Aero-Lloyd-Pleite:Die Schattenseite des Tourismus

Die Reise-Industrie wurde eigentlich erfunden, weil sie den Menschen Freude bringen sollte. Doch seit einigen Jahren sorgt die Branche für reichlich Verdruss.

Von Karl-Heinz Büschemann

(SZ vom 17.10.2003) — Die Pleite von Swissair oder der Fast-Zusammenbruch der LTU sind nur Beispiele für die Branchenkrise in der Luftfahrt. Jetzt hat es den deutschen Ferienflieger Aero Lloyd erwischt.

Die Bayerische Landesbank hat der schon lange trudelnden Chartergesellschaft aus Oberursel den Kredithahn zugedreht. Die Insolvenz war danach nicht mehr abzuwenden. 1400 Mitarbeiter stehen vor dem Nichts und 8500 Touristen im In- und Ausland ärgern sich darüber, dass sie nicht an ihre Sonnen-Ziele oder wieder nach Hause gelangen können.

So schmerzlich diese Erfahrung für die Betroffenen ist, die ökonomische Erklärung für eine Pleite wie diese ist simpel. In der Luftfahrt sind riesige Überkapazitäten entstanden. Es gibt mehr Flugzeuge, als der Markt braucht, weil die Menschen ihre Fern-Reiselust verloren haben.

Massengut

Gründe dafür sind die Anschläge des 11. September 2001 oder die Lungenseuche Sars. In diesem Lande lässt die Sorge um Renten oder den Arbeitsplatz die Menschen weniger in Flugzeuge steigen und dafür mehr sparen. Die Folge der Flaute ist, dass sich die Fluggesellschaften - Linienflieger und Chartergesellschaften - Preiskämpfe liefern und in den Ruin treiben.

Ausgerechnet die Branche des schönen Sonnenscheins hat eine dunkle Kehrseite. Eine Gesellschaft, die wie Aero Lloyd nur Flugzeugkapazitäten anzubieten hat, unterscheidet sich im Prinzip nicht von Ölgesellschaften oder Stromlieferanten, die Massengüter anbieten.

Sie kann sich nicht einmal mit besonderer Tüchtigkeit einen Markennamen schaffen, wie das Autobauern oder Eiscreme-Fabrikanten gelegentlich gelingt, die sich durch besondere Qualität von der Billigkonkurrenz abheben. Den Touristen ist es egal, ob sie mit der Gesellschaft A oder B an den Strand fliegen.

Sie schauen im Reisebüro auf die Preise und entscheiden sich für das günstigste Angebot. Treue zu einem vertrauten Anbieter gibt es im Tourismus kaum. Die Kunden buchen ein Ziel, keine Condor- oder TUI-Reise. Die Pleite von Oberursel räumt daher erst einmal überflüssige und anonyme Kapazitäten aus dem Markt.

Für die betroffenen Mitarbeiter ist das kein Trost. Vor allem, wenn man bedenkt, dass mit dem Zusammenbruch der Aero Lloyd deren Flugzeuge nicht für immer vom Erdboden verschwinden. Es ist gut möglich, dass die Flieger eines Tages unter anderem Namen wieder starten - und nichts wäre anders.

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