Adidas:Sportlich im Akkord

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Seit Jahren lässt der Konzern seine Schuhe und Trikots in Billiglohnländern fertigen - und steht deshalb in der Kritik. Doch Adidas bemüht sich um mehr Umweltschutz und bessere Arbeitsbedingungen.

Von Uwe Ritzer, Herzogenaurach

Unterschiedlicher können Arbeitsplätze nicht sein. Die Adidas-Zentrale in Herzogenaurach nahe Nürnberg ist ein weitläufiger Campus mit viel Grün, ausgefallener Architektur, hellen Büros, Cafés, Lounges und einem ordentlichen Mitarbeiterrestaurant. Sportplätze und ein modernes Fitnessstudio machen das Areal tatsächlich zur "World of Sports", wie der Sportartikelhersteller sein Hauptquartier nennt.

Die schmucklosen Fabrikhallen in Niedriglohnländern jedoch, in denen die Schuhe und Textilien mit den drei Adidas-Streifen hergestellt werden, sind vollgestopft mit Arbeitern, die auf engstem Raum oft weit mehr als acht Stunden am Tag schustern oder nähen. In manchen Fabriken trauen sich die Mitarbeiter kaum auf's Klo, weil es sonst Ärger mit Vorgesetzten gibt. Geschuftet wird im Akkord für Löhne, die zum Leben nicht reichen. Die Sozialstandards sind minimal und Gewerkschaften machtlos. So schildern zumindest Menschenrechtler die Zustände in den Zulieferfirmen in Asien.

Maik Pflaum zum Beispiel. Er arbeitet für die Christliche Initiative Romero, eine Nichtregierungsorganisation, die die Sportartikelbranche seit vielen Jahren kritisch verfolgt. Auch an diesem Donnerstag, wenn Adidas zur Hauptversammlung nach Fürth lädt, werden sich vor der dortigen Stadthalle Menschenrechtsaktivisten postieren. So, wie die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken unter Druck stünden, so müsse man auch den Druck auf die Unternehmen aufrechterhalten, sagen sie.

Die Hauptversammlung an diesem Donnerstag in Fürth wird die letzte von Herbert Hainer als Adidas-Chef sein. Collage: SZ; Fotos: dpa, adidas (Foto: SZ; dpa, adidas)

"Die Zustände sind nicht besser geworden", sagt Pflaum mit Blick auf die Fabriken in China, Bangladesch oder Vietnam, in denen Zulieferer für die großen Sportartikelhersteller Nike, Adidas oder Puma fertigen. "Das stimmt nicht", halten die Unternehmen mit schöner Regelmäßigkeit dagegen. Soziale Standards, Arbeitnehmerrechte, Gesundheits- und Umweltschutz würden vielmehr einen immer höheren Stellenwert genießen. "Wir sind stolz auf die Fortschritte der letzten 20 Jahre", sagt Frank Henke, bei Adidas zuständig für Umwelt und Soziales. "Wir überprüfen und bewerten die Arbeitsbedingungen in unseren Zulieferbetrieben regelmäßig anhand von aussagefähigen Leistungsindikatoren und sehen erhebliche Fortschritte im Bereich Umwelt und Soziales."

Doch sind diese Fortschritte tatsächlich objektiv mess- und vor allem beweisbar? Die Darstellung, inwieweit Kontrollen in den Betrieben neutral und unabhängig erfolgen, ob sie unangemeldet vorgenommen werden und wer letztendlich die Kontrolleure bezahlt, gehen zum Teil weit auseinander. So verweist Adidas-Manager Henke darauf, sogar die Stiftung Warentest habe sich "in wichtigen Zulieferbetrieben ein umfassendes Bild gemacht und uns für die Arbeitsbedingungen ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt." Maik Pflaum spricht hingegen von "sehr geringen Spielräumen und Kontrollinstanzen, die nicht unabhängig sind."

