Zölle auf Importe erhöht, steigen in den USA die Preise für diese Produkte. Kaufen die Amerikaner daraufhin mehr inländische Produkte, kurbelt dies das Geschäft von US-Firmen an. Genau diese Wirkung will Trump erzielen. Doch sie führt auch dazu, dass Arbeitsplätze knapp werden, was die Löhne und damit die Inflation treibt. Ohnehin läuft die US-Wirtschaft in einigen Branchen schon sehr gut. Zieht die Inflation an, könnte die US-Notenbank auch den Leitzins erhöhen - und zwar, so glauben manche, früher und deutlicher als bisher angenommen. Neuen Anlass für diese Annahme hat gerade Zentralbank-Chefin Janet Yellen geboten: Der Leitzins könne bald schon steigen, sagte sie vor dem US-Kongress.

Warum verkaufen Investoren, wenn sie höhere Inflation erwarten?

Die Notenbanken halten die Zinsen seit Jahren extrem niedrig, zudem kaufen sie in großem Stil Anleihen - beides soll die lahmende Wirtschaft ankurbeln. Dies hat dazu geführt, dass auch die Renditen von Anleihen extrem niedrig sind. Gerade Papiere solider Staaten wie Deutschland notieren sogar überwiegend im Minus. Große Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds kauften sie zuletzt trotzdem mangels Alternative - und auch, weil die Inflationsrate niedrig ist, sodass nach Abzug der Inflation real immer noch Rendite übrig bleibt. Zieht die Inflation künftig aber an, bieten die niedrig verzinsten Anleihen diesen Inflationsschutz nicht mehr. "Sie werden weniger attraktiv, deshalb flüchten gerade Profis jetzt aus dieser Anlageklasse und schichten um, zum Beispiel in Aktien", sagt Experte Völker. Auch das ist ein Grund, warum die Aktienkurse nach der Trump-Wahl stiegen.

Warum sind Staatsanleihen mit langen Laufzeiten stärker betroffen?

Die Inflation steigt nicht sofort, es wird noch eine Zeit lang dauern. Deshalb sind lange laufende Anleihen stärker davon betroffen als solche mit nur einem oder zwei Jahren Laufzeit. Das zeigt sich an den Bundesanleihen: Zehnjährige Papiere des deutschen Staates vollzogen den Renditesprung von US-Papieren voll nach. Denn es wird erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) auf Dauer keine deutlichen Zinsunterschiede zu den USA zulassen wird. Denn dann würde zu viel Kapital aus Europa abfließen. Kurzfristig dürfte die EZB die Zinsen aber nicht anheben, da die Wirtschaft in Europa noch deutlich schlechter läuft als in den USA. Für kurz laufende Anleihen spielt die Geldpolitik eine größere Rolle als die Inflationserwartung. Deshalb ist die Rendite zweijähriger Bundesanleihen bei Weitem nicht so stark gestiegen.

Kann es auch wieder in die andere Richtung gehen?

Der Markt sehe derzeit fast ausschließlich das Inflationsthema und blende langfristige Risiken aus, sagt Völker. Dieses Risiko ergibt sich ebenfalls aus Trumps Protektionismus: Wenn andere Staaten, zum Beispiel China, mit Gegenmaßnahmen reagieren, droht ein Handelskrieg, der das weltweite Wachstum beschädigt und im schlimmsten Fall in einer Rezession mündet. Dann würde die Spirale wieder in die andere Richtung gehen: Die Notenbanken senken die Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln, die Inflation geht zurück, die Anleihenkurse steigen, und die Renditen sinken.

Wie sollten sich Privatanleger verhalten?

Investoren, die ihre Papiere bis zum Laufzeitende halten wollen, kann der Kurssturz egal sein, weil sie die Zinsen und ihr Geld ohnehin wiederbekommen. Wer dagegen auf steigende Kurse spekuliert hat und angesichts der fallenden Kurse über einen Verkauf nachdenkt, sollte erst mal abwarten. "Noch ist unklar, ob Trump sein Wirtschaftsprogramm wirklich umsetzen wird und die Kurse weiter fallen werden", sagt Jan Holthusen, Anleiheexperte der DZ Bank.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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