Airbus:"Mit einem Auge"

Airbus: Ganz locker in Jeans: Tom Enders ist seit 2012 alleiniger Chef des Airbus-Konzerns.

Ganz locker in Jeans: Tom Enders ist seit 2012 alleiniger Chef des Airbus-Konzerns.

(Foto: Aurore Belot/AFP)

Airbus-Chef Enders hat sich der Eurofighter-Affäre offenbar erst richtig angenommen, als Staatsanwälte ermittelten. Zuvor schaute er nur halb hin, mit welchen Geschäftspartnern er sich einließ.

Von Klaus Ott

Allzu viel wusste Airbus-Chef Tom Enders nicht zu erzählen, als er sich vor knapp zwei Jahren 90 Minuten lang zur Eurofighter-Affäre in Österreich befragen ließ. Hier ein Hinweis auf schwierige Zustände in dem europäischen Rüstungs- und Luftfahrtkonzern. Dort ein paar Erinnerungen und ein paar Erinnerungslücken. Und ein kleines Eingeständnis: Er habe diese Angelegenheit nur "mit einem Auge" mitverfolgt. So steht es in der elfseitigen Niederschrift des Gesprächs vom 10. November 2015, das von 10.05 bis 11.35 Uhr dauerte und in Ottobrunn bei München stattfand. Der Termin war Teil einer internen Untersuchung bei EADS, wie die Airbus-Gruppe damals noch hieß.

Airbus ist gerade in schweren Turbulenzen: Nicht nur in München und Wien wird wegen möglicher Korruption beim Verkauf von Eurofightern ermittelt, auch in Großbritannien und Frankreich prüfen die Behörden. Mittendrin Aufklärer Enders, 58, und die entscheidende Frage: Was wusste er? Steckt er auch mit drin?

90 Millionen Euro sind über Briefkastenfirmen in stinkende Kanäle geflossen

Die Befragung im November 2015 dreht sich um ein sehr spezielles und sehr wichtiges Detail bei dem Eurofighter-Deal mit Österreich. Damit EADS mit seinem Kampfjet Anfang vergangenen Jahrzehnts von der Regierung in Wien gegen heftige Konkurrenz den Zuschlag erhielt, hatte der Konzern weitreichende Zusagen machen müssen. EADS sollte Geschäfte aller Art im Wert von vier Milliarden Euro vermitteln, als Gegenleistung für den Kauf von 15 Eurofightern zum Preis von 1,7 Milliarden Euro. Wie die (damals bei Rüstungsgeschäften durchaus üblichen) Gegengeschäfte arrangiert wurden, beschäftigt seit Jahren Staatsanwälte in München und Wien.

Die Ermittler wollen wissen, wo 180 Millionen Euro geblieben sind, mit denen Airbus beziehungsweise EADS solche Gegengeschäfte fördern wollte. Bei mindestens 90 Millionen gibt es den Verdacht, es sei Schmiergeld gewesen. Beweisen lässt sich das aber kaum, was Airbus wohl hohe Strafen erspart. Konzernchef Enders muss ebenfalls keinen großen Ärger fürchten, auch dank seines Anwalts Peter Gauweiler. Der hatte ihm bei der Befragung durch Juristen der von Airbus beauftragten Kanzlei Clifford Chance beigestanden. In München wird derzeit gar nicht gegen Enders ermittelt. Anders als in Wien, wo aber die Beweislage eher dünn ist.

Eine Frage aber bleibt: Hätte der sonst so zupackende Major der Reserve sich stärker kümmern müssen? Das sehr spezielle und sehr wichtige Detail hatte mit dem Autokonzern Daimler zu tun, damals einer der Gesellschafter von EADS. Auch Daimler, damals noch Daimler-Chrysler (DC), sollte sich in Österreich engagieren und so den Eurofighter-Deal stützen. Enders erklärte bei der internen Befragung laut Niederschrift, der "Beitrag von DC zur Erfüllung der Gegengeschäftsverpflichtungen sei außergewöhnlich groß und wichtig gewesen". Außergewöhnlich war auch der Umstand, dass der Beitrag von Daimler-Chrysler nicht über die britische Firma Vector lief. Denn die war von EADS für viel Geld beauftragt worden, die Gegengeschäfte zustande zu bringen.

Hier hakten die von EADS mit der internen Untersuchung beauftragten Anwälte der Kanzlei Clifford Chance bei dem Gespräch mit Enders nach. Der Konzernchef solle doch erklären, ob er Hinweise vernommen habe, dass die "ungenügende Transparenz" von Vector und einer weiteren Partnerfirma einem Vertrag zwischen Daimler-Chrysler und Vector im Wege gestanden habe. Enders antwortete, er könne sich nicht erinnern, einmal derartige Hinweise bekommen zu bekommen. Es folgte das Zitat mit dem "einem Auge". In so einem zentralen Punkt bei einem Milliardendeal nur halb hingeschaut zu haben, das ist etwas wenig.

Glück für Airbus und seinen Chef: In München zeichnet sich kein zweiter Fall Siemens ab

Immerhin war Enders seit Herbst 2003 als Chef der EADS-Sparte Verteidigungs- und Sicherheitssysteme auch für die Geschäftseinheit Militärflugzeuge verantwortlich gewesen. Da hatte Österreich die Eurofighter schon bestellt, aber die versprochenen Gegengeschäfte mussten erst noch laufen. Bei diesem Thema habe man "wie der Ochs vorm Berg gestanden", erzählte Enders bei seiner internen Befragung. EADS Deutschland habe keine Erfahrung mit Gegengeschäfts-Verpflichtungen in dieser Größenordnung gehabt. Und auch nicht über die Strukturen verfügt, das abzuwickeln.

Schließlich sei, erinnerte sich der Konzernchef, Vector beauftragt worden. Eine, wie die Staatsanwälte in München und Wien später herausfanden, reichlich dubiose Firma mit reichlich dubiosen Geldflüssen. Aus Sicht von Enders stellte sich das zuvor ganz anders dar. Man sei froh gewesen, ein Unternehmen gefunden zu haben, das die Gegengeschäfts-Verpflichtungen professionell abwickeln würde. So habe er, Enders, jedenfalls die Rolle von Vector verstanden. Das muss angesichts der heutigen Erkenntnisse ein großes Missverständnis gewesen sein. Die britische Firma wurde von einem zweifelhaften italienischen Geschäftsmann betrieben. Das meiste Geld, das Vector von EADS bekam, ging an Subunternehmen aus der halben Welt weiter. Oft an Briefkastenfirmen, bei denen Millionenbeträge verschwanden. Das Bundeskriminalamt in Österreich geht von einer "kriminellen Vereinigung" aus.

Professionell waren höchstens die Verschleierungskünste bei den Geldflüssen. Die Staatsanwälte können bislang nicht nachweisen, dass österreichische Beamte, Militärs oder Politiker bestochen wurden, um sich für den Eurofighter zu entscheiden. Wo das Geld versickert ist, bleibt im Dunkeln. Was wohl auch so gewollt war, wozu sonst sollten Scheinrechnungen und Briefkastenfirmen gedient haben? Airbus sagt dazu, die alten Vorgänge könnten "nicht mit dem Wissen von heute beurteilt werden". Was heute über Vector bekannt sei, habe damals nicht vorgelegen. Es sei klar, dass "eine Konstruktion wie Vector nach den heutigen Regeln bei Airbus nicht mehr möglich wäre". Um diese Regeln auf den jetzigen "sehr robusten Stand zu bringen", habe erst die Struktur von Airbus geändert werden müssen. Das habe Enders mit großer Energie vorangetrieben.

In München ist, mangels Beweisen, keine Schmiergeldanklage gegen Airbus-Verantwortliche absehbar. Übrig bleibt die Veruntreuung von Konzerngeldern. Dafür müssen Ex-Manager und Ex-Geschäftspartner von EADS wahrscheinlich büßen, für mehr aber wohl nicht. Das wiederum bedeutet: Die Staatsanwaltschaft München I hätte keine Handhabe, illegal erzielte Gewinne aus einem Schmiergelddeal abzuschöpfen. Beim Eurofighter wären das wohl mehrere Hundert Millionen Euro gewesen. So ähnlich wie einst bei Siemens, wo die Justiz 600 Millionen Euro Profit aus weltweiten Korruptionsdeals kassierte. In München wird Airbus - nach dem aktuellen Stand der Dinge - jedenfalls nicht zu einem zweiten Fall Siemens.

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