Altersstaffellungs-Urteil des Bundesarbeitsgerichts:Was vier Tage Urlaub kosten

Die Erhöhung des Urlaubsanspruchs junger Angestellter um bis zu vier Tage erzeugt laut kommunaler Rechnung Mehrkosten von jährlich etwa 250 Millionen Euro. Diese Kosten wollen die Arbeitgeber bei den aktuellen Tarifverhandlungen in die Waagschale werfen, um die Forderungen der Gewerkschaften drücken.

Sibylle Haas

Den kommunalen Arbeitgebern kommt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Altersstaffelung beim Urlaub gerade recht - auch wenn das zunächst vielleicht anders aussieht. Die Tarifverhandlungen stocken, die Beschäftigten sind im Streik. Da könnte die Entscheidung der Erfurter Richter den Arbeitgebern nutzen, um die Forderung der Gewerkschaft zu drücken.

Jüngere Arbeitnehmer dürfen nämlich nicht alleine wegen ihres Lebensalters weniger Urlaub bekommen als Ältere - dies verstößt gegen das Gebot der Gleichbehandlung, entschied das BAG am Dienstag. Damit ist eine im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vorgesehene altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer rechtswidrig. Junge Angestellte bekommen nun bis zu vier Tagen mehr Urlaub im Jahr. Das ist eine Menge. Und deshalb der Punkt, in den sich die Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen festbeißen könnten.

Der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, Manfred Hoffmann, hat auch schon reagiert. "Wir rechnen damit, dass eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs für alle Beschäftigten auf 30 Tage bei den kommunalen Arbeitgebern zu einem Verlust von 1,6 Millionen Arbeitstagen pro Jahr führt", sagte er. Und: "Dies bedeutet Mehrkosten von rund 250 Millionen Euro jährlich". Hoffmann geht noch weiter, denn er will "tarifpolitischen Handlungsbedarf" prüfen.

Ganz anders sieht das natürlich der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske. Er will das BAG-Urteil aus dem laufenden Tarifkonflikt heraushalten. "Das wird auf die Verhandlungen meiner Ansicht nach nicht ausstrahlen können", sagte der Funktionär am Mittwoch in Köln. "Wir sprechen über Entgelt." Das aber ist eben das Geld der Arbeitgeber.

Grundsatzurteil wurde schon länger erwartet

Wie auch immer dieser spezielle Tarifkonflikt ausgehen mag, Rechtsexperten bei Arbeitgebern und Gewerkschaften haben ein Grundsatzurteil schon länger erwartet. Seitdem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im August 2006 in Kraft trat, rät die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) den Betrieben, die Tarifverträge auf Diskriminierungen zu durchforsten. Aus vielen Verträgen sind solche und ähnliche "Boni" auch längst verschwunden.

"Eine tarifliche Altersstaffelung beim Urlaub gibt es nur noch in wenigen kleinen Branchen und in einigen Regionen", erklärt Rainer Bispinck, Tarifexperte beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Etwa in der hessischen Brot- und Backwarenindustrie oder im Fleischerhandwerk in der Pfalz und in Thüringen.

Die meisten großen Branchen, darunter die Metall- und Chemiewirtschaft, haben die Altersstaffelung beim Urlaub aus ihren Tarifverträgen gestrichen. Im vorigen Jahr hat auch der Handel die Staffelung getilgt. Und in diesem Jahr zogen Bahn und Post nach. Sie koppelten zusätzliche Urlaubstage an die Betriebszugehörigkeit: Je länger jemand im Betrieb ist, desto mehr Urlaub bekommt er. Als Treuebonus. Diese Regelung hat das BAG mit seinem Urteil nicht in Frage gestellt.

Wer ältere Arbeitnehmer besser stellen will, muss das begründen

Nach dem Bundesurlaubsgesetz haben Arbeitnehmer in Deutschland einen jährlichen Urlaubsanspruch von mindestens 24 Werktagen, Samstage mitgerechnet. Die meisten Tarifverträge gehen aber deutlich darüber hinaus.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt die Entscheidung der Erfurter Arbeitsrichter. "Sie ist konsequent", sagt Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim DGB. Die Tarifpartner würden auch in Zukunft genügend Verhandlungsspielraum haben. Diesen habe das BAG mit seiner jüngsten Entscheidung nicht beschnitten. "Eine Altersstaffelung beim Urlaub ist ja durchaus möglich, wenn es sachliche Gründe dafür gibt, etwa wenn der Beruf mit der Zeit zu gesundheitlichem Verschleiß führt", erklärt sie.

Eben diese sachlichen Gründe hat das BAG im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst aber nicht erkennen können: "Die tarifliche Urlaubsstaffelung verfolgt nicht das legitime Ziel, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rechnung zu tragen", so die Richter. "Ein gesteigertes Erholungsbedürfnis von Beschäftigten bereits ab dem 30. beziehungsweise 40. Lebensjahr ließe sich auch kaum begründen."

Das BAG könnte auch noch andere Fragen zur Benachteiligung wegen Alters zu entscheiden haben, meint Arbeitsrechtlerin Perreng. "Etwa was tarifliche Regelungen betrifft, dass ältere Mitarbeiter mit langer Beschäftigungszeit nur noch außerordentlich gekündigt werden können. Es gibt zum Beispiel im Metallbereich entsprechende Tarifverträge." Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat vor einiger Zeit entschieden, dass ältere Beschäftigte nur dann längere Kündigungsfristen haben dürfen, wenn es dafür wirklich triftige Gründe gibt.

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