Aktienmärkte:Der US-Präsident hat die Zukunft der Börsenkurse in der Hand

Donald Trump

Ein Fernsehbildschirm auf dem Parkett der New Yorker Börse zeigt US-Präsident Donald Trump.

(Foto: AP)

Dank guter Wirtschaftszahlen stehen die Börsen eigentlich auf einem stabilen Gerüst. Doch die Turbulenzen zeigen, wie schnell Trump es zum Einsturz bringen könnte.

Kommentar von Claus Hulverscheidt, New York

Donald Trump hat zu Wochenbeginn in Ohio eine wirtschaftspolitische Rede gehalten. Es war die übliche Auflistung tatsächlicher wie vermeintlicher Erfolge, die sich jedoch in einem wichtigen Detail von seinen vorangegangenen selbstverherrlichenden Auftritten unterschied: Der Hinweis auf die Aktienbörsen, für deren Rekordjagd sich der US-Präsident nach einer Zählung der New York Times allein im Januar 25 Mal selbst gelobt hatte, fehlte. Kein Wunder: Während Trump sprach, brach in New York der Dow-Jones-Index um bis zu 1600 Punkte ein. Alle Gewinne des neuen Jahres wurden so auf einen Schlag vernichtet.

13 Monate lang haben die Aktienmärkte die ebenso schräge wie schnulzig-schöne Begleitmusik zur Präsidentschaft eines Mannes geliefert, der ein zerrissenes Land noch tiefer in glühende Anhänger und erbitterte Gegner gespalten hat. Viele dieser Gegner hoffen nun, dass zumindest die Börsen ihren Glauben an Trump verloren haben.

Ein Kurseinbruch wegen zu guter Konjunkturnachrichten?

Doch das wäre ein Trugschluss: Die Finanzmärkte sind ein opportunistisches Gebilde, sie fragen nicht danach, ob ein Präsident Minderheiten beleidigt oder die Früchte seiner Steuerreform gerecht verteilt. Sie schauen vielmehr allein darauf, was seine Politik für die Wirtschaftsentwicklung und die Gewinne der Firmen bedeutet. Und da gilt: Trumps Politik-Mix aus Steuersenkungen, Deregulierung und Ausgabenerhöhungen ist mitnichten wirkungslos, sondern im Gegenteil zumindest kurzfristig so erfolgreich, dass den Aktienhändlern in den vergangenen Tagen davon schwindlig wurde.

Ein Kurseinbruch wegen zu guter Konjunkturnachrichten? Was für Laien seltsam klingt, ist aus Sicht der Märkte nur logisch: Weil Unternehmen wegen der niedrigen Arbeitslosenrate zunehmend Probleme haben, Personal zu finden, steigen die Löhne und in der Folge auch die Preise. Das könnte die US-Notenbank Fed zu unerwartet raschen Leitzinserhöhungen veranlassen, die auch Kredite an Firmen, Bauherren und Autokäufer verteuern würden. Die Investitionen und der Konsum brächen ein, am Ende, so geht die Rechnung, stünde eine Rezession, die auch den Aktienmarkt in die Tiefe reißen würde.

Es ist durchaus denkbar, dass ein solches Szenario irgendwann in den nächsten Jahren Realität wird - vielleicht sogar, das hoffen Trumps Gegner, mitten im Präsidentschaftswahlkampf 2020. Kurzfristig jedoch ist von einer Rezession schlicht nichts zu sehen, im Gegenteil: Betrachtet man die kommenden 18 Monate, sind die wirtschaftlichen Fundamentaldaten, wie man das an der Börse nennt, geradezu exzellent. Erstmals seit Jahrzehnten wachsen alle wichtigen Weltregionen gleichzeitig, die Unternehmen investieren, die Bürger konsumieren, die Preise sind stabil, und die Löhne steigen zwar - bei genauerem Hinsehen aber nicht in einem Maße, das die Fed massiv beunruhigen müsste.

Eher reinigendes Gewitter als Vorbote einer radikalen Wende

Bleibt der Aktienmarkt selbst als Risikofaktor, schließlich kann auch das Platzen einer Spekulationsblase die erwähnte Rezession auslösen. Doch auch hier sind die Dinge weniger eindeutig, als Kritiker behaupten. Zwar sind viele Aktien im Verhältnis zu den Firmengewinnen heute teurer als zu Beginn der Großen Depression Anfang der 1930er-Jahre oder vor der sogenannten Dotcom-Krise nach 2000. Zugleich sind die Märkte aber viel liquider als 1929 und die Firmen solider als jene Potemkinschen Fassaden von Internetunternehmen vor bald 20 Jahren. Es kann also gut sein, dass die Bewertung völlig in Ordnung ist - immerhin haben die jüngsten Quartalsergebnisse und -prognosen vieler Konzerne die ohnehin hochgesteckten Erwartungen noch übertroffen.

Es spricht also einiges dafür, dass es sich bei den Börsenverlusten dieser Tage eher um ein reinigendes Gewitter handelt als um die Vorboten einer radikalen Wende. Rechneten die Märkte nämlich tatsächlich mit einer Rezession, müssten neben den Kursen auch die Inflationserwartungen einbrechen. Das aber ist bisher nicht geschehen, die Pfeiler, auf denen der Aktienmarkt steht, sind also prinzipiell intakt.

Zum Einsturz bringen könnte sie ausgerechnet der Mann, der wie kein anderer nach dem Glanz steigender Kurse giert: Donald Trump. Setzen er und seine Regierung ihre jüngste Politik der Strafzölle gegen ausländische Partner und der Verbalattacken gegen den Dollar fort, werden sie die Welt in einen Handels- und Währungskrieg stürzen, der auch die Vorzeichen für die Börsen radikal verändern würde. Die Akteure an den Finanzmärkten hätten in einem solchen Fall keine Skrupel, sich vom bisherigen Heilsbringer und dessen Versprechen loszusagen und einem anderen Propheten zu folgen - dann allerdings einem Untergangspropheten.

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