Angeschlagene Fluggesellschaft:Air Berlin sucht starken Partner

Neuer Chef, neue Strategie. Hartmut Mehdorn hat im September die Führung von Air Berlin übernommen - und bricht jetzt mit einem Tabu seines Vorgängers: Er sucht nach einem starken Partner und Investor für die angeschlagene Fluggesellschaft. Die Kandidaten kommen vom Golf und aus China.

Jens Flottau

Die angeschlagenen Fluglinie Air Berlin sucht jetzt offenbar einen starken Partner. Nach SZ-Informationen hat der neue Unternehmenschef Hartmut Mehdorn, 69, bereits Kontakt zu möglichen neuen Investoren aufgenommen. Danach haben bereits Gespräche mit mehreren möglichen Interessenten stattgefunden, darunter mit Etihad Airways aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und der chinesischen HNA Group. Ein Verkauf eines substantiellen Aktienpakets an Air Berlin ist den Informationen zufolge nicht ausgeschlossen. Air Berlin gab dazu keinen Kommentar.

Baustelle neuer Flughafen Berlin

Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender von Air Berlin, sucht potenzielle Investoren, um Air Berlin wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen.

(Foto: dpa)

Air Berlin, hinter der Lufthansa zweitgrößte Fluggesellschaft in Deutschland, steckt in einer tiefen Krise, nach dem Sturz der Aktie liegt der Börsenwert des Unternehmens derzeit bei nur noch 225 Millionen Euro. Die wirtschaftliche Lage der Fluggesellschaft hatte sich zuletzt noch einmal verschlechtert: Air Berlin hat in den Jahren 2008 bis 2010 bereits Verluste ausgewiesen, seit Beginn des Jahres drückt zusätzlich die Luftverkehrsabgabe auf das Ergebnis. Bis Ende September 2011 betrug der operative Verlust schon 123 Millionen Euro.

Mehdorn hatte die Führung erst Anfang September von Firmengründer Joachim Hunold übernommen. Dieser wehrte sich immer gegen einen Verkauf. Nun verfolgt Mehdorn einen neuen Kurs. Er hat ein Sanierungsprogramm in Höhe von 200 Millionen Euro aufgelegt, musste allerdings einräumen, dass auch das möglicherweise nicht reicht, um 2012 Verluste abzuwenden. Die Eigenkapitalquote von Air Berlin liegt derzeit bei alarmierenden 14 Prozent, das Eigenkapital bei 368 Millionen Euro. Vor einem Jahr hatte es noch 574 Millionen betragen.

Der Einstieg eines Investors könnte frisches Geld und vor allem auch mehr Zeit für Air Berlin bringen, wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen. Mehdorn selbst hatte in der vergangenen Woche deutlich gemacht, wie unklar die weitere Geschäftsentwicklung ist. Wegen der europäischen Schuldenkrise und der sich abzeichnenden geringeren Wachstumsraten befürchten viele Airlines, dass im kommenden Jahr schwere Zeiten auf sie zukommen.

Die Aktie ist derzeit nur noch ein Bruchteil wert, der Höchstwert lag im Mai 2007 bei über 20 Euro. Am Donnerstag war die Aktie 2,63 Euro wert. Für die derzeitigen Eigner bedeutet dies, dass ihre Anteile bei einer möglichen Kapitalerhöhung stark verwässert würden. Die türkische Esas Holding hält 16,48 Prozent der Aktien, der Streubesitz erreicht 63 Prozent. Mögliche Investoren könnten nicht nur durch die schwachen aktuellen Ergebnisse, sondern auch durch die hohe Schuldenlast, die die Airline mit sich herumschleppt, abgeschreckt werden.

Gemeinschaftsflüge schon seit 2008

Etihad, die nationale Fluggesellschaft Abu Dhabis, stand schon einmal kurz vor dem Einstieg bei Air Berlin. 2008 platzte das Geschäft aber kurz vor der endgültigen Einigung. Etihad selbst wurde erst 2003 gegründet und ist seither, finanziert vom Emirat Abu Dhabi, auf einem steilen Expansionskurs. Die Airline macht aber immer noch Verluste in mehrfacher Milliardenhöhe. Etihad hat im Laufe der Zeit immer wieder erwogen, andere Airlines zuzukaufen. Nachbar Qatar Airways hat sich zuletzt mit 35 Prozent an Cargolux beteiligt.

Etihad-Chef James Hogan müsste für eine Air-Berlin-Übernahme seine Anteilseigner, die herrschende Familie al-Nahyan, begeistern. Ein Insider glaubt, dass Hogan derzeit unter erheblichem Druck steht, die Verluste bei Etihad einzudämmen und daher kaum die Erlaubnis dafür bekommt, in eine ausländische Fluggesellschaft zu investieren.

Ein anderer Branchenkenner hingegen hält es trotz aller eigenen Probleme weiterhin für denkbar, dass Etihad bei Air Berlin einsteigen könnte. "Wir sind weltweit regelmäßig in Kontakt mit anderen Fluggesellschaften und Unternehmen, um über gemeinsame Möglichkeiten zu sprechen", teilt Etihad lediglich mit.

Neben Etihad gilt auch der chinesische Konzern HNA Group als ein Kandidat. HNA ist vor allem im Flug- und Reisegeschäft aktiv. Zur Gruppe gehört auch Hainan Airlines, die viertgrößte chinesische Fluggesellschaft, mit der Air Berlin seit 2008 kooperiert. Die beiden Unternehmen bieten Gemeinschaftsflüge (Code-Sharing) an und arbeiten bei den Vielfliegerprogrammen zusammen.

HNA will nun auch verstärkt in Europa investieren und hat dem Vernehmen nach ein Angebot für die zum Verkauf stehende Flughafensparte des Hochtief-Konzerns, Hochtief Concessions, abgegeben. HNA war zuletzt angeblich auch an einer Beteiligung an der ungarischen Fluggesellschaft Malev interessiert.

Weil andernfalls die internationalen Verkehrsrechte Air Berlins gefährdet wären, müsste sich ein Investor aus einem Nicht-EU-Land voraussichtlich auf zunächst höchstens 49 Prozent beschränken.

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