Amazon:Selbstversuch

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Amazon-Lkw wie in den USA wird es vorerst nicht in Deutschland geben. (Foto: Jonathan Alcorn/Reuters)

Der Internethändler Amazon testet in Deutschland einen eigenen Zustelldienst, um schneller zu werden. Die etablierten Lieferfirmen sind beunruhigt.

Von Stefan Mayr, München

Gerüchte gab es schon seit längerem, und der erste Modellversuch läuft seit Oktober. Nun haben die Konkurrenten Gewissheit: Der Onlinehändler Amazon baut bundesweit einen eigenen Zustelldienst auf - zumindest teilweise. Das Unternehmen aus Seattle verfolgt damit vorrangig zwei Ziele: Er will seine Kunden noch schneller beliefern als bisher und sich von den großen externen Paketzustellern unabhängig machen. Entsprechend groß ist die Unruhe bei Dienstleistern wie DHL, DPD oder Hermes, die einen Großteil ihres Umsatzes mit der Auslieferung von Amazon-Päckchen machen.

Nach Schätzungen von Branchenexperten werden in Deutschland pro Jahr etwa drei Milliarden Pakete verschickt - davon kommen alleine aus dem Hause Amazon zwischen 500 und 700 Millionen. Die bisherigen Auftragnehmer des US-Konzerns müssen also Umsatzeinbußen befürchten. Ein Sprecher der Hermes Europe GmbH wollte die Amazon-Pläne nicht kommentieren - auch weil Amazon "ohne Frage ein wichtiger Auftraggeber" des Unternehmens sei. Dass die Hermes-Manager nicht darüber begeistert sind, wenn ihr eigener Großkunde ihnen Konkurrenz macht, lässt der Sprecher durchklingen: "Wir beobachten die Entwicklung schon seit längerem sehr sorgfältig". DPD und DHL geben sich zumindest nach außen hin gelassen: "Wir sehen aktuell keine gravierende Veränderung der Wettbewerbssituation", sagt ein DPD-Sprecher. Und der Branchenführer DHL geht davon aus, "auch in Zukunft eng" mit Amazon zusammenzuarbeiten.

Amazon seinerseits betont, die neuen Pläne seien kein Ausdruck von Misstrauen in die derzeitigen Dienstleiter: "Amazon will Flexibilität gewinnen", sagt Bernd Schwenger, Director Amazon Logistics. Das Unternehmen wolle neue Angebote wie Same-Day-Delivery (Zustellung am Tag der Bestellung) anbieten. "Hier hilft ein eigenes Angebot", sagt Schwenger.

Wird Amazon die Boom-Branche Paketzustellung durcheinander wirbeln und demnächst mit eigenen Lieferwagen durch die Straßen kurven? Damit ist - zumindest mittelfristig - nicht zu rechnen. Zwar nahm im Oktober das neue Verteilzentrum in Olching bei München seinen Betrieb auf. Aber auch dorthin werden die Sendungen von externen Firmen geliefert - wie auch zum Endkunden. Noch ist der einzige Unterschied zur bisherigen Praxis: Die Auftragnehmer sind kleinere lokale Unternehmen. Sie holen die Pakete in Olching ab und stellen sie im Raum München zu.

Auch der Geschäftsführer des Bundesverbands Paket und Expresslogistik, Marten Bosselmann, glaubt nicht, dass Amazon ein eigenes flächendeckendes Logistik-Netz aus dem Boden stampfen wird: "Zusätzliche Konkurrenz müssen die Unternehmen nicht befürchten". Eher wahrscheinlich sei es, dass Amazon ein Unternehmen aufkaufe. Amazon selbst macht über seine Pläne nur vage Angaben. Aber immerhin scheint das Pilotprojekt in München so gut zu laufen, dass Bernd Schwenger nun die Expansion in weitere deutsche Ballungsräume ankündigt: "Zunächst werden wir andere Metropolen angehen und in Stadtnähe Verteilzentren aufbauen." Genauere Angaben macht Amazon nicht.

Nach Medienberichten hat sich der Konzern im Berliner Zentrum bereits eine Fläche gesichert. In Hamburg laufen Gespräche mit der Stadt über geeignete Grundstücke. In Frankfurt und Köln würden bereits Führungskräfte gesucht.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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