Ägyptischer Milliardär Samih Sawiris:Rockefeller vom Nil

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Der Milliardär, der ganze Städte baut: Samih Sawiris will nicht länger nur in Andermatt, Montenegro und Oman bauen - sondern auch in seiner Heimat Ägypten. Jetzt errichtet er Haram City, eine Vorstadt in Kairo. Künftig sollen dort eine halbe Million Menschen wohnen.

Von Michael Kuntz

Der Morgennebel trübt den Blick auf Kairo, die größte Stadt Afrikas, in der wohl an die 20 Millionen Menschen leben. Die Umrisse der Pyramiden von Gizeh sind am Horizont nur undeutlich zu erkennen. Doch auch bei klarem Wetter ist die Aussicht auf das Weltwunder nicht wirklich perfekt: Wassertürme stehen unübersehbar im traumhaften Panorama und lassen sich durch eine Gartenlaube nur notdürftig kaschieren.

Die Wassertürme abreißen, das fände Samih Sawiris, 56, eine naheliegende Idee, mit der er sich in seiner Nachbarschaft bisher aber nicht durchsetzen konnte. Die Pyramiden erhöhen, damit er sie besser sehen kann? Da lacht der Milliardär.

Was völlig absurd klingt, ist zwar auch für Samih Sawiris eine Nummer zu groß, aber eben nur eine Nummer. Irgendwie würde man es ihm zutrauen. Denn der Mann hat schon ganze Städte gebaut. El Gouna, 20.000 Einwohner, am Roten Meer mit 17 Hotels und vielen Villen erwies sich jetzt als guter Fluchtpunkt für vermögende Ägypter.

Andere allerdings mussten sich in der Wirtschaftskrise von ihrem Ferienrefugium trennen. Die exklusive Stadt in der Wüste mit Yachthafen - mit Kirche und Moschee - ist Kontrapunkt zum Massentourismus im südlich davon gelegenen Hurghada. Sawiris nennt El Gouna sein Meisterstück, bei Baubeginn war der Wirtschaftsingenieur, der in Berlin studiert hat, gerade 32 Jahre alt.

Feriensiedlung in der Schweiz, ganze Vorstadt in Ägypten

In Europa so richtig bekannt wurde Samih Sawiris, weil er in der Schweiz gerade Andermatt umgräbt, und zwar gründlich. Es entsteht El Gouna alpin, die größte Feriensiedlung in Europa. Die bodenständigen Schweizer spalten sich in jene, die darin nichts Gutes sehen und jene, die finden, dem im Helvetia-Maßstab verarmten Kanton Uri konnte nichts Besseres passieren als der wohlhabende Ägypter mit dem Sinn für Großprojekte. Diese zweite Gruppe wächst mit dem Baufortschritt.

Mindestens so spektakulär wie Andermatt und weitere Luxusprojekte in Montenegro und Oman, aber doch irgendwie anders ist die deutlich schlichtere Kairoer Vorstadt Haram City. Eines Tages sollen hier eine halbe Million Menschen leben. Haram City liegt nicht weit von der Privatvilla von Samih Sawiris am westlichen Niltal. In ihrem Inneren führt eine Freitreppe mit mindestens 50 Stufen zu den Wohnräumen des Mannes, der ganze Städte baut. Die Inszenierung ist perfekt. Auf dem steilen Weg zu den Privaträumen einen Hang hinauf erlebt der Besucher körperlich, wie er die Ebene des gewöhnlichen Geschäftslebens gerade nach oben verlässt, nach ganz oben.

Samih Sawiris ist der Rockefeller vom Nil. Der nicht allzu groß gewachsene Mann kommt allein zum Gespräch, er trägt eines dieser modischen hellblauen Oberhemden mit Karomuster, die beiden oberen Knöpfe offen. Sawiris setzt sich an den Frühstückstisch auf der Terrasse, an dem acht Personen Platz fänden. Beduine als Torwächter, Butler, Koch, Fahrer, Gärtner, kräftige Herren im Hintergrund, ein angemessen dimensionierter Pool - es ist alles so, wie man das von einem Milliardärshaushalt erwarten darf.

Eine Woche England, eine Woche Schweiz

Die Aussicht ins Niltal ist gut, doch nicht optimal. Die Pyramiden aufstocken, damit er sie besser sehen kann, es ist ein Gedanke, der Sawiris sichtlich Freude bereitet. Das Eis ist gebrochen, es gibt dicke Bohnen und Fladenbrot, Mandarinensaft und Kaffee. Eine stille Oase in der lauten Millionenstadt. An diesen Tisch in Kairo kommt der Mann, der mit seinen beiden Brüdern zur reichsten Familie des Landes gehört, nicht mehr so oft wie früher.

Gleich nach Beginn der ersten Revolution ließ er seine Frau und die Kinder nach London umziehen. "Ich wusste damals, es wird nicht sehr gut weitergehen." Er selbst verbringt in einem normalen Monat nun eine Woche in England, eine Woche in der Schweiz, mehr als eine Woche in Ägypten. "Und ich muss auch noch die ganze Zeit verreisen nach Oman, nach Marokko, in die Emirate und nach Montenegro."

Drei Monate traute sich der koptische Christ nicht nach Ägypten. "Es war schon eine schlimme Zeit nicht nur damals, sondern in den ganzen letzten Jahren. Immer zum Flughafen gehen und nicht genau wissen, ob sie dich zurückhalten oder nicht, das war ein sehr schlechtes Gefühl."

Wie geht es in Ägypten weiter? "Ich denke, dass wir erst im Mai ein neues Parlament haben werden. Das erklärt den Aufschrei dieser Regierung, niemand dürfe sich so benehmen, als gebe es nur eine provisorische Regierung." Letztlich komme es auf den Präsidenten an. "Parlamente in Ägypten waren nie so richtig stark, das ist immer der Präsident gewesen. Die neue Verfassung ändert daran nicht so viel."

Wer kann Ägypten aus seiner politischen Krise führen? "Es ist heute praktisch schon entschieden." Wie das? "Seit 6000 Jahren galt, dass ein starker Führer die einzige Wahl ist für einen Fortschritt in diesem Land. Jetzt sehnen sich die Leute instinktiv nach einem solchen starken Führer. General al-Sisi ist die einzige Person, die diesen Eindruck vermitteln kann. Damit ist ganz klar, dass der jetzige Verteidigungsminister als nächster Präsident kommen wird." Das größte Problem werde sein, einen echten Gegenkandidaten zu finden, der gute Chancen hat, auf 30 bis 40 Prozent zu kommen.

Ein Militär als Präsident, das klingt nicht gerade nach revolutionärer Veränderung? "Auch die meisten Pharaonen waren ehemalige Soldaten." Und Sawiris fragt zurück: "Warum glaubt die Welt, dass Ägypten nach 6000 Jahren Diktatur plötzlich in sechs Jahren eine vollständige Demokratie wird? Das ging auch in Europa nicht über Nacht."

Die Demonstrationen vermitteln das Bild einer tief gespaltenen Bevölkerung. "Das ist so, weil die Medien immer Bilder zeigen, als ob das halbe Volk auf der Straße sei." Aber nur noch wenige Menschen gehen heute auf die Straße, sagt Sawiris. Die Muslimbrüder seien inzwischen eine absolute Minderheit, das Volk fühle sich von ihnen längst im Stich gelassen. "Wir waren nie so einig als Volk in der absoluten Mehrheit wie heute." Zu Zeiten des Präsidenten Hosni Mubarak seien mehr als die Hälfte der Ägypter gegen das Regime gewesen. "Selbst mich hat es danach überrascht, dass die so gut organisierten Muslimbrüder keine vernünftige Regierung zustande gebracht haben, sondern im Grunde eine Kopie des alten Systems waren."

"Leider vermitteln die Medien das Gefühl der Unsicherheit"

Kann der Unternehmer Sawiris in dieser Situation in Ägypten investieren? "Wir bauen zwei Hotels im Augenblick. Und wir bauen auch Haram City weiter." Das Problem dabei für Sawiris: "Die jetzige Regierung ist nicht stark genug, um größere Entscheidungen zu treffen."

Einer seiner Brüder hat sich stark politisch engagiert. Wird Samih Sawiris das auch machen? "Geld und politische Macht zusammen, das ist zu viel, um es zu akzeptieren. Wer als Unternehmer groß im Geschäft ist, darf nur helfen, aber nicht selber politisch tätig sein. Das ist meine Theorie. Aber mein Bruder hat natürlich seine eigene Persönlichkeit."

Eine neue Regierung erst in einem halben Jahr, das verlängert die Pause für den Tourismus? "Leider vermitteln die Medien das Gefühl der Unsicherheit. Doch der erfahrene Reisende weiß es inzwischen besser, sonst wären unsere Hotels am Roten Meer, die die größte Wiederholerrate in Ägypten haben, nicht so voll. Tatsächlich wissen die Leute, dass es am Roten Meer sicher ist." Über die Krisenjahre fehlen dem Milliardär Einnahmen aus Ägypten, die er für seine ambitionierten Bauprojekte braucht. Erst kam die Lehman-Pleite, dann der arabische Frühling, und ein Ende ist nur vage absehbar. Ein Problem, nicht nur für den Ägypter.

Reiseveranstalter hat während der Krise sein Ägypten-Angebot ausgebaut

Sawiris spricht daher voller Anerkennung über seinen deutschen Geschäftspartner und bekennenden Ägypten-Fan Dietmar Gunz. Die beiden haben mitten in der Krise in El Gouna Urlaub gemacht. Der Reiseveranstalter aus München hat sein Ägypten-Angebot gerade jetzt ausgebaut, im Gegensatz zu den anderen Großen der Branche. Die Firmengruppe von Gunz' FTI Reisen und ein paar mittelständische Veranstalter haben es während des verschärften Reisehinweises des Auswärtigen Amtes wegen der gewalttätigen Demonstrationen im Sommer weiter ihren Gästen überlassen, ob sie in die Feriengebiete am Roten Meer reisen wollen.

Flüge gab es immer, unter anderem von Sunexpress, dem Gemeinschaftsunternehmen von Turkish Airlines und Lufthansa. Vor allem der FTI-Konkurrent und Marktführer Tui macht seitdem Stimmung gegen Gunz, so erst jüngst bei der Jahrestagung des Deutschen Reiseverbandes in Salzburg. Der Ägypter Sawiris lobt Gunz und seine FTI: "Die sind so effizient und innovativ und überall aktiv."

Das Frühstück in Kairo musste verschoben werden. Der Milliardär weilte noch einen Tag länger in der Wüste.

Was macht man in der Wüste? "Man hat ein Ziel, eine bestimmte Destination oder eine bestimmte Überquerung zu machen. Das geht ein paar Tage lang, die ganze Karawane zieht mit. Zehn bis 20 Personen, mehr sind zu viel, weniger wird es zu einsam. Die Zelte, die Küche, der Lastwagen mit Sprit, der Lastwagen für das Wasser - man braucht gute Geländewagen, sonst kommt man nicht weit."

Wenn man über eine unbezwingbare "uncrossable dune" will, muss man schnell oder ganz langsam fahren? "Man muss sehr vorsichtig sein. Die Dünen sind sehr steil, und hinter ihnen gibt es immer sehr weichen Sand. Da rollt der Wagen von selbst nach unten, und man muss sehr schnell fahren. Was meistens nicht klappt, und man bleibt dann stecken."

Dann zieht man sich gegenseitig heraus? "Es macht Spaß, und man hat kein Handy. Das ist die halbe Freude, man hat das Gefühl, dass man 500 bis 600 Kilometer zwischen sich und dem nächsten Menschen hat." Das war eine Freude, auf die er eine Zeitlang verzichten musste? "Nein, in der Zwischenzeit waren wir in Oman. Wirklich aus Sehnsucht." Samih Sawiris nimmt sein iPhone und zeigt Fotos. "Das Gefühl ist wirklich einmalig, so viel Natur um sich zu haben. Das Schöne dabei ist ja, dass es in der Wüste so viel Platz gibt." Noch mehr als auf der Terrasse in Kairo.

© SZ vom 04.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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