Aktienrückkäufe:Wenn Konzerne Anleger beschenken

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Unternehmen kaufen eigene Aktien zurück und treiben so den Kurs ihrer Papiere. Auf den ersten Blick ist das gut für Investoren - dabei gibt es enorme Risiken.

Von Lukas Zdrzalek

Normalerweise hat Oliver Bäte nichts zu verschenken, keinen einzigen Cent. Der 51-Jährige ist Chef der Allianz und muss das Geld zusammenhalten, damit das Unternehmen weiterhin Milliarden-Gewinne erzielt. Doch zurzeit ist bei dem Versicherer nichts mehr normal. Mit Bäte steht jemand an der Spitze des sonst so biederen Konzerns, der schon mal ohne Krawatte und mit knallroten Turnschuhen den Hipster der deutschen Wirtschaft mimt - und den Aktionären jetzt sogar ein hübsches Geschenk machen könnte, Umfang: bis zu drei Milliarden Euro. Der Versicherer könnte für diese Summe eigene Aktien kaufen, die Zahl der Papiere so verringern - und den Kurs der restlichen Anteilsscheine nach oben treiben.

Einige wichtige deutsche Konzerne erwerben gerade eigene Aktien oder denken wie die Allianz darüber nach.

Auf den ersten Blick freuen sich Anleger darüber, denn neben der Dividende sind Rückkäufe die zweite Möglichkeit, Investoren am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Allerdings können Rückkäufe die Probleme eines Unternehmens verschleiern, sie manchmal gar verschlimmern. "Erst beim genauen Hinschauen können sich die Risiken zeigen", sagt Christian Exner, Chef der Düsseldorfer Vermögensverwaltung ARX Value und Fondsmanager der Flaskamp Invest. "Anleger sollten grundsätzlich skeptisch sein, wenn Konzerne eigene Papiere erwerben", sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung Wertpapierbesitz (DSW).

Wenn Unternehmen eigene Aktien erwerben, kann der Kurs des Papiers steigen, so wie es das Logo der Deutschen Börse AG andeutet. Aktienrückkäufe können jedoch auch die Probleme eines Konzerns verschleiern. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Investoren müssen einige Punkte prüfen, bevor sie einem Rückkauf zustimmen. Zuerst sollten Anleger klären, wie gut es einem Unternehmen geht. Es reicht jedoch nicht, nur darauf zu schauen, ob ein Unternehmen Gewinn macht. Durch legale Bilanzspielereien können Unternehmen auch mal einen Überschuss erzielen, wenn sie kriseln. Investoren müssen analysieren, wie finanzkräftig ein Konzern ist, also ob er die Aktien mit eigenem Geld kaufen kann. Im Fachjargon bezeichnet der freie Cashflow die Finanzkraft. Ist dieser Wert im Minus, ist das Unternehmen klamm und hat Probleme. Anleger sollten einem Rückkauf jedoch erst zustimmen, wenn der Cashflow über Jahre hinweg im Plus ist. Manche Unternehmen ohne ausreichend eigenes Geld erwerben dennoch Aktien, weil sie glauben, ein steigender Kurs könne Schwierigkeiten übertünchen. Vor allem in den USA, seltener in Deutschland, nehmen Konzerne dafür sogar Kredite auf und bringen sich so in eine noch problematischere Lage. Die prekäre Finanzlage spitzt sich weiter zu, sobald das Unternehmen den Kredit zurückzahlen muss. "Anleger sollten Rückkäufe auf Pump deshalb immer ablehnen", sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Tüngler.

Anleger sollten prüfen, warum ein Konzern nicht Schulden begleicht oder Reserven aufbaut

Zweitens müssen Anleger prüfen, warum ein Unternehmen eigene Aktien zurückkauft, anstatt Geld in das eigene Geschäftsmodell zu stecken - obwohl das tendenziell sinnvoller ist. Zusätzliche Investitionen helfen einem Konzern, sich weiterzuentwickeln und langfristig Gewinne zu erwirtschaften. Ein Unternehmen muss also gut begründen, warum es vermeintlich Geld übrig hat, um eigene Aktien zu erwerben. Anleger sollten sich nicht mit der Erklärung abspeisen lassen, ein Konzern wolle seinen Aktionären mal etwas Gutes tun. Dieser Grund zeugt in der Regel nur von einem uninspirierten Management, das nicht weiß, wie es die Lage des Unternehmens verbessern kann. Ein sinniges Argument liefert dagegen die Allianz, findet DSW-Mann Marc Tüngler. Der Versicherer würde den Rückkauf mit dem Geld finanzieren, mit dem er ansonsten andere Unternehmen kaufen würde. Chef Oliver Bäte hat dieses Budget bislang jedoch nicht genutzt, weil er viele Unternehmen für zu teuer hält. "Es wäre unsinnig, jetzt Firmen zu kaufen, die ihren hohen Kaufpreis womöglich niemals einspielen", sagt Anlegerschützer Tüngler.

Zeigt sich auch mal mit Krawatte: Oliver Bäte leitet als Vorstandsvorsitzender den Versicherungskonzern Allianz. (Foto: imago/Sven Simon)

Drittens sollten Investoren prüfen, warum ein Unternehmen Geld nicht nutzt, um Schulden zu begleichen und Reserven aufzubauen. Der Grund dafür kann simpel sein: Die Verbindlichkeiten sind bereits relativ gering, zudem hat der Konzern bereits hohe Rücklagen gebildet. Als grober Richtwert gilt, dass die Schulden eines Unternehmens nicht mehr als 60 Prozent der Bilanzsumme betragen sollten. Die Bilanzsumme spiegelt das Vermögen eines Unternehmens wider. Die Reserven wiederum sollten sich auf etwa zehn Prozent der Bilanzsumme belaufen, "wobei die Rücklagen umso höher sein sollten, je konjunkturabhängiger ein Unternehmen ist", sagt Vermögensverwalter Christian Exner. Vergleichsweise stark treffen Wirtschaftseinbrüche etwa Autohersteller wie Volkswagen und Rohstofffirmen. Sie brauchen relativ hohe Reserven, um ihre dann besonders hohen Einbußen ausgleichen zu können.

Wie riskant Aktienrückkäufe bei konjunkturabhängigen Unternehmen sein können, zeigt der Fall der Hess Corporation: Das US-Ölunternehmen kaufte bis 2014 Aktien für mehrere Milliarden Dollar zurück. Dann brach der Ölpreis ein, die Reserven des Konzerns schwanden dahin. Die Hess Corporation musste sich zum Überleben frisches Geld besorgen und gab neue Aktien heraus. In der Zwischenzeit war der Kurs der Papiere um mehr als die Hälfte gefallen. Die Hess Corporation hatte die Milliarden völlig umsonst ausgegeben.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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