Air France:Fluglinie ohne Plan

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Air France verschleißt zur Zeit viel Spitzenpersonal. Im Bild eine Szene vom Flughafen Paris-Orly.

(Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Bei der Fluggesellschaft wirft in zwei Jahren der zweite Chef hin. Der französisch-niederländische Konzern ist von Arbeitskämpfen gelähmt. Seine Zukunft ist ungewiss.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als Jean-Marc Janaillac vor zwei Jahren zu Air France-KLM kam, war seine Mission klar definiert. In seinem wohl letzten großen Job vor seiner Rente sollte der erfahrene Manager, der sich und der Welt nichts mehr beweisen musste, endlich für Frieden sorgen bei Air France. Und für Perspektiven bei einer der drei großen klassischen Fluggesellschaften Europas, die sich allesamt neu erfinden müssen, um eine Chance zu haben, ihre Bedeutung zu erhalten.

Stattdessen stand Janaillac nun vor den Kameras, und seine Stimme brach mehrfach, als er seinen Rücktritt für den 9. Mai ankündigte. Was im Unternehmen ablaufe, sei eine "riesige Verschwendung", aber er hoffe, dass sein Schritt alle Beteiligten wachrüttele, um doch noch einen Weg aus der Krise zu finden. Doch die einzigen die bislang wachgerüttelt sind, waren am Montag die Investoren - die Air France-KLM-Aktie verlor am Morgen 13 Prozent ihres Wertes, sie hat seit Jahresbeginn die Hälfte ihres Wertes verloren. Für diese Woche sind zugleich weitere Streiks der Kabinen- und Bodenmitarbeiter geplant, wie schon 14 Mal seit Februar.

Janaillac hatte seinen Rückzug für den Fall angekündigt, dass die Mitarbeiter sein Tarifangebot (plus sieben Prozent Gehalt über mehrere Jahre) ablehnen würden, was sie mehrheitlich taten und stattdessen alleine für das laufende Jahr fünf Prozent mehr Gehalt forderten. Nicht nur in Sachen Aktienkurs waren die Reaktionen eindeutig: "Wenn Air France sich nicht bemüht, mit Lufthansa und anderen großen Airlines wettbewerbsfähig zu werden, dann wird sie verschwinden", sagte der französische Finanzminister Bruno Le Maire.

Konkurrenten wie Lufthansa schaffen die Wende

Die Analysten von RBC teilten ihren Kunden mit, das Votum sei ungefähr so, wie wenn man auf den Selbstzerstörungsknopf drücke, ohne einen Fluchtweg zu haben. Und Daniel Roeska, Analyst bei Bernstein Research, hält den Rücktritt für "das schlechtestmögliche Ergebnis." Denn es gebe nun keinen Tarifvertrag, keinen Konzernchef und Gewerkschaften, die sich noch mächtiger fühlen.

Janaillac ist bereits der zweite Air France-KLM-Chef innerhalb von zwei Jahren, der wegen des Widerstands der Gewerkschaften gegen seine Reformen das Weite sucht. Vor ihm hatte sich Alexandre de Juniac bei dem Versuch aufgerieben, den Konzern in die Moderne zu führen und mit einer schlagkräftigen Günstig-Sparte auszustatten. Juniac gab, nachdem sein Plan, den Ableger Transavia massiv wachsen zu lassen, an den Air France-Piloten gescheitert war, entnervt auf, auch weil ihm der Staat immer wieder dazwischenfunkte. Er wechselte auf den deutlich entspannteren Job Chefposten des Branchenverbandes IATA. Nun zeigt sich der teilstaatliche Konzern erneut resistent gegen Reformen, die von Präsident Emmanuel Macron branchenübergreifend forciert werden.

Zwei der drei großen alten europäischen Flug-Konzerne, British Airways (BA) und Lufthansa, haben in den letzten Jahren eine Metamorphose hinbekommen. Rund um BA ist der Konzern International Airlines Group (IAG) entstanden, den Willie Walsh mit Härte führt. Dazu gehören mittlerweile Iberia, Vueling, Level und Aer Lingus. Der hoch profitable Konzern versucht zudem, den kriselnden Billiganbieter Norwegian zu übernehmen.

Lufthansa hat nach Jahren endlich den Konflikt mit den eigenen Piloten beigelegt und zieht in Höchstgeschwindigkeit die neue Sparte Eurowings hoch, ohne dass deren Wachstum durch gewerkschaftlichen Widerstand irgendwie gebremst würde. Beide Konzerne haben sich ein Portfolio geschaffen, mit dem sie sich zumindest perspektivisch gut gegen die Billig-Größen Ryanair und Easyjet wehren können.

Der vakante Chefposten ist ein undankbarer Job

Air France-KLM hingegen ist in ihrer Entwicklung stehen geblieben. Zwar war der Konzern durch das Zusammengehen der beiden französischen und niederländischen Fluggesellschaften bei der Konsolidierung der Branche früh mit dabei, jedoch ist anschließend nicht mehr viel passiert. Die Ressentiments auf Seiten der Niederländer, die sich durch die ständigen Konflikte in Frankreich ausgebremst fühlen, nehmen zu.

Der Konzern hat nach verlustreichen Jahren zuletzt wieder schwarze Zahlen geschrieben, ist aber deutlich weniger profitabel als British Airways, Lufthansa, Ryanair und Easyjet. Und die Zeiten werden eher härter, denn die Branche muss voraussichtlich wieder mit höheren Treibstoffpreisen umgehen, die Atempause der vergangenen Jahre nähert sich ihrem Ende.

Dennoch ist gar nicht so sehr die Höhe der Gehaltsforderungen an sich das größte Problem des Unternehmens, sondern die Unmöglichkeit, die Struktur zu verändern. So darf die Billigsparte Transavia in Frankreich an bestimmten Flughäfen nur knapp 60 Flugzeuge einsetzen, um die Air France-Besatzungen zu schützen. Der neue Ableger Joon, der auch auf Langstrecken eingesetzt werden soll, ist ein sorgsam austarierter Kompromiss, bei dem die Piloten nichts zu befürchten haben und der das Unternehmen kaum weiterbringt. An Investitionen, wie sie British Airways/IAG gerade erneut plant, ist in einem solchen Klima nicht zu denken.

Wer es nach Janaillac nun versuchen sollen, ist offiziell nicht bekannt. Die operativen Geschäfte führt erst einmal Franck Terner, Chef der Sparte Air France. Vorsitzender des ganzen Konzerns zu werden, ist einer der undankbarsten Jobs, die die Branche zu bieten hat. Denn es deutet wenig bis nichts auf eine Lösung hin.

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