Abstimmung in San Francisco:Airbnb hat Ärger daheim

Bruce Bennett

Alles bereit: Viele Einwohner von San Francisco vermieten wie Bruce Bennett Zimmer über die Online-Plattform Airbnb.

(Foto: AP)
  • San Francisco stimmt über sehr viel strengere Regeln für den Vermietungsdienst Airbnb ab.
  • Hinter der Befragung steht eine Befürchtung, die Großstädte weltweit umtreibt: Befeuert die Kurzzeit-Vermietung des ohnehin knappen Wohnraums nicht die Mietpreise für normale Bürger?

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Nachbar gegen Nachbar: Einer ist wütend, weil ständig fremde Menschen durch das Treppenhaus poltern. Der andere verteidigt sich, dass er nur durch Kurzzeit-Vermietungen die horrende Miete bezahlen kann. Auf der Straße beginnt das Rätseln: Wer ist Vollzeit-, wer Teilzeit-Nachbar? Und was ist mit dieser Wohnung gegenüber, in der nur Licht brennt, wenn zuvor ein paar junge Menschen mit Reisekoffern vor der Tür standen?

Umstrittener Einfluss auf Immobilienmarkt und Mietpreise

Airbnbs Einfluss auf den städtischen Wohnungsmarkt ist weltweit umstritten, doch in San Francisco wird die Debatte intensiv, bisweilen aggressiv geführt. Hier hatten Joe Gebbia und Brian Chevksy 2007 ihre Milliarden-Dollar-Idee, hier hat Airbnb seine Firmenzentrale und einen seiner größten Märkte. 138 000 Einwohner San Franciscos haben alleine in den vergangenen zwölf Monaten Airbnb genutzt - als Gäste oder Vermieter.

Auf der anderen Seite kostet eine Zwei-Zimmer-Mietwohnung inzwischen im Durchschnitt umgerechnet 3000 Euro; der Wohnraum in der vollgestopften Stadt ist knapp. Einer Berechnung des San Francisco Chronicle zufolge werden 5500 Immobilien über Airbnb angeboten, bei zwei Dritteln handelt es sich um komplette Wohnungen oder Häuser, mehr als ein Fünftel davon stehen demzufolge leer. Wäre es nicht besser, wenn reguläre Mieter dort einziehen könnten?

Abstimmung über deutlich strengere Regeln in San Francisco

Über solche Fragen streitet San Francisco schon lange, nun kommt es am 3. November zum Airbnb-Showdown. Der als "Proposition F" bekannte Vorschlag würde die Kurzzeit-Vermietungen auf 75 Tage pro Jahr beschränken, Airbnb müsste Daten über seine Vermieter an die Stadt geben, Nachbarn könnten gegen illegale Vermietungen klagen. Die Plattform müsste zudem 1000 Dollar Strafe zahlen, wenn ein Mietangebot die Vorschriften nicht erfüllt.

Das alles ist sehr viel strenger als das Airbnb-Gesetz, mit dem die Stadt im Herbst 2014 den Dienst offiziell legalisierte, erstmals Hotel-Steuern erhob und die Vermietung in Abwesenheit des Gastgebers auf 90 Tage begrenzte.

Kritiker und Teile der Stadtverwaltung bemängeln, dass nach der aktuellen Gesetzeslage Airbnb den Behörden keine Informationen über Buchungen und Gastgeber liefern muss und diese damit de facto Verstöße kaum nachweisen können. Bis vor Kurzem hatten sich auch erst 700 Airbnb-Vermieter freiwillig registriert.

Wie stark im Rathaus wirklich Wert auf Regulierung gelegt wird, ist ohnehin umstritten: Bürgermeister Ed Lee gilt als großer Unterstützer der örtlichen Hightech-Firmen. Der Stadtrat, der den Gesetzesentwurf federführend betreute, traf sich während der Ausarbeitung mehr als 50-mal mit Airbnb oder den Lobbyisten der Firma; zeitgleich verbuchte eine seiner Unterstützerorganisationen im Wahlkampf etwa 750 000 Dollar an Spenden von Ron Conway und Linkedin-Gründer Reid Hoffman - beide sind Airbnb-Investoren.


Gigantische Werbekampagne gegen die Gesetzespläne

Das ist nicht verboten, erweckte aber den Eindruck, dass im politischen San Francisco das Prinzip "wer zahlt, schafft an" gilt. Und damit sind nicht die Hotelsteuern gemeint, die San Francisco bis zur Legalisierung entgingen. Auf deren Nachforderung - und damit auf geschätzt 25 Millionen Dollar - verzichtete die Stadt.

Für Airbnb, inzwischen mehr als 25 Milliarden Dollar wert, wäre eine stärkere Regulierung im eigenen Wohnzimmer ein PR-Debakel, das auch die Position in Verhandlungen mit anderen Städten schwächen würde. Das Start-up will deshalb nichts dem Zufall überlassen und hat acht Millionen Dollar in eine gigantische Kampagne gesteckt, um die Wähler vom Nein im Volksbegehren zu überzeugen.

Auf riesigen Plakaten, in sozialen Medien und zur besten Sendezeit im Lokalfernsehen ist die "San Francisco for Everyone" (San Francisco für alle) genannte Initiative omnipräsent. "Möchtest du, dass die Regierung die privatesten Informationen über Menschen sammelt?", heißt es in einem TV-Spot über die geplante Meldepflicht für Airbnb-Vermieter. Auf einem Plakat hält ein Mensch ein riesiges Fernglas. "Welcher Nachbar wird dich ausspionieren?", heißt es in Anspielung auf die neuen Klagemöglichkeiten von Nachbarn.

Aggressive Kampagnen - Ausgang offen

Die Gegenseite, die unter dem Namen "Share better SF" (Teile besser, SF) firmiert und von örtlichen Hotels unterstützt wird, setzt nicht auf Angst, sondern gibt Airbnb eine allzu große Mitschuld am überhitzten Immobilienmarkt. Das vorgesehene Verbot, Einlieger-Wohnungen bei Airbnb anzubieten, geht vielen Hausbesitzern zu weit, die eigentlich für Regulierung offen sind. Befürworter und Gegner bezichtigen sich gegenseitig der Eskalation - und haben beide in gewisser Weise recht.

Der Ausgang des Bürgerentscheids ist offen. In den Fenstern dominieren die Plakate der Ja-Lager, in den wenigen Umfragen dagegen lehnte zuletzt eine wachsende Mehrheit den Vorschlag ab. Airbnb hat sich mit seiner aggressiven Kampagne nicht nur Freunde gemacht: Vergangene Woche plakatierte die Firma Sprüche wie "Liebe Stadtbücherei, wir hoffen, dass ihr mit einem Teil unserer zwölf Millionen Dollar Hotel-Steuern für längere Öffnungszeiten sorgt" oder "Liebes Baudezernat, wir hoffen, ihr baut von den zwölf Millionen Dollar Hotel-Steuern einen Radweg." Ein Milliardenunternehmen, das sich damit brüstet, Steuern abzuführen - eine solche Taktlosigkeit kommt trotz hoher Millionärsdichte im liberalen San Francisco gar nicht gut an. Und doch waren die Stadt und ihre Bewohner bislang nicht dafür bekannt, den heimischen Hightech-Firmen größere Steine in den Weg zu legen.

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