Aktiengeschäfte:Märchenhaft

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In Hongkong wird gerade mal wieder jemand sehr schnell sehr reich: In nicht einmal drei Jahren ist der Wert einer eher unbekannten Immobilienfirma von 40 Millionen auf mehr als neun Milliarden Dollar gestiegen. Nicht die einzige Merkwürdigkeit in dem Fall.

Von Christoph Giesen, Peking

An keiner anderen Börse werden sie so oft geschrieben wie in Hongkong: Märchen. Der Kurs eines Unternehmens steigt plötzlich, weiter und weiter. So lange, bis niemand mehr vernünftig erklären kann warum. Dann schreitet oft die Börsenaufsicht ein. Der neueste Fall: Innerhalb von nicht einmal drei Jahren ist der Wert der eher unbekannten Immobilienfirma Fullshare Holdings um das fast 240-fache gestiegen. Beim Debüt im Dezember 2013 waren die Fullshare-Anteile zusammen gerade einmal etwa 40 Millionen Dollar wert, heute sind es mehr als neun Milliarden. Über ein sogenanntes Backdoor-Listing, bei dem eine bereits an der Börse gelistete Firma umbenannt wird und einen völlig neuen Unternehmenszweck erhält, war Fullshare in den Handel gekommen. 64 Prozent am Unternehmen hält Aufsichtsratschef Ji Changqun.

Niemand kann vernünftig erklären, warum Aktien immer wieder so stark steigen

In den Fokus der Öffentlichkeit ist Fullshare nun geraten, weil die Firma Interesse am Windkraftausrüster China High Speed Transmission (CHST) signalisiert hat. 2,3 Milliarden Dollar sind Fullshare die CHST-Anteile wert. Das entspricht einem Aufschlag von 47 Prozent, wie das Wall Street Journal berechnete. Im Gegensatz zu Fullshare ist CHST ein einigermaßen bekanntes Unternehmen. Es gibt sogar Analysten, die CHST regelmäßig beobachten. Fullshare hatte bis vor Kurzem niemand auf dem Zettel. Stemmen möchte Fullshare den Deal durch die Ausgabe neuer Aktien. Pikant: Fullshare-Obmann Ji hält bereits neun Prozent an CHST und nach der Übernahme soll das auch so bleiben.

Weshalb immer wieder Aktien in Hongkong so stark zulegen, kann von außen nicht richtig erklären werden, in den meisten Fällen ist es jedoch Marktmanipulation. Vermutet wird, dass sich Gesellschaften, die von denselben Leuten kontrolliert werden, absprechen und dadurch gezielt den Kurs treiben.

Der Aufstieg der unbekannten Immobilienfirma erinnert ein wenig an den Höhenflug von Li Hejun. Im Februar 2015 führte er plötzlich die chinesische Reichenliste an und verdrängte Alibaba-Gründer Jack Ma. Diese Position hatte er genau drei Monate inne. Dann verlor er im Mai 2015 in nicht einmal einer halben Stunde umgerechnet mehr als zehn Milliarden Euro. Der Grund: Obwohl er Aufsichtsratschef und mit einem Anteil von fast 75 Prozent Haupteigentümer der Solarfirma Hanergy Thin Film war, blieb er der Hauptversammlung des Unternehmens fern. Und das, obwohl die Hongkonger Börsenaufsicht bereits Ermittlungen aufgenommen hatte. Prompt brach der Kurs um 47 Prozent ein, ehe die Aktie vom Handel an der Hongkonger Börse ausgesetzt wurde. "Chairman Li hatte zu tun", teilte ein Unternehmenssprecher später knapp mit. Anstatt in Hongkong, weilte Li in Peking, wo er in Seelenruhe eine firmeneigene Ausstellung zu regenerativen Energien eröffnete - Lis Lebensthema. Später investierte er in Windenergie und baute Solarfabriken auf.

Während die gesamte chinesische Solarbranche aufgrund von Überkapazitäten schwächelte und manche Unternehmen gar Insolvenz anmelden mussten, war der Börsenkurs von Hanergy Thin Film in kurzer Zeit um 600 Prozent gestiegen. Seit 16 Monaten sind die Aktien vom Handel ausgesetzt. Jetzt greift Fullshare selbst ausgerechnet nach einem Hersteller für Windkraft-Equipment.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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