Alternative Währungen:Wer will schon Euro, wenn er Chiemgauer haben kann

Das Vertrauen in den Euro ist dahin. In der Finanzkrise stellt sich die Frage: Geht das nicht auch anders? Ja, geht es. Mit anderem Geld. In Deutschland wächst das Interesse an Regionalwährungen. Wo es geht, zahlen Menschen inzwischen mit "Chiemgauer", "Carlo" und "Bürgerblüte". In der Schweiz funktioniert ein komplementäres Währungssystem schon seit 70 Jahren.

Anja Perkuhn

Merkwürdig sieht es aus: Jemand hält einen großen, vielfarbigen Zettel über eine Theke und bekommt dafür ein Stück Käse zurückgereicht. Oder auch ein Brot. Kein Euro ist zu sehen - und bezahlt ist trotzdem. Solche Bilder sollen zeigen: Es gibt Regionalwährungen in Deutschland und sie funktionieren. Dafür nötig ist lediglich ein begrenztes Gebiet, in dem sie wirken können. Und in dem Gebiet muss es dann noch jemanden geben, der die Währung zusätzlich zum Euro auch benutzen will. Und diese Menschen gibt es, sagt Frank Jansky. Es werden immer mehr.

Kasseler Regionalwährung 'BürgerBlüte'

Mehr als 30 Regionalwährungen gibt es in Deutschland allein im Verband Regiogeld - und es kommen immer neue dazu. Komplementäre Währungen wie die Kasseler BürgerBlüte können in abgegrenzten Regionen als Zahlungsmittel eingesetzt werden.

(Foto: dpa/dpaweb)

Jansky ist Vorstandsmitglied des Vereins "Regiogeld e.V." in Magdeburg. Regiogeld ist eine Art Dachverband für regionale Komplementärwährungen, er vernetzt Akteure und Initiativen, berät, informiert. Jansky ist gerade in Deutschland unterwegs gewesen, hat einige Initiativen besucht, "um zu gucken, wie die Stimmung so ist", sagt er. Und die sei: interessiert. "Im Zuge der Finanzkrise nehmen die Anfragen zu."

Denn Regionalwährungen versprechen, anders zu sein als der Euro, über den es in den vergangenen Monaten fast nur noch Schreckensmeldungen zu lesen und zu hören gab.

Regionale Währungen, auch Komplementärwährungen genannt, wollen "das Geldwesen der Allgemeinheit zugänglich machen", schreibt der Verein Regiogeld, indem sie mit einer eigenen, lokal begrenzten Währung einen kleinen geschlossenen Wirtschaftskreislauf herstellen. Dadurch, dass die Währungen nur in bestimmten Gebieten kursieren, soll die Kaufkraft an die Region gebunden werden.

Die meisten dieser Währungen sind durch den Euro gedeckt, man erhält sie in Banken und teilnehmenden Geschäften und tauscht sie in der Regel im Verhältnis 1:1 gegen Euro ein. Manche hingegen sind leistungsgedeckt und damit eher ein Tauschsystem von Arbeitszeit oder Waren.

Viele der Währungen sind als sogenanntes "Schwundgeld" konzipiert: Sie verlieren über die Zeit an Wert, wenn man sie nicht ausgibt - meist ein paar Prozent innerhalb eines halben Jahres, was mit Notizen oder aufgeklebten Marken auf den Scheinen gekennzeichnet wird. Auch wenn man Regiogeld in Euro zurücktauscht, verliert man ein paar Prozent des ursprünglichen Wertes. Damit soll verhindert werden, dass es gehortet wird. Regionalgeld soll im Umlauf bleiben.

Das Konzept wurde ursprünglich für strukturschwache Gebiete beispielsweise in Brasilien erdacht. Dadurch ist in vielen ehemaligen Elendsvierteln ein lokaler Wirtschaftskreislauf entstanden, in dem nun gearbeitet werden kann.

Akademie für neues Geld

In Deutschland gibt es inzwischen mehr als 30 solcher Komplementärwährungen. Allerdings nicht zum Wiederaufbau von vollkommen verarmten Stadtvierteln, sondern vor allem zur Unterstützung der regionalen Wirtschaft und Identität - und als Werbemittel für den entsprechenden Landstrich.

Regiogeld Roland aus Bremen

"Scheckgutschein" steht gut sichtbar auf dem Roland, der Regionalwährung von Bremen und umzu. Sie gilt als erste Regionalwährung Deutschlands. Die Mitglieder des Roland-Wirtschaftsringes feierten im Oktober das zehnjährige Bestehen der Währung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Da gibt es zum Beispiel den etablierten "Chiemgauer", von dem in Süddeutschland mehr als 500.000 Stück in Umlauf sind, die "Havelblüte", die in Potsdam ihren Anfang nahm, den "Urstromtaler", der sich über das gesamte Bundesland Sachsen-Anhalt verteilt oder den "Roland" aus Bremen. Sieht man vom "Knochengeld", das 1993 für zwei Monate im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ausgegeben wurde, und dem kurzzeitig bei Erfurt in Umlauf gegebenen "Phoe" einmal ab, war der "Roland" 2001 die erste Regionalwährung Deutschlands.

Es kommen immer wieder neue Währungen dazu, und nicht alle sind in dem Verband organisiert. Manche Währungen sind eher Künstlerprojekte wie zum Beispiel das "Rheingold" aus dem Raum Düsseldorf oder das esoterisch angehauchte, relativ junge "Engelgeld" in Wittenberg. Das Projekt Coinstatt hat gar eine Akademie für Komplementärwährungen gegründet: Per Fernkurs kann man sich innerhalb von etwa drei Monaten darin schulen lassen, dieses "neue Geld" und das dazugehörige System zu verstehen.

Gleichzeitig verschwinden auch immer wieder Projekte von der Landkarte, wenn die Initiatoren aus der Stadt wegziehen oder die Akzeptanz nachlässt. Viele Anfragen verpuffen auch. "Die Menschen sind verunsichert", sagt Jansky, "aber um sich sofort auf Versuche mit anderem Geld einzulassen, gleich neue Wege zu gehen, dazu ist die Krise nun auch nicht groß genug."

Groß genug - das wäre sie erst wenn man Schwierigkeiten bekäme, mit seinem Geld noch etwas zu kaufen. Oder wenn einfach kein Geld da wäre, das die nationale Wirtschaft in Schwung hält, wie gerade in Griechenland. Eine landeseigene Währung für sich selbst und den Euro als Zugang zu Europa, das wäre doch eine gute Idee, sagt Jansky. "Die Schweiz praktiziert das doch, und es funktioniert."

200 "Chiemgauer"-Kredite allein in diesem Jahr

Zumindest ähnlich: Die Schweiz hat nach wie vor die Schweizer Franken als ihre Landeswährung und nicht den Euro, allerdings gibt es noch eine schweizweit anerkannte zweite Währung: den WIR.

Die WIR-Bankgenossenschaft hat sich 1934 im Zuge der Weltwirtschaftskrise gegründet. 1936 erhielt sie den Bankenstatus, inzwischen hat sie sieben Filialen in der Schweiz. Der WIR ist ein bargeldloses Verrechnungssystem unter den etwa 60.000 Teilnehmern - Guthaben und Belastungen werden auf den Konten verbucht, der Buchungsauftrag gilt als Zahlungsmittel. Zahlungen funktionieren auch in Kombination mit Schweizer Franken.

Außerdem sind WIR-Kredite erhältlich. Sie sind nicht durch Schweizer Franken gedeckt, sondern über Grundpfandrechte, Bankgarantien oder Lebensversicherungen abgesichert. Die WIR-Bank muss selbst keine Zinsen dafür aufbringen, deshalb sind die Zinssätze für einen Kredit besonders niedrig. "Wir verstehen den WIR nicht als Alternative zum Franken", sagt Kommunikationsleiter Hervé Dubois, "sondern als Komplementär, als Ergänzung."

Einige Teilnehmer von Initiativen pflegen allerdings die fast schon romantische Vorstellung davon, dass mit ihrer Währung auch noch dann alles gut weiterlaufen kann, wenn im großen Europa die Krise eskaliert. Doch zu viel sollte man von einer Komplementärwährung auch nicht erwarten.

In Deutschland beispielsweise wäre so eine Rettung gar nicht möglich. Denn um der Volkswirtschaft frisches Geld zur Verfügung stellen zu können, müsste eine Währung auch Kredite schöpfen können. In Deutschland ist das per Gesetz verboten. Der "Chiemgauer" vergibt trotzdem seit dem vergangenen Jahr Kredite von bis zu 20.000 Euro vor allem an Unternehmen aus der Region, Kleingewerbetreibende oder Freiberufler.

Keine Gefahr für die Bundesbank

Das geht nur deshalb, weil die hinter dem "Chiemgauer" stehende Regio Genossenschaft mit einer Bank zusammenarbeitet. Die ist der eigentliche Kreditgeber, "wir sind da erstmal angedockt", sagt Christian Gelleri vom Verein Chiemgauer. Wer also einen "Chiemgauer"-Kredit bekommt, dem legt der Verein gewissermaßen einen "Chiemgauer"-Schleier über sein ganz gewöhnliches Konto und er nutzt das Geld einfach als Regionalwährung. 2010 haben der Verein und die Bank etwa 100 solcher Kredite vergeben, sagt Gelleri, in diesem Jahr sind es schon 200 - insgesamt etwa eine halbe Million in "Chiemgauern".

"Wir würden auch gern die Konten selbst führen und richtige Kredite anbieten", das hat die Bankenaufsicht aber nicht zugelassen. Es gibt also auch hier keine Ausnahme vom gesetzlichen Verbot.

Außerdem verbietet der Paragraph 35 des "Gesetzes über die Deutsche Bundesbank" ausdrücklich die "Ausgabe von Nebengeld, wenn dieses geeignet ist, im Zahlungsverkehr anstelle von gesetzlichen Zahlungsmitteln verwendet zu werden".

Die Deutsche Bundesbank als Institution, die selbst die Währungsreserven Deutschlands verwaltet, sagt zum Thema Regionalwährungen: "Nach unserer Auffassung besteht eine Gefahr vor allem dann, wenn es sich um Zeichen handelt, die geldähnlich ausgestaltet und allgemein verwertbar sind. Wertgutscheine sollten daher äußerlich keine Elemente aufweisen, die banknoteneigentümlich sind."

Die Regionalwährungen in Deutschland, diese großen, bunten Zettel mit abstrakt anmutenden Aufdrucken und dem Hinweis "Gutschein", sieht die Bundesbank also nicht als Gefahr. Ernsthafter würde sie sich wahrscheinlich mit diesem Thema auseinandersetzen, würde sich die Gesetzeslage ändern.

"So lange die Gesetze so bleiben, wie sie sind, werden diese Projekte in Deutschland immer so klein und regional bleiben", sagt Hervé Dubois von der WIR-Bank. "Und wenn man eine Änderung nicht einmal in Zeiten wie diesen durchsetzt, wird man es nie schaffen."

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