Aktien von Daimler:Auf der Suche nach dem Großaktionär

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Ausgerechnet in der Krise verlässt der Großanteilseigner Abu Dhabi Daimler. Dabei will man in Stuttgart so gerne Verlässlichkeit. Wer beim schwäbischen Autobauer einsteigt, ist noch offen. Doch im Hintergrund mischt schon ein Finanzinstitut mit.

Thomas Fromm

Hauptakitonäre bei bedeutenden Autobauern. (Foto: SZ Grafik/ Quelle: Unternehmen)

Sind es die Chinesen? Oder wieder die Araber? Oder doch Russen? Daimler-Chef Dieter Zetsche sucht sichere Ankeraktionäre für den Autokonzern - so heißt es jedenfalls intern. Potente Geldgeber sollen die Strategie des Hauses absichern und dafür ein paar Aktienanteile übernehmen. Zuletzt soll der Vorstand sogar mit Chinesen geredet haben. Eine "real existierende Möglichkeit", sagt ein Daimler-Manager. Nur: Passiert ist noch nichts. China ist eben doch weit weg vom Stuttgarter Stern - in vielerlei Hinsicht.

Näher ist da Frankfurt, und nicht zufällig ist ein Investor immer wieder als neuer möglicher Ankeraktionär bei Daimler im Gespräch: die Deutsche Bank. Die Gerüchte nahmen an Dynamik zu, weil der Staatsfonds Aabar aus Abu Dhabi jetzt seine letzten Anteile an Daimler (3,1 Prozent) verkauft hat. Das reißt eine große Lücke.

Im Daimler-Aufsichtsrat sitzen auch Clemens Börsig, der ehemalige Vorsitzende des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, und sein Nachfolger Paul Achleitner. Das mächtige Geldinstitut hält 0,79 Prozent der Stimmrechtsanteile an Daimler. Aber damit nicht genug: Laut Investoren-Meldungen, die Daimler auf seiner Internetseite veröffentlicht, hat die Bank über diverse Finanzinstrumente - Kauf- und Verkaufsoptionen - Zugriff auf 15,8 Prozent. Das ist ein Batzen. Viel mehr, als der nominell größte Aktionär Kuwait (Anteil: 7,6 Prozent) hält.

"Theoretische Zugriffsrechte" nennt man dies bei Daimler. Das heißt: Zu den Großaktionären gehört das Institut definitiv nicht, könnte es aber theoretisch werden. Gerade jetzt, wo die Scheichs aus Abu Dhabi verkauft haben - an Unbekannte.

Sehnsucht nach einem starken Aktionär

Die Frankfurter als möglicher neuer Großaktionär bei Daimler? Als "weißer Ritter", um Daimler vor dem Zugriff Dritter zu schützen? Das erinnert an jene vergangenen Tage, als deutsche Großbanken und der Versicherungskonzern Allianz als Großaktionäre die Fäden in der deutschen Industrie zogen. An die Zeit, in der Deutschbankier Hilmar Kopper im Aufsichtsrat des damaligen Daimler-Chrysler-Konzerns thronte. An die Deutschland AG und ihre Beziehungsgeflechte.

Dass die Deutsche Bank in ihre alte Rolle zurückkehrt, hält man in der Branche allerdings für wenig wahrscheinlich. "Es würde nicht zur Strategie des Hauses passen, ausgerechnet jetzt größere eigene Positionen bei einem Autokonzern aufzubauen", heißt es in Frankfurter Finanzkreisen. Mit den Optionen der Bank bei Daimler lassen sich schöne Investmentgeschäfte machen. Die Automanager dürften genau verfolgen, was aus den Papieren wird - und wo sie am Ende landen werden. Viele Daimler-Leute dürften sich in diesen Tagen jedoch nach einem starken Aktionär sehnen: Die Aabar-Lektion war bitter.

Auf den Bildern aus besseren Tagen sieht man zwei lachende Männer; sie schauen sich tief in die Augen. Der eine: Chadem al-Kubaisi, Chef des Staatsfonds Aabar aus Abu Dhabi. Der andere: Dieter Zetsche, der große Mann von Daimler. Das war im März 2009. Die beiden versprachen sich jahrelange Treue. Der Scheich brachte 1,95 Milliarden Euro nach Stuttgart; der Deutsche überließ ihm dafür 9,1 Prozent der Daimler-Aktien. Und Zetsche lobte den "langfristig orientierten Schlüsselinvestor in diesen unsicheren Zeiten".

Damals war Krise. Der Kurs der Daimler-Aktie war von einst über 70 Euro auf 20 Euro abgerutscht, und in den Stuttgarter Vorstandsetagen rechnete man den schlimmsten Fall durch: Ab wann würde der Traditionsautobauer zur Beute werden? Zu einem Übernahmeobjekt?

Für Zetsche waren die Araber daher willkommene Gäste. Sie brachten nicht nur Geld, sondern auch Sicherheit mit. Doch auch ein arabischer Staatsfonds ist nur begrenzt sentimental. Seit dem Einstieg 2009 war der Kurs kräftig gestiegen - das Signal zum Kassemachen. Es könnte ja wieder abwärts gehen.

Die Reaktion der Schwaben am Freitagmorgen: schmallippig. "Das respektieren wir natürlich", kommentiert ein Sprecher: "Wir sind mit unserer Aktionärsstruktur weiterhin sehr zufrieden." Wenn Konzerne auf Fragen nur sehr knapp antworten, kann das vieles bedeuten. Es kann sein, dass man selbst von dem Thema überrascht worden ist und etwas Zeit braucht, um eine längere Antwort geben zu können. Es kann aber auch sein, dass man selbst ein gewisses Unwohlsein verspürt.

Tatsächlich steht Daimler wieder an dem Punkt, an dem der Konzern schon einmal stand, damals im März 2009. Es wird ungemütlicher. Die große Angst: Die eigenen Aktien könnten in der Krise so billig werden, dass ausländische Investoren leichtes Spiel haben. Erst vor wenigen Tagen musste der Konzern mit dem Stern sein Gewinnziel kassieren; ein Sparplan ist in Arbeit. Ein schlechter Zeitpunkt also für den Ausstieg eines Großaktionärs.

"Es gibt da schon eine Größenordnung, ab der einige sagen könnten: ,Halt mal, das schauen wir uns mal genauer an'", sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive in Bergisch-Gladbach. Derzeit sei das Risiko eines Einstiegs Dritter zwar "nicht akut", aber wenn man sich die Konjunkturrisiken anschaue, "dann ist ein stabiler Ankeraktionär wie eine Familie sicherlich besser". Er meint Familien, wie sie der Rivale BMW mit der Quandt-Familie oder Volkswagen mit den Piëchs und Porsches haben. Diese Anker halten.

Unternehmensstruktur reicht nicht vor dem Zugriff Dritter

Als größere Aktionäre hat Daimler jedoch nur noch das Emirat Kuwait und Partner Renault-Nissan (3,1 Prozent) an Bord. Sollte es hart auf hart kommen, würde dies kaum reichen, um Daimler vor dem Zugriff Dritter zu schützen. In der Wirtschaft ist es eine Binsenweisheit: Je weniger starke Ankeraktionäre, desto mehr muss sich ein Unternehmen nach den kurzfristigen Vorgaben von Börsianern und Aktionären richten. Desto schwieriger aber wird es auch, die Eigentümer von einer langfristigen Strategie zu überzeugen.

In guten Zeiten werden allzu starke Familienbande gerne kritisiert. Bei einem Konzern wie BMW sind Hauptversammlungen nach Meinung vieler eine Farce: die Familie Quandt kontrolliert 47 Prozent der Stimmrechte, ohne sie läuft nichts. Da ist klar, wie die Dinge ausgehen. Und bei Volkswagen, wo die Familien Porsche und Piëch 90 Prozent an der alles entscheidenden Porsche Holding SE halten, gibt der Familienpatriarch Ferdinand Piëch den Ton an. Der Österreicher regiert durch, er fädelt Übernahmen ein und holt seine Frau Ursula in den Konzernaufsichtsrat, dem er selbst vorsteht. Ein Bündel an Interessenkonflikten. Aber: Sowohl bei BMW als auch bei VW dürften sich Investoren die Zähne ausbeißen.

Am 30. November 2010 hat BMW den Einstieg des Industriellen Herbert Quandt vor 50 Jahren gefeiert. Da bedankte sich Vorstandschef Norbert Reithofer bei seinen Familienaktionären - für so viel "Rückhalt und Stabilität". Staatsfonds bleiben nicht so lange.

© SZ vom 13.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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