Allianz:Bätes Wundertüte

Baete, Chief Executive of Europe's biggest insurer Allianz SE, addresses company's annual news conference in Munich

Er ist erst der zehnte Vorstandschef in der 126-jährigen Geschichte: Oliver Bäte steht seit Mai 2015 an der Spitze der Allianz.

(Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Der neue Allianz-Chef Oliver Bäte legt gute Zahlen für 2015 vor. Mit dem Umbau des Konzerns hat er gerade angefangen, und er plant sogar Zukäufe.

Von Herbert Fromme

Oliver Bäte hat für jeden etwas dabei. Seit Mai 2015 steht er an der Spitze der Allianz, Europas größter Versicherungsgruppe. Am Freitag stellt er zum ersten Mal die Bilanzzahlen des Unternehmens vor und sagt mehr zu seinen Zielen. Er wirkt überzeugend. Der Auftritt ist frisch, kein bisschen Müdigkeit wie bei anderen Konzernlenkern. Danach ist klar: Bei der Allianz gewinnen künftig alle, Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter. Sagt zumindest Bäte.

Künftig soll es vor allem um die Kunden gehen. Ihre Bereitschaft, die Allianz weiter zu empfehlen, wird zur wichtigsten Kennziffer für Erfolg oder Misserfolg. Im Marketingjargon heißt das "Net Promoter Score". Er steht derzeit bei 50 Prozent und soll bis 2018 auf 75 Prozent steigen.

Auch die Aktionäre werden von Bäte gut bedient. Er legt ordentliche Zahlen vor: Der operative Gewinn steigt um drei Prozent auf 10,7 Milliarden Euro, nach Sonderaufwendungen und Steuern bleiben unter dem Strich 6,6 Milliarden Euro, ein Plus von vier Prozent. Das ist vor allem angesichts des düsteren Umfelds aus Niedrigzinsen und Kapitalmarktturbulenzen bemerkenswert.

Der neue Chef erhöht für die Aktionäre die Dividende um knapp sieben Prozent auf 7,30 Euro pro Aktie und verspricht mehr. Bis 2018 soll jedes Jahr die Ausschüttung um mindestens fünf Prozent angehoben werden. Belegschaft und Vertrieb sollen auch nicht leiden. Größere Stellenabbaumaßnahmen sind nicht geplant. Und richtig, es gibt zu viele Versicherungsvertreter - aber nicht bei der Allianz. Da könne die Zahl der Vermittler sogar steigen, weil der Versicherer so stark wächst. "Aber sie beraten dann künftig möglicherweise per Skype und Internet, und nicht im Büro." Zweifel sind angebracht, ob wirklich alle nur gewinnen bei der großen Veränderung der Allianz. Manche Mitarbeiter sind misstrauisch: Der heute 50 Jahre alte Bäte war schließlich jahrelang Unternehmensberater und leitete den Versicherungsbereich bei McKinsey, ehe er 2008 als Vorstand zur Allianz geholt wurde. Kurzfristiges Beraterdenken werfen ihm immer noch einige vor im Konzern. Aber inzwischen hat er geschafft, dass die meisten Mitarbeiter bereit sind, sich auf seine Pläne einzulassen.

Denn trotz der guten Zahlen gibt es große Veränderungen in der Branche und bei der Allianz. Dafür sorgen die niedrigen Zinsen einerseits und die technologische Entwicklung andererseits. Der Versicherer braucht vor allem in der Lebensversicherung neue Angebote, die alten Verträge mit herkömmlichen Zinsgarantien kosten zu viel Eigenkapital und sind unattraktiv für die Kunden. Und die Allianz muss ihre künftigen Kunden ganz anders ansprechen und betreuen. Internet und Smartphone werden zu den wichtigsten Kommunikationsmitteln zwischen Kunden und Versicherern, nicht die Formbriefe im Beamtendeutsch.

Andere werden nicht so gut mit den Veränderungen fertig. Rivale Zurich hat nach der Aufdeckung großer Bilanzprobleme in der Haftpflichtversicherung den Chef Martin Senn rausgeschmissen und Mario Greco von der Generali abgeworben. Die hat ihrerseits auch genügend Schwierigkeiten. Der US-Riese AIG wird von Aktionären angegriffen, die eine Aufspaltung verlangen. Die Aktienkurse vieler Versicherer entwickeln sich schlechter als der Markt.

Bäte sieht die Allianz dagegen als "Hort der Stabilität". "Während andere mit der Finanzkrise fertig werden müssen, kümmern wir uns darum, ein digitales Unternehmen zu schaffen." Das Unternehmen habe trotz des schwierigen Marktumfeldes den Umsatz 2015 auf den Rekordwert von 125,2 Milliarden Euro gesteigert. "Wir wollen das Wachstum fortsetzen, organisch und dort, wo es passt, auch anorganisch", erklärt Bäte.

Das heißt, die Allianz will andere Versicherer kaufen. "Wir befinden uns in einer sich konsolidierenden Industrie, und wir wollen die Konsolidierungschancen nutzen." Vor allem Sachversicherer interessieren Bäte. Zwar schränkt er ein: "Wir wollen keine Riesenakquisitionen machen, weil sie in den wenigsten Fällen Werte schaffen." Aber wenn ein Unternehmen mit gutem Management auf dem Markt ist, werde sich die Allianz das ansehen, auch in Deutschland. Hat er möglicherweise Interesse am angeschlagenen Rivalen Zurich? "Kein Kommentar", heißt es, aber auch: "Zurich ist ein tolles Unternehmen."

Während Bäte auf Brautschau ist, drängt er intern auf Veränderungen, vor allem die Konzentration auf die Kunden und Digitalisierung. Allerdings wird die Allianz das Programm "Kontinuität und Erneuerung" ohne größere formale Umbauaktionen umsetzen. Zu präsent sind die Erinnerungen an die katastrophalen Folgen des Großumbaus 2006 und 2007, der viel Sympathie bei Kunden und Mitarbeitern kostete. "Ich bin kein großer Fan von Strukturänderungen", sagt Bäte. In solchen Phasen konzentriere sich ein Unternehmen zu sehr auf sich selbst.

"Trotzdem werden wir einiges ändern", fügt er hinzu. Bäte tastet sich an die gigantische Aufgabe heran, bei der Allianz im Kern ein neues digitales Geschäftsmodell einzuführen. Dafür braucht er jede Unterstützung, die er kriegen kann - deshalb die Wundertüte für alle Beteiligten. Allerdings: Ganz so harmlos wie bislang wird der Umbau wohl auch nicht bleiben.

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