Angst vor Übernahmen:Offenheit als Stärke

Deutsche Konzerne haben davon profitiert, dass sie sich den Kapitalmärkten geöffnet haben. Jetzt brauchen sie keine neuen Schutzgesetze, sondern nur mehr Transparenz.

Martin Hesse

Die Aufregung ist groß in den Chefetagen der Dax-Konzerne. Seit Wochen werden an der Börse fast täglich Gerüchte gehandelt, welchem Konzern nun eine feindliche Übernahme droht. Und der erfolgreiche Angriff der Schaeffler-Gruppe auf Conti hat den Dax-Bossen offenbar den Rest gegeben.

Angst vor Übernahmen: Der Chemiekonzern BASF hat in diesem jahr an der Börse erheblich verloren - das macht anfällig für eine Übernahme.

Der Chemiekonzern BASF hat in diesem jahr an der Börse erheblich verloren - das macht anfällig für eine Übernahme.

(Foto: Foto: ddp)

Eine illustre Schar von Finanzvorständen hat sich mit einem Brief an Finanzminister Peer Steinbrück gewandt, um auf einen besseren Schutz vor Übernahmen zu drängen. Doch wenn auch der Fall Conti Defizite des deutschen Kapitalmarktes aufgezeigt hat: Ein größerer gesetzlicher Schutz vor Übernahmen ist nicht nur überflüssig, er wäre sogar schädlich.

Die Angst der Konzern-Chefs kommt nicht von ungefähr. Unternehmen wie Daimler oder BASF haben seit Jahresbeginn an der Börse erheblich an Wert verloren. Das macht sie anfällig für eine Übernahme, vor allem wenn sie keinen Großaktionär haben, der langfristig an Bord bleiben möchte.

Tatsächlich hat es bei Continental wegen des Kursverfalls erstmals seit vielen Jahren einen erfolgreichen feindlichen Angriff auf einen Dax-Konzern gegeben. Swiss Life versuchte mit dem Finanzvertrieb AWD eine halbherzige Attacke auf das MDax-Unternehmen MLP.

Ende der Bequemlichkeit

Dennoch ist die Sorge überzogen, Unternehmen der ersten und zweiten deutschen Börsenliga könnten reihenweise zu Opfern feindlicher Übernahmen werden. Finanzinvestoren, die in den Jahren 2005 bis 2007 deutsche Konzerne umkreisten, haben heute wegen der Kreditkrise nicht die Mittel, Unternehmen im Wert von fünf Milliarden Euro und mehr zu schlucken. Und auch viele ausländische Konkurrenten aus der Industrie kämpfen selbst mit Problemen und können an Zukäufe nicht denken.

Doch selbst wenn sich vor den Toren der Dax-Konzerne tatsächlich die Bieter drängten: Was wäre daran so schlimm? Noch im Boom der vergangenen Jahre sahen viele Beobachter in dem Interesse ausländischer Investoren zu Recht einen Beleg für die Stärke deutscher Unternehmen.

Viel spricht dafür, dass deutsche Konzerne auch deswegen besser geworden sind, weil sie sich nach der Jahrtausendwende für die Kapitalmärkte und damit auch für Übernahmen geöffnet haben. Die alte Deutschland AG mit den zahlreichen Überkreuzbeteiligungen bot zwar Schutz vor Attacken, sie förderte aber auch die Bequemlichkeit in den Chefetagen.

In Schwächephasen wie der gegenwärtigen sehnen sich jedoch viele Vorstände nach mehr Sicherheit. Tatsächlich ist es eine Schwäche der Börse, dass im Abschwung durch den Kursverfall auch Firmen anfällig sind, die nicht schlecht geführt werden. Wenn deshalb neue Eigentümer angelockt werden, ist das jedoch nicht unbedingt problematisch.

Ist das Unternehmen auf dem richtigen Kurs, werden die neuen Eigentümer - egal ob Staatsfonds, Finanzinvestoren oder deutsche Familienfirmen - nicht hektisch eine neue Richtung einschlagen. Arbeitnehmer müssen deshalb nicht zwangsläufig um ihre Arbeitsplätze fürchten.

Schaeffler als weißer Ritter

Dennoch kann es sinnvoll sein, sich mit einem langfristig denkenden Großaktionär Stabilität ins Haus zu holen. So gesehen ist im Fall Conti Schaeffler selbst der weiße Ritter: Eine deutsche Familie als Großaktionär wird auf lange Sicht ausländische Finanzinvestoren vor der Tür halten.

Deutsche Autokonzerne haben früh signalisiert, wie recht ihnen diese Konstellation ist, um für sie wichtige Technologien im Lande zu halten. Gewissermaßen ist der Einstieg von Schaeffler eine Rückkehr zur Deutschland AG. Auch bei Daimler und anderen Konzernen gibt es Gedankenspiele, sich in ähnlicher Weise gegen Angriffe zu schützen.

Es ist legitim, wenn Unternehmen starke Kernaktionäre suchen, um sich schwerer angreifbar zu machen. Sie sollten aber offen für die Stimmen der anderen Aktionäre bleiben. Eines aber braucht Deutschland nicht: neue Gesetze zum Schutz vor Übernahmen.

Deshalb sollte die Regierung nur die Regeln nachbessern, um mehr Transparenz und Fairness zu schaffen. Verdeckte Angriffe wie bei Schaeffler wären in vielen anderen Ländern nicht möglich gewesen.

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