Anlage:Der Groschen fällt nicht

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Die Zinsen sind so niedrig wie nie, Sparen lohnt sich nicht. Doch über andere Anlageformen und finanzielle Zusammenhänge wissen die Europäer nach wie vor viel zu wenig.

Von Simone Boehringer und Jan Willmroth, Frankfurt/München

Es war schon einmal einfacher, mit Geld umzugehen, und es gab Zeiten, in denen das Sparen mehr Spaß gemacht hat. Was sich aber nie geändert hat: Viele Menschen wissen nicht, wie es genau funktioniert, wenn sie Geld für später zurücklegen. Kaum jemand kann das so gut einschätzen wie die Ökonomin Annamaria Lusardi. Sie leitet das Global Financial Literacy Excellence Center an der George Washington University und erforscht seit vielen Jahren die finanzielle Grundbildung in verschiedenen Ländern.

"Wenn die Zinsen bei null liegen, wird es umso wichtiger, dass Menschen verstehen, was Risiko bedeutet", sagt sie. Sehr viele verstehen das aber nicht einmal im Grundsatz. Das zeigt eine Studie des Versicherungskonzerns Allianz, der in Zusammenarbeit mit Lusardi 10 000 Bürger in zehn europäischen Ländern befragt hat. Die Befragten sollen den Zusammenhang von Zinsen und Inflation, Risiko und Rendite einschätzen. Ein Beispiel: Wenn 100 Euro auf dem Sparkonto mit zwei Prozent verzinst werden, haben Sie nach fünf Jahren mehr oder weniger als 102 Euro zur Verfügung? Ein knappes Viertel der Europäer beantwortet das falsch.

"When will the penny drop?", ist die Umfrage betitelt: Wann fällt der Groschen? Nur 15 Prozent der Teilnehmer beantworteten die beiden Fragen zum Verständnis von Risiko korrekt; in Deutschland sind es immerhin 19 Prozent. Nur gut elf Prozent der Befragten kreuzten bei allen fünf Fragen die richtige Antwort an. "Menschen, denen es an finanzieller Grundbildung mangelt, treffen häufiger schlechte Entscheidungen", sagt Lusardi. Nach wie vor, auch das zeigt die Erhebung, wissen Frauen außerdem deutlich weniger über Finanzen als Männer.

Deutschland schneidet im europäischen Vergleich neben der Schweiz und Österreich noch vergleichsweise gut ab. Allerdings kann mehr als ein Drittel der Deutschen den Zusammenhang zwischen Zinsen und Inflation nicht richtig einschätzen. Auch bei Aspekten der Geldanlage wie der Streuung seines Vermögens der Risikoabschätzung herrscht der Studie zufolge weiter großer Nachholbedarf. Das geringste Verständnis für finanzielle Zusammenhänge herrscht demnach in Portugal, Italien und Frankreich vor.

Zudem steigt das Basiswissen in Sachen Finanzen nach wie vor mit dem Alter. Nur vier von zehn Befragten unter 35 Jahren konnten die Basisthemen korrekt beantworten. Gerade einmal zwölf Prozent können den Risikobegriff richtig einordnen. Die Werte steigen bei den Über-50-Jährigen auf 64 beziehungsweise 17 Prozent. Die Allianz bezeichnete die Ergebnisse als "besorgniserregend".

Verglichen mit früheren Studien habe sich die Finanzbildung in den bald zehn Jahren seit Beginn der Finanzkrise nicht wesentlich verbessert, sagt Lusardi. Derweil seien die Finanzmärkte aber komplexer geworden. "Wir müssen das in den Schulen unterrichten", fordert sie. Man lasse Menschen ihre Finanzen managen, ohne dass sie eine Ahnung hätten. Finanzielle Kenntnisse gehörten mehr denn je zur Allgemeinbildung.

Die Vermittlung von wirtschaftlichem Fachwissen in der Schule ist seit Jahren umstritten. Für spezielle Schulfächer, die es nicht in jedem Bundesland gibt, muss an anderen Inhalten gespart werden. Und Wirtschaftsunterricht ist am ehesten der Einflussnahme durch die Privatwirtschaft ausgesetzt.

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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