Aktienskandal:Cum, Ex und hopp

Lesezeit: 3 min

Sie waren reich, wollten aber noch reicher werden. Manager und Börsenhändler eines kleinen Bankhauses sollen über Jahre Steuern hinterzogen und Geldwäsche betrieben haben.

Von Klaus Ott, Frankfurt

Staatsanwälte und Steuerfahnder in Frankfurt, die bei dortigen Großbanken ermitteln, sind inzwischen Einiges gewohnt. Reichen Kunden zu helfen, den Fiskus zu hintergehen, war bei manchen Instituten zur Gewohnheit geworden. Doch was sich bei einem eher kleinen und außerhalb der Branche ziemlich unbekannten Geldhaus namens Maple abgespielt haben soll, das macht selbst abgehärtete Ermittler schier fassungslos. Banker, die schon ziemlich vermögend waren, sollen quasi den Staat bestohlen haben, um noch reicher zu werden.

Die Investmentbank habe, besagen Berechnungen der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, einigen ihrer Manager und Börsenhändler binnen weniger Jahre 250 Millionen Euro an Gehältern und Boni gezahlt. Wesentliche Teile der Boni, glauben die Ermittler, sollen aus "bandenmäßiger Steuerhinterziehung" stammen. Aus illegalen Aktiendeals, bei denen der Fiskus um Hunderte Millionen Euro betrogen worden sei. Anschließend soll ein Teil des Geldes gezielt beiseite geschafft worden sein, so der Verdacht der Behörden. Sie vermuten auch "bandenmäßige Geldwäsche". Das sei alles von 2006 bis 2010 geschehen.

Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen elf Beschuldigte. Einigen von ihnen wird Steuerhinterziehung, einigen Geldwäsche und manchen Beschuldigten sogar beides vorgeworfen; und das in jeweils besonders schweren Fällen. Träfen die Vorwürfe zu, dann wäre das der bisher größte Exzess in einem Skandal, der Staatsanwälte und Steuerfahnder quer durch Deutschland und einen Untersuchungsausschuss im Bundestag beschäftigt.

Beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende haben Banken, Kapitalanlagefonds und deren Helfer nach Erkenntnissen der Behörden den Fiskus über Jahre hinweg um mehr als zehn Milliarden erleichtert. Indem sie sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer von übel getäuschten Finanzämtern gleich mehrmals erstatten ließen. Formal wäre das Steuerhinterziehung gewesen, faktisch Steuerdiebstahl. Per Griff in die Staatskasse.

Die Beschuldigten wollen sich offenbar gegen die Vorwürfe wehren

Besonders dreist soll es Maple getrieben haben. Das Institut soll dem Fiskus mit Cum-Ex 350 Millionen Euro entwendet haben. Und Bank-Manager sollen sich via Boni daran persönlich bereichert haben. Angeblich stamme aber, heißt es aus dem Umfeld der Beschuldigten, höchstens ein kleiner Teil der Boni aus Cum-Deals. Das könnten indes immer noch etliche Millionen Euro gewesen sein. Ob die Vorwürfe zutreffen, bleibt abzuwarten. Die beschuldigten Manager und Händler des Instituts wollen sich offenbar gegen die Vorwürfe wehren.

Maple ist die erste Bank, die Cum-Ex-Deals nicht überlebte. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hatte das kleine Institut im Februar geschlossen, ein Insolvenzverwalter wurde eingesetzt. Maple konnte das für die mutmaßlich fälligen Rückzahlungen an den Fiskus erforderliche Geld nicht aufbringen. Dazu wären Rückstellungen in der Bilanz nötig gewesen. Die ausländischen Inhaber der aus Kanada stammenden Investmentbank ließen das Institut fallen. Der Herkunft aus Übersee verdankt Maple auch sein Firmensymbol, das Ahornblatt. Es ziert das kanadische Wappen.

Dunkle Deals unter dem Ahornblatt, genau das glauben die Ermittler beweisen zu können. Maple soll von 2006 bis 2010 mit Aktien im Wert von mehr als 50 Milliarden Euro gehandelt haben. Die Geschäfte seien über das Ausland abgewickelt worden, um eine Gesetzeslücke bei Börsengeschäften auszunutzen. Eine Lücke, die es Cum-Ex-Akteuren möglich machte, sich gar nicht abgeführte Abgaben vom Fiskus erstatten zu lassen. Zu diesem Zweck soll sich Maple selbst Bescheinigungen über angeblich entrichtete, aber nie gezahlte Steuern ausgestellt und damit zum Finanzamt Frankfurt am Main V/Höchst gegangen sein, um dort das Geld zurückzufordern. Das wäre eine Lizenz zum Gelddrucken gewesen.

Die Ermittler kommen auf 450 Millionen Euro, die das Institut zu Unrecht vom Finanzamt verlangt habe. Ausgezahlt worden seien 350 Millionen Euro, ehe der Fiskus die Deals durchschaut und gestoppt habe. Die Gesetzeslücke beim Börsenhandel, die solche Geschäfte möglich gemacht hatte, war erst spät von der Bundesregierung geschlossen worden. Die Lücke ist nach Ansicht der Ermittler aber keine Erlaubnis zum Griff in die Staatskasse gewesen.

Bei einer Razzia fanden Staatsanwälte und Steuerfahnder belastendes Material

Die Generalstaatsanwaltschaft aus Frankfurt hat gemeinsam mit Steuerfahndern und dem Bundeskriminalamt im September vergangenen Jahres Maple und die Wohnungen der Beschuldigten durchsucht und fand, so die Sichtweise der Ermittler, belastendes Material. Zum Beispiel ein sogenanntes "Worst Case Szenario". Eine Beschreibung, was schlimmstenfalls drohe, wenn der Fiskus die Cum-Ex-Geschäfte nicht anerkenne. In diesem internen Szenario soll Maple mit Steuerrückforderungen in Höhe von 370 Millionen Euro gerechnet haben.

Das entspricht ziemlich genau dem, was die Bank nach Berechnungen der Ermittler zu Unrecht vom Fiskus kassiert habe. Die Fahnder entdeckten noch mehr. Als die Bundesregierung einen vergeblichen Versuch unternommen hatte, die Cum-Ex-Deals mit neuen Regeln zu stoppen, soll Maple diese Geschäfte unterbrochen und anschließend in neuer Form fortgesetzt haben. Diese Variante ist Ermittlern längst bekannt: Kaum hatte die Regierung neue Vorschriften erlassen, da versuchte die Finanzbranche prompt, auch diese Vorgaben wieder auszuhebeln.

Bei Maple soll eine spezielle "Steuermoral" geherrscht haben, sagten sich die Ermittler, als sie auf einen bemerkenswerten Vorgang stießen. Der Leiter einer Maple-Filiale in einem anderen Land habe angesichts einer Steuerschuld beim dortigen Fiskus in Höhe von 40 Millionen Euro notiert, er wolle das vorhandene Kapital über Nacht beiseite schaffen, die Zweigstelle schließen und das Land verlassen.

Ob der deutsche Fiskus Geld zurückbekommt? Der Insolvenzverwalter bittet um Verständnis dafür, dass er sich nicht äußern könne. Das Insolvenzverfahren sei nicht öffentlich und vieles ungeklärt. Auch die heutige Maple-Geschäftsführung, die noch im Amt ist, äußert sich nicht.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: