Panama Papers:Älteste deutsche Privatbank gerät unter Druck

Hans-Walter Peters

Hans-Walter Peters, 61, ist Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Privatbank Berenberg

(Foto: Ann-Christine Krings/dpa)

Das Traditionshaus Berenberg hatte bis vor wenigen Jahren Kunden, die im Verdacht von Drogen- und Waffengeschäften standen.

Von Hans Leyendecker, Georg Mascolo, Klaus Ott und Jan Strozyk, Hamburg

Verdacht auf Drogengeschäfte und Waffenschiebereien - was nun über Ex-Kunden der Hamburger Berenberg-Bank öffentlich wird, klingt nicht gut. Das an der Binnenalster gelegene Geldhaus, das unter anderem Tochtergesellschaften in der Schweiz und in Luxemburg hat, trennte sich zwar nach einigen Wendungen und Wirrungen von ihnen, aber bekommt man den Geruch los? Und darf man der Bank glauben, wenn sie behauptet, sie sei ganz sauber? Banken sprechen gern von "Altfällen". Der letzte bekannt gewordene Fall datiert aus dem Jahr 2015.

Es gibt viele Fragen, die durch den Fall Mossack Fonseca (Mossfon) aufgeworfen wurden. Alles in allem geht es bei der weltweiten Betrachtung der Angelegenheit um das Gewese der Kleptokraten, Autokraten, die ihre Länder plündern; es geht um Steuerbetrüger, denen das Gemeinwohl schnurz ist, und um Politiker, die Wasser predigen und Wein saufen. Jetzt aber stellen sich in Deutschland neue Fragen, und sie kommen für die meist feine Klientel der Berenberg-Bank vermutlich unerwartet: Führte man Konten für mutmaßliche Kriminelle? Haben die Manager des Geldhauses nicht genau genug hingeschaut?

Der Fall ist nicht nur für Berenberg höchst unangenehm, sondern auch für Hans-Walter Peters, der seit sieben Jahren Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter ist und Anfang dieser Woche sein neues Amt als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken antrat. Peters hat oft und gern über die Wichtigkeit und Bedeutung der Reputation in seinem Gewerbe gesprochen.

Die Bank steht im Ruf, anders als viele andere Institute zu sein

Die nächste Bank, der nächste Verdacht? So einfach sollte man es sich nicht machen. Diese Bank steht oder stand im Ruf, anders zu sein als viele andere Geldhäuser. Im vergangenen Jahr hat das Geldhaus, das 1300 Angestellte hat, zehn Börsengänge begleitet, so viel wie keine andere Bank in Deutschland. Passenderweise verzeichnete man auch einen Rekordgewinn.

Es gibt aber im Bankengeschäft etwas, das mit Geld gar nicht zu bezahlen ist: Tradition. Das Wort steht für die Sehnsucht nach Geldhäusern, die Kriege und Revolutionen überstehen, es steht für Loyalität zur Firma und Fürsorge für die Kunden, die dem Institut ihr Geld anvertraut haben.

Die Bank gibt es seit 426 Jahren. "Privatbankiers seit 1590" steht auf dem Briefpapier. Es ist die älteste deutsche Privatbank und die zweitälteste der Welt nach der Banca Monte dei Paschi di Siena. Wer in Dokumenten der panamaischen Briefkastenfirmen-Fabrik Mossfon stöbert, sieht unschwer, dass Mossack Fonseca Berenberg in der Schweiz sehr, sehr gerne empfohlen hat. Insgesamt haben NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung dreizehn Briefkastenfirmen identifiziert, die Berenberg-Töchter in Luxemburg und in Zürich vermittelt haben. Außerdem hat die Bank 76 Konten für Offshore-Firmen eingerichtet, über die in den vergangenen Jahren Umsätze in Milliardenhöhe liefen.

Bei manchen zwielichtigen Klienten hätte der Blick ins Internet genügt, um gewarnt zu sein

Es geht aber längst nicht nur um Mossfon-Fälle. Viele der zwielichtigen Ex-Kunden sind auch auf eigenen Wegen zu Berenberg gekommen. Sie brauchten dazu keine Hinweise aus Panama. Die meisten von ihnen gingen nach Zürich, einige auch nach Hamburg. Deutschland oder die Schweiz - macht das einen Unterschied? Als SZ, NDR und WDR im März wegen verdächtiger Fälle bei Berenberg anfragten, antworteten Manager des Geldhauses höflich gewunden: Zu "Existenz und Umfang einzelner Geschäftsbeziehungen machen wir grundsätzlich keine Angaben". Die Berenberg Bank (Schweiz) AG sei eine Tochtergesellschaft. Eine "unmittelbare Verantwortung der Geschäftsleitung in Hamburg" bestehe nicht. Berenberg Schweiz unterstütze "wissentlich keine Aktivitäten, die mit Schmiergeldzahlungen und Geldwäsche in Verbindung stehen". Sollte die Bank von solchen Delikten erfahren, "bringe sie diese gleich zur Anzeige".

Wer sich die Fälle anschaut, die heute so unangenehm für die Bankmanager sind, gerät ins Grübeln. Bei manchen zwielichtigen Klienten hätte der Blick ins Internet genügt, um gewarnt zu sein. Andere durften noch jahrelang auf den Berenberg-Service setzen, obwohl es bereits schwerwiegende Verdachtsmomente wegen ihrer Geschäfte gab.

Da ist ein Kunde, der in Verdacht geriet, als Geldwäscher für einen mutmaßlichen Unterstützer der Terrororganisation Hisbollah agiert zu haben. Sein Name, Merhi Ali Abou Merhi, findet sich seit Oktober 2015 auf der sogenannten OFAC-Liste, auf der die US-Regierung mutmaßliche Terrorismus-Finanziers und Drogenkriminelle erfasst. Berenberg erstattete nach Erscheinen der Liste Anzeige wegen des Verdachts auf Geldwäsche bei der Staatsanwaltschaft Hamburg. Die Geschäftsbeziehung soll zuvor, Anfang 2015, beendet worden sein. Merhi antwortete auf Fragen nicht.

Da sind die Geschäfte mit Ricardo Fallon, einem gebürtigen Kolumbianer. Fallon war nachgesagt worden, eine Größe im Drogengeschäft zu sein. In kolumbianischen Medien gab es solche Geschichten über ihn. Sein Konto führte die Berenberg-Bank in der Schweiz. Erst 2013 trennte sich das Geldhaus von ihm. Da ging es nun auch wirklich nicht mehr anders, Fallon war wieder mal in die Schlagzeilen geraten. Er soll so etwas wie der erste Mann des kolumbianischen Drogenbarons Juan Carlos Ramirez gewesen sein. Zwar wurde Fallon niemals verurteilt und er weist alle Vorwürfe von sich, doch wie kommt so jemand überhaupt an ein Konto bei Berenberg? Die Bank soll 2012, also Jahre nach dem ersten Verdacht, bei der kolumbianischen Polizei Erkundigungen über Fallon eingeholt haben - demnach gab es keine Ermittlungen.

Manche Geschäfte rücken die Bank nun in unangenehme Nähe zu anderen Skandalen. Da ist die Affäre um das Frachtschiff Faina. Im September 2008 wurde es auf dem Weg aus der Ukraine in den kenianischen Hafen Mombasa von somalischen Piraten gekapert. Die Ladung: 33 russische Kampfpanzer vom Typ T-72. Bis heute gibt es den Verdacht, sie seien für den Bürgerkrieg im Südsudan bestimmt gewesen.

Das Schiff fuhr damals für die Kaalbye-Gruppe, ein ukrainisches Konglomerat, in dem früher auch Igor Urbansky eine Rolle spielte. Er war zeitweilig Transportminister der Ukraine. Der Fall Faina führte damals nicht dazu, dass Berenberg-Hamburg die Geschäfte beendete, im Gegenteil, es wurden immer neue Konten für Briefkastenfirmen der Kaalbye eröffnet, mindestens zwanzig sollen es zeitweise gewesen sein. In drei Fällen erstattete die Berenberg-Bank Anzeige wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Zum Vorwurf, man habe Panzer nach Südsudan liefern wollen, erklärt ein Sprecher von Kaalbye, das Land habe nicht einmal Zugang zum Meer. Die Berenberg-Bank teilt ihrerseits mit: An "Rüstungsgeschäften‎ beteiligen wir uns auch dann nicht, wenn sichergestellt ist, dass sie legal sind".

Und da ist die Siemens-Affäre. Berenberg-Vorstand Hans-Walter Peters sagte dieser Tage in einem Interview mit der FAS, es gebe "keinerlei Hinweise darauf, dass wir in irgendeiner Form in den Fall verwickelt sind". Dabei tauchen in den Panama Papers gleich zwei Berenberg-Konten von ehemaligen Siemens-Mitarbeitern auf. Sie laufen auf die Namen von Briefkastenfirmen, die Mossfon eingerichtet hat.

Nur ein Konto wurde letztlich auch benutzt. Sein mutmaßlicher Zweck ergibt sich aus den Unterlagen: Schwarzgeld verschleiern. Die Panama Papers zeigen, dass auf diesem Konto im Jahr 2008 innerhalb von wenigen Wochen mehr als zehn Millionen US-Dollar bewegt worden. Viel Geld für einen Siemens-Mann, der als Finanzverantwortlicher für den Konzern in Mexiko arbeitete - also jemand aus dem mittleren Management. Angeblich hat die Bank damals eine zufriedenstellende Erklärung für die Geldtransfers bekommen.

In den Panama Papers wird die Berenberg Bank immer wieder als "besonders schnell und effizient" beworben. In einer anderen E-Mail heißt es: "Es ist eine deutsche Traditionsbank mit exzellentem Ruf. Wir haben sehr gute Beziehungen mit dieser Bank und (...) empfehlen (...) diese Bank ausdrücklich." Berenberg sagt, es sei nicht Geschäftsmodell der Bank, an der Gründung von Briefkastenfirmen mitzuwirken.

"An manchen Tagen haben wir Dutzende Konten für Briefkastenfirmen eröffnet"

Ein ehemaliger Bank-Mitarbeiter behauptet, solche Geschäfte seien nicht nur mit Mossack Fonseca gemacht worden, sondern mit weiteren Kanzleien in Panama mit ähnlichem Geschäftsmodell. "An manchen Tagen haben wir in Hamburg Dutzende Konten für Briefkastenfirmen eröffnet."

Eine der Briefkastenfirmen, für die Berenberg ein Konto eingerichtet hat, ist die "Carnival Enterprise". Sie stand im Mittelpunkt eines mutmaßlichen Arzneimittel-Betrugs über den der Spiegel 2012 berichtete. Demnach sollen die Hintermänner, zwei deutsche Geschäftsleute, im Ausland Medikamente im Wert von mehr als 200 Millionen Euro unter Vortäuschung falscher Tatsachen eingekauft haben. Diese Medikamente hatten sie offenbar unter Umgehung des Arzneimittelkontrollgesetz unter anderem in den deutschen Graumarkt geschleust. Strafgelder wurden verhängt, der Pharmakonzern Sanofi musste unter anderem wegen dieser Sache 28 Millionen Euro zahlen. Kurz nach dem Spiegel-Bericht erstattete Berenberg Anzeige wegen des Verdachts der Geldwäsche. Ein Muster: Wurde ein Verdacht öffentlich, wurde in der Regel die Justiz eingeschaltet.

Aber die Beziehung zwischen Berenberg und "Carnival Enterprise" ging über die Kontoführung hinaus: Der ehemalige Vizedirektor der Berenberg Schweiz, Maximilian S., hatte die deutschen Geschäftsleute offenbar bei den Medikamenten-Geschäften beraten. "Der Re-Import von pharmazeutischen Produkten nach Deutschland läuft gut. Wegen seiner erfolgreichen Beratung" werde der Banker "250 000 Euro pro Jahr bekommen", heißt es in einem Dokument, das Mossfon der Briefkastenfirma des Bankers S. beigelegt hat. Berenberg soll davon nichts gewusst haben und die Transaktionen als unauffällig bewertet haben. Der Banker S. nahm zur Anfrage keine Stellung.

Auch alte Affären um Schiffe mit merkwürdiger Ladung holen Berenberg ein. Im Interview mit der FAS sagte Peters, dass man sich vor zwei Jahren vom Schifffahrtsgeschäft mit osteuropäischen Kunden getrennt habe, der "Kontrollaufwand" sei "immens gewachsen". Was er nicht sagte war, dass 2013 zwei Mitarbeiterinnen der Compliance-Abteilung schwerste Bedenken gegen einige der Kunden vorbrachten und die Gesellschafter der Bank - also auch Peters - warnten.

Die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt wurden eingeschaltet, bis Juni 2015 liefen Ermittlungen. Dann wurde das Geldwäsche-Verfahren eingestellt, aus den gleichen Gründen, aus denen die meisten dieser Geschichten im Archiv enden: Fehlende Rechtshilfe, die Behörden in der Ukraine lieferten nicht. Berenberg scheint nicht mehr glücklich zu sein über manchen Kunden in der Vergangenheit. Vorstand Peters sagt, man müsse sich "ständig fragen, welches Geschäft zu einem passt". Die Regeln seien verschärft worden. Auch deshalb mache man mit einigen Kunden, die man früher gehabt habe, "keine Geschäfte mehr".

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