Altmaier stellt Stromsparinitiative vor:Minister für richtiges Bewusstsein

Peter Altmaier will die Bürger zu Stromsparern erziehen. Bis 2020 will er dafür allen Deutschen Energieberatung anbieten. Wie viel das kosten soll, verrät er nicht. Wie er die Beratung verbessern will, auch nicht. Und dass der Koalitionspartner FDP seine Initiative scharf kritisiert, bestreitet er einfach.

Jannis Brühl, Berlin

Ja, es ist das richtige Gebäude. Peter Altmaier steht im Innenhof des Umweltministeriums - oben über dem Glasdach treibt der Wind vereinzelte Wolken durch den Sonnenschein. Energiewende-Wetter. Dabei redet Altmaier, als wäre er Bildungsminister: "Wir müssen ein Bewusstsein schaffen", sagt er. Die Energiewende beginnt für ihn nicht im Geldbeutel oder auf der Steuererklärung der Bürger, sondern in ihren Köpfen. Er will die Deutschen zu Stromsparern erziehen.

Altmaier kommt vom Runden Tisch mit Vertretern von Energiebranche, Kommunen, Verbraucherschützern und Wohlfahrtsverbänden. Vor einer Stellwand, auf der schwarz-rot-goldene Netzstecker prangen, stellt er seine "Stromsparinitiative" vor. Bis 2020 will er den Verbrauch von Elektrizität um zehn Prozent senken, um 18 Prozent den von Primärenergie.

Um das Energiesparen im Bewusstsein der Bürger zu verankern und so die Strompreissteigerungen im Zuge der Energiewende abzufedern, soll allen Haushalten eine Energieberatung angeboten werden. Verbraucher sollen von entsprechenden Stellen Tipps, zum Beispiel zum Wechsel des Energieanbieters, zur Wärmedämmung oder Fördermöglichkeiten erhalten. An diesem Dienstag war bekanntgeworden, dass die Ökostrom-Umlage um etwa 50 Prozent teurer werden könnte. Sie wird wahrscheinlich auf bis zu 5,4 Cent pro Kilowattstunde steigen. Für einen durchschnittlichen Vierpersonenhaushalt dürften die Kosten damit pro Jahr um 50 Euro steigen.

Jeder zehnte Haushalt nutzt Beratungsangebot

"Bis 2020 sollen alle Haushalte eine solche Beratung in Anspruch nehmen können, nach Möglichkeit auch kostenlos", sagt Altmaier. Bisher hätten erst zehn Prozent das Beratungsangebot angenommen. Zwei Drittel von ihnen seien als einkommensschwach einzustufen. Die will er mit "maßgeschneiderten Angeboten" unterstützen.

"Quantitativ und qualitativ" will der CDU-Politiker die Energieberatung ausbauen. Bestehende wie neue Stellen könnten an der Initiative teilnehmen. Das umschreibt Altmaier mit dem etwas ungelenken Bild: "Jede Beratung behält ihren Hut auf, kann sich aber einen Sticker der Initiative anheften." Es bleibe natürlich ein freiwilliges Angebot: "Wir wollen niemanden zwangsbeglücken."

Wie genau das finanziert werden soll, sagt Altmaier nicht. Vieles an seinem Konzept ist noch vage. Kosten der Initiative? Die "finanziellen Anstrengungen" würden "ausgebaut", er wolle aber dem Haushalt nicht vorgreifen. Wie genau seine Initiative Beratungsstellen helfe? Die sollen auf "bestimmte qualitative Voraussetzungen" geprüft werden und dann ein "Label" erhalten, sagt Altmaier. Welche Voraussetzungen das sein sollen, verrät er nicht.

Ob er die Ausnahmeregelungen bei der Öko-Umlage einschränken will? Nun, zumindest gebe es "keinen Anlass für weitere Ausweitungen". Oppositionspolitiker wie Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisieren, dass energieintensive Betriebe größtenteils von der Umlage befreit sind - aber nicht nur Schwerindustrie, sondern auch Hähnchenmäster und Rechenzentren. Altmaier sagte dazu, den "Löwenanteil" machten sinnvolle Ausnahmen aus, etwa für Alu- oder Elektroindustrie.

SPD fordert Finanzhilfen für Sanierung privater Gebäude

Altmaiers Initiative wird von Linken und Liberalen gleichermaßen kritisiert. Erstere wollen mehr Unterstützung für Arme - zum Beispiel in Form von Sozialtarifen. Die SPD fordert, dass die Regierung Privatleute finanziell bei der Gebäudesanierung - eine der wichtigsten Stromsparmaßnahmen - unterstützen soll. Die Kosten überforderten viele.

Auch von Altmaiers Koalitionspartner kam am Dienstag heftige Kritik: Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kauch, sagte, Altmaier solle statt nur zu versuchen, die Energieffizienz zu steigern, lieber "durch eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Kosten dämpfen". Kauch bezweifelt auch die Sinnhaftigkeit des Runden Tisches: "Es herrscht kein Mangel an Energieberatung. Man muss die bestehenden Angebote nur stärker publik machen." Die FDP, aber auch Verbraucherschützer fordern außerdem, die Stromsteuer zu senken und so die höhere Umlage zumindest teilweise auszugleichen. Altmaier lehnt das ab - und die Angriffe vom Koalitionspartner ignoriert er: "Ich glaube nicht, dass es da Kritik gibt."

Der Mangel an konkreten Vorschlägen lässt die versammelte Journalistenschar im Umweltministerium etwas ratlos zurück. Altmaier versucht es mit einem Witz, als er winkend den Innenhof verlassen will: "Hat noch jemand Lust, mit auf den Tourismusgipfel zu gehen?" Er ist ja schließlich nicht Minister für Bildung, sondern für Sonne und Wind.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: