Alternative Anbieter:Schnelle Züge

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Private Bahnanbieter wollen zuverlässiger, pünktlicher und günstiger sein. Bei den Wettbewerbern läuft aber auch nicht alles rund.

Von Thomas Öchsner und Marco Völklein

Als Hansrüdiger Fritz vor etwas mehr als einem Jahr seinen neuen Job als oberster Vertreter der Bahntochter DB Regio Bayern antrat, da war sein Ziel klar. In Schach halten wollte er die Konkurrenten der Privatbahnunternehmen, keine weiteren Strecken sollten mehr aus der Hand der bayerischen DB-Tochter an die Wettbewerber gehen. Zuvor bereits hatte die Bahn ein Streckennetz rund um das südbayerische Rosenheim an den Konkurrenten Veolia verloren. "Dieser Verlust war schmerzhaft für uns", sagte Fritz damals. So etwas sollte nicht mehr passieren.

Das Gegenteil trat ein. Zum Beispiel bei der S-Bahn in Nürnberg, dem zweitwichtigsten Nahverkehrsnetz im Freistaat. Den Zuschlag für den Betrieb in Nürnberg erteilte die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), eine 100-prozentige Tochter des Freistaats, die in dessen Auftrag den Schienenverkehr in Bayern plant, organisiert und bezahlt, dem britischen Unternehmen National Express. Zwar zog Fritz vor die Vergabekammer, errang dort sogar einen Teilerfolg, sodass die Vergabe an die Briten derzeit in der Luft hängt. Doch den grundsätzlichen Trend konnte er damit nicht stoppen: Mehr und mehr machen sich die Konkurrenten der DB in den regionalen Bahnnetzen breit. Nicht nur in Bayern, auch in anderen Regionen des Landes.

Seit der Marktöffnung hat die Bahn Zug um Zug Aufträge an die Wettbewerber verloren. Derzeit liegt der Marktanteil des Konzerns im Regional- und Nahverkehr nur noch bei 73 Prozent, durch die verlorenen Ausschreibungen wird er weiter fallen. Immer häufiger ergattern die Konkurrenten sogar große Netze, wie zuletzt National Express im Verbund mit einer Tochter der niederländischen Staatsbahn. Beide Firmen sollen von 2018 an schnelle Züge unter der Marke "Rhein-Ruhr-Express" in Nordrhein-Westfallen rollen lassen.

Die Bahn verliert immer größere Anteile am Netz: In Nordrhein-Westfalen beispielsweise soll von 2018 an der private "Rhein-Ruhr-Express" rollen. (Foto: dpa)

In ganz Deutschland fahren mehr Züge - davon profitieren die Kunden

Der Wettbewerb auf der Schiene nützt in erster Linie vor allem den Ländern, die seit der Bahnreform im Jahr 1994 für den regionalen Schienenverkehr zuständig sind. Der Bund überweist jedes Jahr 7,4 Milliarden Euro an "Regionalisierungsmitteln" an die Länder, damit diese Züge und S-Bahnen bei den Verkehrsunternehmen bestellen. Durch den Wettkampf um die Aufträge gelang es den Ländern, die Preise für den Betrieb der einzelnen Netze zu drücken - und so deutlich mehr Züge für etwa das gleiche Geld fahren zu lassen. Allein in Bayern konnte die BEG so die Verkehrsleistung binnen 20 Jahren um 70 Prozent steigern - obwohl gleichzeitig die Regionalisierungsmittel kaum gewachsen sind. Kein Wunder also, dass die Regierung in München bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts sämtliche Schienennetze im Freistaat mindestens einmal ausschreiben will.

Auch bundesweit fahren viel mehr Züge als früher: 651 Millionen Kilometer legen die Regionalzüge der Bahn und ihrer Wettbewerber jährlich zurück - das sind gut 20 Prozent mehr als vor knapp zwei Jahrzehnten. Der Konkurrenzkampf hat das Angebot erweitert, und etliche Züge sind auch komfortabler und moderner geworden.

Der Staatskonzern sieht sich jedoch grundsätzlich bei Ausschreibungen, bei denen es vor allem um den Preis geht, im Nachteil. Die Bahn argumentiert dabei mit ihren Personalkosten, die um zehn bis 15 Prozent höher seien als die der neuen Anbieter. Bei Lokomotivführern und Zugbegleitern "liegen die Gehälter im Branchenvergleich weit über den Wettbewerbern", heißt es in einem Positionspapier des Unternehmens. Die Bahn finanziere ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersversorgung. 2,2 Prozent des Bruttolohns oder mindestens 50 Euro pro Monat fließen in einen Pensionsfonds. Hinzu kämen zum Beispiel großzügigere Regelungen bei Arbeitszeiten, freien Wochenenden, Ruhetagen oder bei Nachtarbeit. Das sagen jedenfalls die Tarifexperten der Bahn.

