Anklage gegen Uli Hoeneß:Abhängig vom eigenen Selbstvertrauen

Lesezeit: 2 min

Angeklagter und Aufsichtsratschef - kein Widerspruch beim FC Bayern. Der Einzige, der Hoeneß nach der Anklage wegen Steuerhinterziehung zum Rücktritt bringen könnte, ist er selbst. So sind der FC Bayern und seine Aktiengesellschaft konstruiert.

Von Jannis Brühl

Gerhard Cromme ist irgendwann gegangen. Der langjährige Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp hatte das Vertrauen des starken Mannes im Konzern verloren: Berthold Beitz, als Vorsitzender der Krupp-Stiftung mit mehr als einem Viertel der Anteile wichtigster Aktionär, entschied sich im Frühjahr gegen Cromme. Uli Hoeneß kann so etwas trotz d er Anklage wegen Steuerhinterziehung gegen ihn nicht passieren. Denn der starke Mann unter den Aktionären ist er selbst.

Dem Verein FC Bayern gehören mehr als 80 Prozent der Anteile an der FC Bayern AG, und Uli Hoeneß ist Präsident des Vereins. Darin unterscheidet sich die Konstruktion beim FC Bayern zum Beispiel von der des Konkurrenten Borussia Dortmund. Dessen Präsident ist der Unternehmer und SPD-Politiker Reinhard Rauball, Aufsichtsratschef aber ist der Parfümerie-Unternehmer Gerd Pieper (der allerdings seit 2008 auch Vizepräsident des Klubs ist). Der Wirtschaftsethiker Matthias Fifka kritisiert das. Der Zeit sagte er über die FC Bayern AG: "Der Aufsichtsrat kontrolliert sich selbst."

Am 13. November findet die Jahreshauptversammlung des FC Bayern statt. Dass die Vereinsmitglieder Hoeneß abwählen, ist angesichts des sportlichen Erfolgs praktisch ausgeschlossen.

Der Aufsichtsrat kontrolliert den Vorstand (dessen Chef ist im Falle der FC Bayern AG Karl-Heinz Rummenigge). Ein Aufsichtsratschef kann nicht einfach abgesetzt werden, solange er das Vertrauen der Aktionäre genießt. In Hoeneß Fall bedeutet das vor allem: das eigene Selbstvertrauen.

Die Vertreter der Anteilseigner bestücken den Aufsichtsrat. Sie können sich gegenseitig zumindest ein bisschen kontrollieren. Doch im Fall des FC Bayern sind alle Aufsichtsräte vom Großaktionär FC Bayern - und damit von Hoeneß - abhängig.

In dem Gremium sitzen unter anderem Herbert Hainer und Rupert Stadler als Chefs der Aktionäre Adidas und Audi sowie Edmund Stoiber. Sie könnten sich öffentlich gegen Hoeneß stellen und so zumindest moralischen Druck auf ihn ausüben. Tun sie aber nicht. Ihre Bekanntmachung von diesem Montag ist eindeutig: Hoeneß bleibt. Das Gesetz kenne nicht einmal ein "Amtsverbot wegen einer strafrechtlichen Verurteilung", schreiben sie weiter. Mit einem Rechtsgutachten haben sich die Unterzeichner zuvor abgesichert.

Auch die Vereinssatzung ist vage: "Jedem Mitglied muss in seinem Verhalten zum Klub und dessen Mitgliedern Ehre und Ansehen des Klubs oberstes Gebot sein." Schadet Hoeneß Steueraffäre dem Verein, wenn sportlich doch alles mehr als rund läuft? Für die anderen Aufsichtsräte, denen Hoeneß vorsteht, hat mutmaßliche Steuerhinterziehung nichts mit dem Unternehmen zu tun. Wenn überhaupt, sei das eine Verletzung "in anderen Lebensbereichen", heißt es in der Erklärung.

Auch mit dem Fall Josef Ackermann ist der Fall Hoeneß nur bedingt vergleichbar. Der Deutsche-Bank-Chef wurde 2003 angeklagt, weil er als Aufsichtsratschef des Industriekonzerns Mannesmann umstrittene Millionenprämien abgenickt hatte, als das Unternehmen von Vodafone übernommen wurde. Zum Zeitpunkt der Anklage war Ackermann aber nicht mehr Aufsichtsratschef, da hatte Vodafone Mannesmann schon zerschlagen.

Hoeneß könnte also nur freiwillig zurücktreten. So hat es Ackermann gemacht, als er vor zwei Monaten aus dem Aufsichtsgremium von Siemens ausschied, weil er mit dem Aufsichtsratschef dort nicht klarkam. Der heißt: Gerhard Cromme.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: