Anklage:Vorwurf der Gewinnsucht

Die Ankläger wollen Anton Schlecker vorsätzlichen Bankrott nachweisen. Das kann für den Ex-Drogerie-Kaufmann bis zu zehn Jahre Gefängnis bedeuten.

Von Stefan Mayr und Klaus Ott, München/Stuttgart

Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart würde, das lässt sich aus der Anklageschrift ableiten, Anton Schlecker am liebsten wohl ins Gefängnis bringen. Dem Gründer des Drogerie-Imperiums wird neben anderen Delikten auch Bankrott in besonders schweren Fällen vorgeworfen. Das kann mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Ein besonders schwerer Fall liegt laut Strafgesetzbuch vor, wenn der Täter aus "Gewinnsucht" handelt oder viele Personen in wirtschaftliche Not bringt.

Die Staatsanwaltschaft unterstellt Anton Schlecker sowie Sohn Lars und Tochter Meike, vor der Pleite der Drogeriekette aus Gewinnsucht mit zahlreichen dubiosen Geschäften vorsätzlich etliche Millionen Euro beiseite geschafft zu haben. Und der Punkt mit der wirtschaftlichen Not vieler Menschen wäre auf den ersten Blick auch nachvollziehbar. Mehr als 23 000 Beschäftigte, vor allem Frauen, haben ihren Job verloren. Viele von ihnen haben bis heute keine neue Stelle gefunden.

Ist also sicher, dass Vater, Sohn und Tochter hinter Gitter kommen? Nein, keineswegs. Für Freiheitsstrafen müsste der Vorsatz nachgewiesen werden. Der Zusammenbruch der Drogerie-Gruppe müsste, wie von den Ermittlern angenommen, bereits lange vorher unausweichlich gewesen sein. Und der Patriarch sowie die beiden Kinder müssten das genau erkannt haben. Anton Schlecker war sehr wohl im Bilde gewesen, wie schlecht es um seine Läden stand, in denen er Deos, Kosmetik, Babynahrung, Arzneien, Putzmittel und Tausende weitere Artikel verkaufte. Das belegen Vermerke ("Es ist 5 vor 12!!!") und Zeugenaussagen.

Diverse Dokumente und Vernehmungsprotokolle zeigen aber auch, wie der Patriarch selbst nach jahrelangen Verlusten bis zum Schluss um das wirtschaftliche Überleben kämpfte. Wie er versuchte, Unternehmensteile zu verkaufen, um Rechnungen zahlen zu können. Ein früherer Finanzvorstand der Schlecker-Gruppe sagte bei den Ermittlern als Zeuge aus, der Konzernchef habe seine Lage im Grunde genommen nicht wahrhaben wollen. Er habe gedacht, er finde immer noch Wege, um den Engpass zu überbrücken. Im September 2011, vier Monate vor der Pleite, soll der Patriarch sogar versucht haben, die Unternehmensgruppe zu verkaufen. Eine Insolvenz sei von der Familie vehement abgelehnt worden, sagte ein Wirtschaftsprüfer aus, der bei der Veräußerung helfen sollte.

Mit dem Nachweis eines vorsätzlichen Bankrotts könnte es für die Ankläger also schwierig werden.

Andererseits haben Anton, Lars und Meike Schlecker kurz vor der Insolvenz am 23. Januar 2012 ein paar Geschäfte gemacht, die überhaupt nicht gut aussehen. Sechs Tage vorher verkaufte der Patriarch laut Anklage drei Grundstücke einer österreichischen Schlecker-Gesellschaft für sieben Millionen Euro an seine beiden Kinder. Der Kaufpreis soll 2,1 Millionen Euro unter dem Verkehrswert gelegen haben.

Die wohl eindeutigste Zahlung geschah am 20. Januar 2012, also exakt drei Tage vor dem Insolvenzantrag. Mehr als fünf Millionen Euro landeten per Blitzüberweisung auf den Privatkonten von Lars und Meike Schlecker. Die fällige Kapitalertragssteuer in Höhe von 1,8 Millionen zahlte Papa Schlecker. Er minderte damit sein eigenes Vermögen und die Insolvenzmasse um exakt diesen Betrag. Allerdings nur vorübergehend, denn Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz holte das Geld im Auftrag der Gläubiger schnell wieder zurück.

Insgesamt überwiesen die Schleckers dem Insolvenzverwalter nicht weniger als 10,1 Millionen Euro - diese Rückzahlung kann auch als eine Art Schuldeingeständnis gewertet werden. Antons Ehefrau Christa Schlecker muss wohl keine Haftstrafe befürchten. Ihr wird nur Beihilfe zum Bankrott vorgeworfen, und bei ihr geht es auch um die vergleichsweise kleine Summe von 71 400 Euro.

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