Aldi erobert New York:Die Expansion des deutschen Zwergs

Der deutsche Discounter Aldi hat geschafft, woran der amerikanische Riese Wal-Mart seit Jahrzehnten scheitert: Einen Laden in New York City zu eröffnen. Heimlich, still und leise erobert der German Supermarkt Amerika - dort reibt man sich verblüfft die Augen.

Verena Wolff

New York City ist ein Mekka für Tante-Emma-Läden und Lebensmittelhändler im Handtaschenformat - abgesehen von den Spezialmärkten in Chinatown, Little Italy oder anderen Städtchen in der größten Stadt der USA. Große Supermärkte und die liebsten Discounter der Amerikaner, vertreten meist auf dem platten Acker mit Super- oder Megacentern, suchte man bislang am Big Apple vergeblich.

Die Wirtschaftskrise allerdings hat die Amerikaner zum Umdenken gebracht - dazu, die großen Ketten doch in die Städte zu lassen und nach noch mehr Schnäppchen auch beim täglichen "grocery shopping" zu suchen. Besonders einer profitiert von der neuen Sparwut der Amerikaner: der deutsche Discounter Aldi. Seit 35 Jahren zwar ist der Ableger von Aldi Süd schon in den USA unterwegs - und ist doch ein Einzelhandels-Zwerg geblieben. Etwa zwei Dutzend Filialen eröffnete Aldi bislang jedes Jahr, mehr nicht. Bevorzugt ebenfalls auf dem platten Acker, aber lange nicht so groß wie die Konkurrenz.

Seit 2008 allerdings stehen die Zeichen auf Expansion: Etwa 80 Läden kamen jährlich dazu, um die 1100 in 31 Staaten sind es inzwischen. Und sogar New York City ist keine "Äl-Dei"-freie Zone mehr. Seit Februar ist der Discounter vertreten in der Stadt, die niemals schläft. Zwar nicht in Manhattan, sondern in Queens, gleich auf der anderen Seite der Brücke über den East River. Im flächenmäßig größten der fünf New Yorker Boroughs, in dem zweieinhalb Millionen Menschen leben.

Die New Yorker selbst waren es, die die großen Handelsketten vor der Tür haben wollten und nicht in der Stadt. Selbst Wal-Mart, der amerikanischste aller Supermärkte und weltgrößte Einzelhändler, ist schon zwei Mal gescheitert am Big Apple. Erst seit kurzem bröckelt der Widerstand gegen die großen Ketten: Ikea, Home Depot und Target haben es schon in die Stadt geschafft - und Trader Joe's, Amerikas Öko-Discounter. Besitzer: Aldi Nord. Wal-Mart könnte es nun beim dritten Anlauf schaffen: Gespräche gibt es, die Steuereinnahmen für die Stadt locken - und die Einwohner sehnen sich nach günstigen Einkaufsmöglichkeiten.

Heimlich, still und leise hat sich Aldi nun einen Vorteil auf dem Markt erobert - der erste Laden in der Stadt ist eröffnet. Geplant ist eine weitere Filiale in der Bronx, Eröffnung im Laufe des Jahres.

Aldi macht auch in Amerika, was Aldi in Deutschland so erfolgreich macht: Statt Markenprodukten gibt es Eigenmarken. Statt pompöser Ladenaufmachung stehen die Produkte mitsamt Karton im Regal. Die Auswahl ist begrenzt - aber alles ist da. Zum Vergleich: Bei Aldi gibt es pro Laden etwa 1400 Artikel - in den Supercentern der Konkurrenten auf dem Land bis zu 100.000. Werbung gibt es nicht; Tüten schon - aber nur zu kaufen. Und: Die Einkaufswagen stehen nicht einfach so herum. Sie müssen, wie hierzulade, mit einer Münze ausgelöst werden. Kreditkarten und Schecks werden nicht akzeptiert im Land des Plastikgeldes - auch sind die Türen der Geschäfte nicht rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche geöffnet: In vielen Filialen ist abends um neun Uhr Schluss.

Lernbedarf für Amerikaner

Aldi ist mit seinen Prinzipien so etwas wie der Exot unter den amerikanischen Einzelhändlern - aber ein erfolgreicher. Vor allem im Geldbeutel jedes Einzelnen macht sich das bemerkbar: Einkäufe kosten 20 bis 30 Prozent weniger als bei der Konkurrenz. Die Kunden mögen sich hier und da verwundert die Augen reiben, doch der Preis macht das für viele wett, zumal jetzt, da der Dollar nicht mehr so locker sitzt.

Aldi ist der weltweit achtgrößte Einzelhändler der Welt, 67,7 Milliarden Dollar standen im Jahr 2009 auf der Einnahmenseite, berichtete das Stores-Magazin. Etwa 6,5 Milliarden davon kommen vom amerikanischen Markt. Wal-Mart verdiente ein Vielfaches davon.

Und nun wollen sich alle in den Städten etablieren. Aldi ist nicht der einzige Händler, der sich zwischen den Hochhäusern positioniert. Wal-Mart will mit kleineren Läden in die Innenstädte, Target plant die Eröffnung von City-Filialen. Aber: Aldi ist schon da. Und braucht angesichts des übersichtlichen Warenangebots keine riesigen Flächen. Daher rechnen sich auch die noch immer hohen Innenstadtmieten. Die fehlenden Kosten für Werbung, für Tüten und die einfache Prävention des Einkaufswagen-Klaus tun ein Übriges, die Kosten niedrig zu halten.

Amerikanische Analysten zeigen sich verwundert: "Obwohl die Firmenzentrale in Deutschland sitzt, haben sie in New York schneller ein Geschäft eröffnet als Wal-Mart", sagte Craig Johnson, Chef der Beratungsfirma Customer Growth Partners, jüngst der New York Times.

Die Amerikaner echauffieren sich nicht mal, weil Aldi - wie Wal-Mart - nicht gewerkschaftlich organisiert ist. "Es gibt keinen Grund dafür", sagt Johnson. Es muss nicht extra gebaut werden für Aldi, kleine Ladenlokale stehen oft leer. Die Mitarbeiter begehren nicht auf, die Arbeitsbedingungen scheinen zu stimmen. Und: "Aldi ist bei vielen noch gar nicht auf dem Radar."

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