AEG:Lehrstück zur Globalisierung

Im AEG-Konflikt ist der größtmögliche Kompromiss gelungen. Doch von Nürnberg gehen noch wichtigere Signale aus.

Uwe Ritzer

Die Sieger sahen müde aus. Sowohl die Unterhändler von Electrolux als auch jene der IG Metall bewerteten nach ihrem nächtlichen Verhandlungsmarathon den Kompromiss im AEG-Konflikt als das unter den gegebenen Umständen realistisch Mögliche.

AEG: Betrübt nehmen zwei AEG-Mitarbeiter zur Kenntnis, dass das Werk Nürnberg unwiderruflich geschlossen wird.

Betrübt nehmen zwei AEG-Mitarbeiter zur Kenntnis, dass das Werk Nürnberg unwiderruflich geschlossen wird.

(Foto: Foto: AP)

Tatsächlich trafen sich beide Seiten in der Mitte. Electrolux muss für den Sozialtarifvertrag etwa doppelt so viel aufwenden wie ursprünglich geplant. Die IG Metall erkämpfte die Hälfte dessen, was sie eingefordert hatte.

Zieht man die tarifliche Einigungen bei den Dienstleistern und die Garantie für den zweiten deutschen Produktionsstandort mit ins Kalkül, ist allen Beteiligten der größtmögliche Kompromiss gelungen.

Signale

Darüber hinaus gehen von Nürnberg aber mehrere Signale aus. Der Konflikt hat wohl vielen Menschen hierzulande bewusst gemacht, dass Globalisierung keinen Bogen um die soziale Marktwirtschaft deutscher Prägung macht.

Das große öffentliche Interesse an dem Nürnberger Arbeitskampf und die Solidarisierung selbst konservativer Bevölkerungsschichten mit den Streikenden bei AEG zeigt aber auch, dass die Menschen Globalisierung politisch mitgestalten wollen.

Vermutlich nicht einmal mit Absicht hat ein über weite Strecken sich stur und abgehoben gebärdendes Electrolux-Management die Politiker machtlos aussehen lassen. Das hat viele hierzulande abgestoßen und ins Grübeln gebracht, ob demokratische Gesellschaften internationalen Konzernen automatisch ausgeliefert sind.

Selbstkritik allenthalben angebracht

Aber nicht nur Wirtschaftspolitiker, auch Manager und Gewerkschafter müssen den AEG-Konflikt selbstkritisch aufarbeiten. Die Gewerkschaften müssen flexibler werden, wenn es darum geht, Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Sie dürfen nicht erst dann mit Zugeständnissen kommen, wenn die Krise hereingebrochen ist.

Andererseits aber stehen auch die Arbeitgeber in der Pflicht. Schnell rufen sie nach der Opferbereitschaft der Beschäftigten. Diese hat natürliche Grenzen. Worauf soll ein Waschmaschinenmonteur noch verzichten, wenn er von 1200 Euro Monatslohn eine Familie ernähren soll?

Bei Electrolux kommt erschwerend hinzu, dass die 1700 Beschäftigten nicht nur für den durch die Konkurrenz aus Niedriglohnländern ausgelösten Preisverfall bei Hausgeräten büßen, sondern auch für Fehler ihrer Manager.

Keine klare Linie

Vom Kauf der deutschen Traditionsmarke 1994 an wussten die Schweden nichts Gescheites mit AEG anzufangen. Mal wurden die Geräte in der gehobenen Preisklasse vermarktet, dann verramscht und schließlich verschwanden sie irgendwo beim Mittelmaß.

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