Während Adidas sich etwa auf Beurteilungen der Fair Labour Association beruft, in der Arbeitsrechtsorganisationen, Universitäten, Regierungsstellen und Unternehmen zusammengeschlossen sind, sieht Pflaum gerade diese Organisation stark dominiert von den Firmen. Diese würden sie mit ihren Mitgliedsbeiträgen letztendlich auch finanzieren. "Unabhängigkeit sieht anders aus", sagt er.

Ein seriöses und vor allem einheitliches Urteil über die Produktionsbedingungen in den Sportartikelfabriken ist aus der Ferne und überhaupt von außen schwer möglich. "Die Situation unterscheidet sich von Land zu Land und von Fabrik zu Fabrik", sagt ein Textilmanager mit langer Berufserfahrung. Wie viele Mode-Labels fertigt auch Adidas schon lange so gut wie keine Schuhe oder Trikots mehr selbst. Das erledigen eigenständige Zulieferfirmen vorwiegend in asiatischen, vereinzelt auch in arabischen und mittelamerikanischen Ländern. Nicht selten werden in einem Werk Produkte für mehrere der bekannten Marken gefertigt. Unter nach wie vor erbärmlichen Bedingungen, sagt Maik Pflaum. "Die zahlen alle zu wenig", sagt er. Staatliche Mindestlöhne zwar, doch die würden nicht zum Leben reichen. "Die Arbeiter stehen ständig unter enormem Druck mehr zu verdienen und sind daher zu jeder Überstunde bereit", sagt Pflaum. Das sei auch bei den Adidas-Zulieferern so.

Dem Unternehmen und Vorstandschef Herbert Hainer wirft der Romero-Aktivist vor, strategisch die eigene Macht rigoros auszuspielen. Etwa mit der Androhung, ein Land zu verlassen und in einem anderen produzieren zu lassen, wenn es dort billiger sei. So ziehe die Sportartikel-Zulieferkarawane peu à peu immer weiter, sobald irgendwo die Löhne steigen, von China nach Bangladesch oder Vietnam. "Adidas hat eine besonders brutale Art, die Länder unter Druck zu setzen", sagt Pflaum.

Frank Henke wehrt sich gegen solche Vorwürfe. "Unseres Wissens nach war Maik Pflaum noch nie selbst in einem unserer Zulieferbetriebe in Asien", sagt er. "Wir können deshalb seine Aussagen nicht nachvollziehen." Adidas habe seine Beschaffungsaktivitäten in den letzten Jahren vor allem in den Ländern ausgebaut, in denen erhebliche Lohnsteigerungen stattgefunden haben. Etwa in China, Indonesien, Vietnam und Kambodscha. Die Frage, wer als Zulieferer Produkte für die Drei-Streifen-Marke oder deren Schwesterfirmen Reebok und Taylor-Made fertige, werde nicht ausschließlich unter Kostengesichtspunkten entschieden, sagt Henke. "Da spielen auch Liefertreue, Qualität, technisches Know-how, Produktivität, Innovationsstärke und Marktnähe sowie Zoll- und Tarifbestimmungen eine wichtige Rolle."

Was Mindestlöhne und die Frage angehe, ob diese zum Überleben ausreichen, verweist der Adidas-Manager auf das Beispiel Kambodscha. Dort schreibe der Staat 140 US-Dollar als monatliches Minimum vor. Adidas lasse im Schnitt 235 Dollar bezahlen. Mehr als jene 207,50 Dollar also, die unabhängige kambodschanische Gewerkschaften als Untergrenze zur Deckung der Lebenshaltungskosten für notwendig erachten.

Adidas bemühe sich um "verantwortungsvolles Handeln entlang der Wertschöpfungskette", so das Unternehmen. Zumindest in puncto Umwelt sind selbst nach Einschätzung kritischer Instanzen wie Greenpeace Fortschritte erkennbar. Die Umweltaktivisten loben das Unternehmen für die Selbstverpflichtung, bis 2020 auf den Einsatz giftiger Chemikalien verzichten zu wollen. Unlängst sagte Adidas auch der Plastiktüte den Kampf an. 70 Millionen davon wurden bislang jährlich in 14 000 Adidas-Geschäften ausgegeben. Damit ist jetzt Schluss. Man hat umgestellt. Auf Papier.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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