Air France:Brisante Gespräche

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Frankreich hält Anteile an Air France - noch. Jetzt gibt es einen Interessenten, der die Lage ändern könnte.

Von Jens Flottau, Sydney

Wer auch immer bei einer Fluggesellschaft etwas zu sagen hat und es irgendwie einrichten konnte, der hat in den vergangenen Tagen die für fast alle lange Reise nach Sydney angetreten - der Airline-Weltverband IATA ludt zur Jahrestagung ein. Es gab eine Ausnahme: Air France. Die Absenz lang aber nicht an der Entfernung, es gab zu Hause Wichtigeres - sehr Wichtiges sogar: Der Hotelkonzern Accor-Hotels bestätigte Berichte französischer Medien über einen möglichen Einstieg bei der Muttergesellschaft Air France-KLM. Es habe schon länger Überlegungen in diese Richtung gegeben, schrieb Accor in einer Mitteilung. Und diese seien nun wieder aufgegriffen worden, allerdings sei völlig unklar, ob es am Ende eine Transaktion geben wird.

Accor spricht von einem Minderheitsanteil, mit dem sie bei Air France-KLM einsteigen will. Doch der Vorgang ist brisanter, als er sich anhört. Dem Vernehmen nach geht es um den Anteil in Höhe von 14 Prozent, den der französische Staat an Air France-KLM derzeit noch hält, oder zumindest um Teile davon. Wie genau die Transaktion vonstatten gehen könnte, dazu schweigen die Beteiligten. Es ist auch nicht klar, ob die Regierung sich wirklich komplett von den Anteilen trennen würde. Spekuliert wird darüber, dass der Staat seine Air France-KLM-Aktien in Accor-Papiere umtauschen und damit Anteilseigner bei dem Hotelkonzern werden könnte.

Air France-KLM befindet sich in einer tiefen Krise, die vor allem in den hohen Kosten und Konflikten mit den Mitarbeitern bei Air France begründet ist. Vor zwei Jahren hatte Jean-Marc Janaillac den heutigen IATA-Chef Alexandre de Juniac an der Spitze des Konzerns abgelöst, vor allem in der Hoffnung, die zerrütteten Beziehungen zu den Gewerkschaften zu glätten und gleichzeitig in einer Art konzertierten Aktion Wege zu finden, die viel zu hohen Kosten zu senken. Nachdem Janaillac sich mit den Gewerkschaften aber nicht einigen konnte, stellte er sein Tarifpaket zuletzt den Mitarbeitern direkt zur Abstimmung. Er verlor und trat zurück.

Seither leitet der bisherige Finanzchef Frederic Gagey interimistisch das Unternehmen als Sprecher eines Kommittees, dem unter anderem auch KLM-Chef Pieter Elbers angehört. Der Unterschied zwischen den beiden Airlines übrigens lässt sich gut an den Zahlen des ersten Quartals ablesen: Air France machte einen operativen Verlust von 178 Millionen Euro, KLM verdiente 60 Millionen. Ein Ausweg aus der Krise zeichnet sich bislang nicht ab, zumal jeder neue Konzernchef kaum Aussichten hätte, die Lage in den Griff zu bekommen, so lange sich die Gewerkschaften so kompromisslos zeigen. Ob er selbst Ambitionen auf den Chefposten hat, ließ KLM-Chef Elbers in Sydney trotzdem offen. Gefragt, ob ein Niederländer den Gesamtkonzern leiten könne, antwortete er nur: "Warum nicht?" Alles andere sei Sache des Aufsichtsrates. Ein Nein klingt anders.

Und in die Sache könnte nun Bewegung kommen. Der Staatsanteil wiege die Mitarbeiter in falscher Sicherheit, dass dem Unternehmen im Zweifel der Staat zur Seite stehen würde und damit die Arbeitsplätze in jedem Fall sicher seien, argumentieren Konzernkenner. Würde der Staat aber auch noch seine letzten Anteile an dem Unternehmen verkaufen, würde sich die Lage ändern. Ein neues Management könnte erneut versuchen, den Konzern wettbewerbsfähiger zu machen. Das wäre dringend nötig: Im Wettbewerb mit Lufthansa und International Airlines Group (unter anderem Iberia und British Airways) ist Air France-KLM schon lange zurückgefallen.

Auch weltweit gesehen ist Air France-KLM mittlerweile ein Sonderfall. Unter den führenden europäischen Airlines ist die Lage derzeit nur beim kriselnden Billiganbieter Norwegian dramatischer. Die gestiegenen Treibstoffkosten belasten zwar die Branche und die IATA musste ihre Gewinnprognose für 2018 von 38 Milliarden auf knapp 35 Milliarden zurücknehmen. Aber die Branche kommt von einem sehr hohen Gewinnniveau. Sie hofft, dass sie die gestiegenen Kosten zumindest zum Teil an die Kunden weiterreichen kann. Flugreisen würden in nächster Zeit ein wenig teurer, prognostiziert IATA-Chefökonom Brian Pearce, sie sind allerdings über einen längeren Zeitraum viel billiger geworden. Mit einer Marge von gut acht Prozent verdiene der Sektor zudem weiterhin insgesamt seine Kapitalkosten. IATA rechnet damit, dass der Luftverkehr weltweit im Jahr 2018 um rund sieben Prozent wächst, etwas weniger als die acht Prozent, die der Sektor im vergangenen Jahr erreicht hat.

© SZ vom 05.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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