Die Konkurrenz wirft dem Marktführer hingegen vor, mit solchen Vergleichen nur die Öffnung des Personennahverkehrs hintertreiben zu wollen. Für den Erfolg bei Ausschreibungen seien nicht die Personalkosten, sondern ein gutes Konzept, der Service und eine schlanke Verwaltung entscheidend. Niedrigere Lohnkosten seien gar nicht durchsetzbar.

Trotzdem dürfte in Zukunft viel davon abhängen, wie ausgeschrieben wird. Schon jetzt können öffentliche Auftraggeber laut einer europäischen Richtlinie darauf pochen, dass bei einem Wechsel des Betreibers der neue Anbieter den übernommenen Eisenbahnern des Altbetreibers die gleichen Arbeitsbedingungen garantiert. "Diese Kann-Bestimmung wird in Deutschland aber so gut wie gar nicht angewendet", sagt der Sprecher der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. Das gilt selbst für das grün-rot regierte Baden-Württemberg. Bahnmitarbeiter warfen deshalb bereits dem grünen Landesverkehrsminister Winfried Herrmann vor, zum Sozial- und Lohndumping beizutragen.

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SZ-Grafik: Lisa Borgenheimer; Quelle: Wettbewerberreport Eisenbahn 2013/14

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SZ-Grafik: Lisa Borgenheimer; Quelle: Wettbewerberreport Eisenbahn 2013/14

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SZ-Grafik: Lisa Borgenheimer; Quelle: Wettbewerberreport Eisenbahn 2013/14

Nun soll die Kann-Bestimmung aber auch ins deutsche Recht kommen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) muss die europäische Richtlinie bis April 2016 umsetzen. Im Referentenentwurf seines Hauses für eine Modernisierung des Vergaberechts heißt es nun: Die öffentlichen Auftraggeber könnten verlangen, "dass bei einem Wechsel des Betreibers der Personenverkehrsleistung der ausgewählte Betreiber die Arbeitnehmer des bisherigen Betreibers zu den Arbeitsbedingungen übernimmt, die diesen von dem bisherigen Betreiber gewährt wurden". Die Konkurrenten der Bahn laufen dagegen Sturm, der Bahn selbst wie auch den Bahngewerkschaften käme eine solche Klausel natürlich entgegen.

Bei den Wettbewerbern läuft allerdings auch nicht alles rund. Als im Dezember 2013 zum Beispiel das Streckennetz rund um Rosenheim von der DB zum Konkurrenten Veolia ging, hatten die Fahrgäste wochenlang mit Verspätungen und Zugausfällen zu kämpfen. Der Grund: Die BEG hatte den neuen Betreiber verpflichtet, pünktlich zur Betriebsübernahme auch neue Züge zu bestellen. Die aber wurden nur mit Verzögerung geliefert, außerdem zog sich die Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt hin. Als Veolia dann loslegen sollte, fehlten die Fahrzeuge, eilig suchten sich die Chefs Loks und Waggons aus ganz Europa zusammen. Eisenbahnfans hatten daran ihre helle Freude, Hunderttausende Bahnpendler indes waren nur genervt. Solcherlei Erfahrungen vor Augen, gab es denn auch im Frühjahr einen Aufschrei in Nürnberg: Lokalpolitiker warnten, ein Betreiberwechsel, weg von der DB, hin zu National Express, werde den Großraum in einem Verkehrschaos ersticken lassen.

Auch in München könnte das S-Bahn-Netz bald neu ausgeschrieben werden

Ähnliches könnte auch in München drohen. Denn auch dort läuft bald der Vertrag mit der DB für das S-Bahn-Netz aus - dem mit Abstand größten und wichtigsten Netz im Freistaat. Für DB-Regio-Chef Fritz geht es dann um alles. Die Konkurrenten haben bereits angekündigt, auch hier mitbieten zu wollen. Verliert die Deutsche Bahn am Ende also auch diesen wichtigen Auftrag? Die BEG sendete diesmal versöhnliche Signale: Das Münchner Netz sei, auch wegen seiner Größe, nicht zu vergleichen mit dem in Nürnberg. Beobachter hörten da die Botschaft heraus: Sollte die Bahn dem Freistaat entgegenkommen, werde sie wohl den Auftrag behalten können.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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