Air Berlin in der Krise:Argwohn gegen Abu Dhabi

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Air Berlin will die Liquidität erhöhen - das sorgt in der Branche für Ärger. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Die Lage bei Air Berlin ist ernst, sehr ernst. Die strauchelnde Fluggesellschaft hofft offenkundig auf frisches Geld von Haupteigner Etihad aus Abu Dhabi. Das stört deutsche Konkurrenten, die darin ein Durchfüttern sehen. Und dann ist da noch die unklare Positionierung von Air Berlin.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es war genau 22.04 Uhr am Mittwoch, als der "Hinweis zur Air-Berlin-Bilanzpressekonferenz" einging. Zu lesen stand darin, dass die für Donnerstag geplante und schon einmal abgesagte Veranstaltung erneut verschoben werden muss, weil die "Gespräche mit Gesellschaftern und weiteren Parteien" noch laufen. Die Geschäftszahlen für das abgelaufene Jahr 2013 sollen nun Ende April verkündet werden. Auch ein Hinweis darauf, dass die Lage bei Air Berlin ernst ist, sehr ernst.

Denn in den "Gesprächen" geht es gezielt darum, wie es die Anteilseigner schaffen könnten, dem Unternehmen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, ohne dabei Gesetze zu brechen. Es ist eine komplizierte Angelegenheit, komplizierter als bei normalen Kapitalerhöhungen. Nach allem, was man weiß, ist auch den Beteiligten selbst noch nicht ganz klar, wie genau sie die Liquidität erhöhen und das Eigenkapitalkonto, das seit Ende September 2013 negativ ist, entlasten können.

Als wahrscheinlichste Lösung gilt nach Informationen aus Branchenkreisen, dass der Haupteigner, die arabische Fluggesellschaft Etihad, die Beteiligung von 29,2 auf 49 Prozent erhöht - mehr geht nicht, weil Air Berlin sonst ihren Status als europäische Fluggesellschaft und Verkehrsrechte verlieren würde. Die ursprünglichen Kernaktionäre rund um Ex-Vorstandschef Joachim Hunold sollen, heißt es, rund 38 Prozent der Anteile übernehmen, die jetzt in der Hand von Kleinaktionären liegen. Das Problem: Obwohl der Aktienkurs von Air Berlin niedrig liegt, würde das Vorhaben rund 100 Millionen Euro kosten.

Warum will Air Berlin den Jahresbericht noch nicht veröffentlichen?

In der Branche sorgen die Pläne schon jetzt für Ärger. Denn Konkurrenten wie die Lufthansa argwöhnen, dass Etihad hinter der Finanzierung der deutschen Aktionäre stehen könnte. Sie befürchten, dass letztlich das Emirat Abu Dhabi mit den gigantischen Öl-Einnahmen einen lokalen Konkurrenten dauerhaft durchfüttert. Damit würde sich erneut die Frage stellen, wer tatsächlich die Kontrolle über Air Berlin ausübt.

"Für mich ist Air Berlin kein eigenständig überlebensfähiges Unternehmen", sagt ein Insider schon jetzt. Und ein Airline-Vorstand macht deutlich, dass die anderen Unternehmen "Widerstand leisten" werden. Er könne sich zudem "nicht vorstellen, dass die Bundesregierung so einfach mitmacht" - nur um Schlimmeres zu verhindern. Andererseits: "Es ist sehr schwer nachzuweisen, dass Etihad tatsächlich die Kontrolle hat." Denn die Finanzierung würde voraussichtlich nicht direkt geleistet werden. Im Gespräch ist offenbar, dass die Gruppe um Hunold Geld von einem Staatsfonds aus Abu Dhabi leihen soll und die Kredite auch zurückzahlen muss.

Eine entscheidende Frage ist ungeklärt: Warum verbindet Air Berlin überhaupt die Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das abgelaufene Jahr mit einer Kapitalmaßnahme, die noch nicht endgültig beschlossen ist? Streng genommen könnte das Unternehmen das Ergebnis jederzeit bekannt geben - außer freilich: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Geldspritze und dem Jahresabschluss. Dieses wiederum wäre ein weiterer Anlass zur Sorge, denn es könnte bedeuten, dass die Wirtschaftsprüfer dem Unternehmen die weitere Überlebensfähigkeit nur unter Bedingungen attestieren, die noch nicht erfüllt sind, oder noch Löcher zu stopfen sind. Es gibt allerdings dafür derzeit keine öffentlichen Hinweise.

"Viele Beteiligte haben ihre eigene Agenda"

Die rechtlichen Fragen sind nicht die einzige Hürde. "Viele Beteiligte haben ihre eigene Agenda", so ein Beobachter. Die ESAS Holding der türkischen Unternehmerfamilie Sabanci etwa war im März 2009 bei Air Berlin eingestiegen, als der Aktienkurs bei gut drei Euro lag. Derzeit ist das Air-Berlin-Papier nur gut zwei Euro wert. Ein Insider vermutet, ESAS würde aktuell bis zu 15 Millionen Euro verlieren. Etihad müsste Sabanci deswegen vermutlich mit einem Preis weit über dem aktuellen Aktienkurs zum Ausstieg bewegen. ESAS hält derzeit rund zwölf Prozent an Air Berlin.

In der Branche gibt es aber auch Verständnis für die schwierige Lage von Air Berlin. "Es sieht so aus, als habe die Luftverkehrsteuer Air Berlin so geschwächt, dass jetzt ausländische Geldgeber de facto mehrheitlich an einer deutschen Airline beteiligt werden", sagt Condor-Chef Ralf Teckentrup. Die Fluggesellschaften können in der Regel die Mehrkosten, die durch die Abgabe entstehen, nicht weiterreichen. Bei Air Berlin machte dies im dritten Quartal 2013 rund 41 Millionen Euro aus.

Doch die Probleme von Air Berlin reichen tiefer. Die Fluggesellschaft bezeichnet sich selbst als Hybrid zwischen einem klassischen und einem Billig-Anbieter, zwischen einer Ferien-Airline und einer ernst zu nehmenden Alternative für Geschäftsreisende - und ist damit klar überfordert. Etihad ist vor allem am Marktzugang in Deutschland interessiert und will den Asienverkehr über das Drehkreuz in Abu Dhabi lenken. Doch was gut für Etihad ist, muss nicht gut für Air Berlin sein. Im Gegenteil: Die Positionierung im oberen Marktsegment, die Etihad anstrebt, passt nicht zu den Ticketerlösen, die im Europaverkehr zu erreichen sind.

© SZ vom 28.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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