Anklage gegen Deutsche-Bank-Chef Fitschen:Eine Frage der Zeit

File photo of Fitschen Co-CEO of Deutsche Bank

Jürgen Fitschens Vertrag als Chef der Deutschen Bank läuft noch bis 2017.

(Foto: REUTERS)

Wird Jürgen Fitschen seinen Vertrag erfüllen können? Das hängt davon ab, ob und wann es zu einem Prozess gegen den Co-Chef der Deutschen Bank im Kirch-Verfahren kommt.

Von Klaus Ott

Die Deutsche Bank hat schon genug Probleme. Das Letzte, was das Geldhaus jetzt noch brauchen könnte, wäre eine Führungskrise, weil einer der Chefs vor Gericht verurteilt wird. Das weiß auch Jürgen Fitschen. Gemeinsam mit Anshu Jain leitet er das größte Kreditinstitut der Republik, sein Vertrag läuft noch bis Frühjahr 2017, dann wird er 68 Jahre. Aber wird Fitschen seinen Vertrag erfüllen können? Oder muss er, um Schaden von der Bank abzuwenden, vorzeitig abtreten?

Entschieden wird darüber nicht in Frankfurt, sondern in München bei der bayerischen Justiz. Denn die bereitet gerade eine Anklage gegen Fitschen, seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere Ex-Vorstände der Deutschen Bank vor. Der Vorwurf lautet: versuchter Prozessbetrug im Fall Kirch. Schon in wenigen Wochen könnte die Anklage vorliegen.

Vieles hängt vom Tempo der Justiz ab

Fitschens Ziel ist klar: Er will das lästige Verfahren so schnell wie möglich beenden. Falls dies nicht gelingt, wäre es aus Sicht der Bank wohl am besten, wenn sich der drohende Prozess und dessen Beginn so weit wie möglich in die Länge zieht. Idealerweise würde das Münchner Landgericht erst dann ein Urteil fällen, wenn Fitschen schon in Rente ist - also erst im Laufe des Jahres 2017.

Ob es tatsächlich so kommt, hängt aber nicht bloß von Fitschen und dessen gewieftem Verteidiger Hanns W. Feigen ab, der schon Uli Hoeneß verteidigt hat. Sondern es hängt auch vom Tempo der bayerischen Justiz ab. Nach Angaben aus den Kreisen von Verfahrensbeteiligten ist ein mehrere Hundert Seiten langer Entwurf für die Anklage inzwischen fertig und liegt der Generalstaatsanwaltschaft und dem bayerischen Justizministerium vor.

Bedeutsame Verfahren, die öffentliches Aufsehen erregen, müssen dem Ministerium gemeldet werden. Noch im Sommer, nach Möglichkeit sogar noch im August, soll die Anklage unterschrieben und bei der fünften Strafkammer des Landgerichts München I unter Vorsitz von Peter Noll eingereicht werden. Das ist jene Strafkammer, bei der gegenwärtig der Schmiergeldprozess gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone läuft.

Mit einer schnellen Entscheidung, ob Noll die Anklage dann zulässt und es zu einem Gerichtsverfahren gegen Fitschen & Co. kommt, ist allerdings nicht zu rechnen. Die Causa ist kompliziert. Und die Verteidiger der fünf Beschuldigten werden bestimmt mit langen Schriftsätzen versuchen, die Vorwürfe zu entkräften und einen Prozess zu verhindern.

Fitschen hat das Bußgeld-Angebot zurückgewiesen

Ob insbesondere die Vorwürfe gegen Fitschen für einen Prozess reichen, muss man abwarten. Dem amtierenden Bankchef wird ja - anders als seinen Vorgängern - gerade nicht vorgeworfen, er habe die Justiz mit einer Zeugenaussage im Fall Leo Kirch aktiv täuschen wollen, um ein Schadensersatzurteil zugunsten des inzwischen verstorbenen Münchner Medienmagnaten zu verhindern. Fitschen wird lediglich angelastet, er habe einen mutmaßlichen falschen Vortrag der Bank-Anwälte im Kirch-Prozess nicht korrigiert.

Dass die Anschuldigungen gegen Fitschen schwer genug für ein Gerichtsverfahren wiegen, wird in Justizkreisen bezweifelt. Das Münchner Landgericht, heißt es, könnte Fitschen aus der Anklage herausnehmen, ihm einen Strafprozess ersparen und stattdessen ein Bußgeldverfahren daraus machen. Dann wäre die Bankchef wieder dort, wo er vor einigen Monaten schon einmal war.

Bayerns Regierung könnte zugunsten Fitschens eingreifen

Die Staatsanwaltschaft hatte Fitschen im Frühjahr angeboten, die Ermittlungen einzustellen, wenn er ein Bußgeld in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro zahlt. Der Bank-Chef wies das zurück - angeblich aus Sorge, die Finanzaufsicht Bafin könnte ihm wegen des damit verbundenen Eingeständnisses, seine internen Aufsichtspflichten verletzt zu haben, einigen Ärger bereiten.

Rechtlich bestünde auch die Möglichkeit, dass Bayerns Regierung zugunsten von Fitschen eingreift und das Justizministerium von seinem Weisungsrecht an die Staatsanwaltschaft Gebrauch macht. Käme das Justizressort zu dem Schluss, die Anschuldigungen überzeugten nicht, könnte es den Ermittlern vorschreiben, den Bank-Chef aus der Anklage herauszunehmen. Damit ist aber nicht zu rechnen. Regierungschef Horst Seehofer und Justizminister Winfried Bausback halten sich bei solchen Fällen sehr zurück, um sich gar nicht erst politisch angreifbar zu machen.

Mit einem Prozess, sagen Verfahrensbeteiligte, sei angesichts all dieser Fragen frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2015 zu rechnen, vielleicht sogar erst 2016. Die Zeit spielt also für Fitschen, dessen Vertrag als Vorstandschef der Deutschen Bank im März 2017 endet. Er kann also beim für ihn allergünstigsten Verlauf in den Ruhestand gehen, bevor das Kirch-Verfahren vor Gericht abgeschlossen ist.

Zum Stand der Dinge äußern sich momentan weder die Deutsche Bank noch die Münchner Staatsanwaltschaft oder das bayerische Justizministerium. Fitschen selbst hat die Vorwürfe gegen ihn längst zurückgewiesen. Er habe "weder gelogen noch betrogen", erklärte der Manager Anfang des Jahres nach zwei Vernehmungen bei der Staatsanwaltschaft, in denen er seine Unschuld beteuert hatte.

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