ADAC-Motorwelt:Der gute Riese

Das ADAC-Vereinsmagazin ist Deutschlands auflagenstärkste Zeitschrift. Im Jubiläumsjahr des Clubs sucht das Heft zwischen Medienkrise, Lobbyismus und journalistischen Zielen den Weg in die Zukunft.

Claudia Tieschky

(SZ vom 09.05.2003) — Es heißt ja, die Menschen in Deutschland zweifelten gern, aber am ADAC scheinen wenige etwas aussetzen zu wollen. Der Automobilclub, der in diesem Jahr hundert wird und in wenigen Wochen seinen Geburtstag feiert, bekam kürzlich in der Umfrage Perspektive Deutschland 2002 (McKinsey, Stern, T-Online, ZDF) glänzende Vertrauenswerte bescheinigt, viel besser als jene von Institutionen wie Polizei, Bundeswehr oder den Kirchen. Da mag man sich fragen, warum der Verein nicht längst den Bundeskanzler oder den Papst stellt.

Die Auflagezahlen des monatlichen Clubhefts ADAC-Motorwelt scheinen von ähnlichem Glanz. Der Grund dafür ist einfach: Das Heft muss sich nicht am Kiosk durchsetzen, die Mitglieder bekommen es automatisch mit der Post.

Immerhin 14,6 Millionen Menschen sind im ADAC: Deshalb braucht die Motorwelt jedesmal, wenn die neuen Auflagenzahlen für Zeitschriften publiziert werden, zwei Stellen mehr in den Tabellen als andere Titel. 13,468 Millionen Exemplare weist die aktuelle Erhebung für Deutschlands auflagenstärkste Zeitschrift aus.

Auto-Bild (Springer) liegt bei gut 716.000 Exemplaren, Auto Motor und Sport (Motor-Presse Stuttgart) bei 471.000 und Motor und Reisen, die Vereinszeitschrift des Automobilclubs von Deutschland AvD, bei 342.000 Stück.

Mit dem Dienstrad zur Arbeit

Der ADAC hat etwa 7000 Mitarbeiter, das Hauptgebäude am Münchner Westpark wirkt wie eine Behörde. Innen verströmt es den Charme einer Gesamtschule aus den Siebzigerjahren.

Michael Ramstetter, 49, Chefredakteur der ADAC-Motorwelt, hat hier sein Büro, aber die Redaktion liegt in einem Gebäude auf der anderen Seite des Parks. Weil die Sonne strahlt und der Besucher mit dem Rad gekommen ist, holt auch Ramstetter für den Weg durch den Park sein Dienstfahrrad vom Hof. So etwas gibt es beim ADAC.

Ramstetter ist nicht nur Chefredakteur des Clubblattes, das seit 1925 erscheint, er leitet auch die Öffentlichkeitsarbeit des ADAC. Deshalb steht sein Schreibtisch nicht in den Redaktionsräumen, von denen einer wegen seiner Form "Banane" genannt wird und wo drei der 29 Mitarbeiter nur eines tun: Leserbriefe beantworten.

Sie bekommen Fotos vom zärtlich gepflegten alten Opel mit der Bitte um Abdruck, aber auch empörte Beschwerdeschreiben, wenn der Auspuff eines neuen Wagens abgefallen ist.

Zwei ADAC-Leute aus der PR-Abteilung machen ausschließlich Lobbyarbeit in Berlin. Sie schicken regelmäßig Listen in die Redaktion, auf denen steht, welche politischen Themen das Blatt aufgreifen sollte. Und sie verschaffen den Standpunkten des Club-Präsidiums Einfluss über Kontakte und in politischen Gremien. Auch das spiegelt die Vereinszeitschrift Motorwelt.

Für das Jubiläumsheft hat Präsident Peter Meyer das Editorial verfasst, wo er wieder wettert gegen die Ökosteuer und warnt vor einer womöglich drohenden Pkw-Maut. Weiter hinten spielt der ADAC klassische Themen: Man geißelt Sicherheitsmängel europäischer Autotunnels und informiert, welche Fahrzeugmodelle am häufigsten Pannen haben. Die meisten dieser Tests werden gemeinsam mit anderen Autovereinen in Europa erstellt und finanziert.

Ramstetter sagt, die Motorwelt sei das wichtigste Bindeglied zwischen Mitgliedern und Verein. Weil man sonst ja eigentlich nur merke, dass man in dem Club ist, wenn man eine Panne hat.

Er sagt, dass man deshalb ein Blatt für alle machen muss, für Führerschein-Anfänger wie für Rentner und auch für Frauen. Dass es also für das Image des ADAC wichtig sei, wenn die Leser das Blatt "mögen und nicht aus dem Briefkasten in die Mülltonne kippen". Und damit meint er wieder alle Leser. Deshalb tue er sich manchmal auch schwer, wenn er Kommentare zu politischen Themen schreibt - wo in seinem Publikum doch jede Couleur zu orten ist: "Man darf die Gefühle der Mitglieder nicht verletzen."

Einer Fahrt auf weichen Pneus gleicht das - und mancher Motortitel, der am Kiosk die Konkurrenz abhängen muss, liegt spursicherer in der Kurve. Auto Motor und Sport zum Beispiel will klipp und klar konsumfreudige Männer mit überdurchschnittlichem Einkommen ansprechen. So sieht das Heft auch aus.

Ramstetter gibt zu, er hätte auch gern ein bisschen so ein Heft. Großzügig im Design, edler in der Erscheinung. Weil er weiß, dass das "in vielen emotional denkenden Vorstandsetagen der Automobilindustrie höher angesehen ist". Solches Ansehen bringt Geld.

Mehr Lounge als Club

Im vergangenen Jahr hat ADAC-Motorwelt 17,6 Prozent Anzeigen eingebüßt. Der Platz für Werbung ist hier - wegen der hohen Auflage - so teuer wie nirgendwo sonst in Deutschland. 98.400 Euro brutto kostet eine bunte Seite.

Vom Etat ist etwa die Hälfte über Anzeigenerlöse gedeckt. Was fehlt, zahlt der Verein aus Mitgliedsbeiträgen zu - pro Mitglied jährlich 3,40 Euro. Weil dieser Obolus nicht steigen soll, wurden zwei Stellen in der Redaktion vorläufig nicht wieder besetzt.

Auch schrieb das Management das Verhältnis von Anzeigen und Redaktionsseiten auf 49 zu 51 fest - eine Formel, von der kein Chefredakteur begeistert sein kann, der von Doppelseiten träumt und davon, den schönen Tunneltest, der den ADAC 110.000 Euro gekostet hat, auf mehr als drei Seiten abzufeiern.

Die große Auflage der Motorwelt und der Status einer breiten Vereinszeitschrift freut den PR-Mann Ramstetter. Der Journalist, der 16 Jahre beim Burda-Verlag war, sagt aber auch: "Ich kann niemandem widersprechen, der bei uns Streuverluste befürchtet." Und er merkt ziemlich offen an: "Theoretisch müssten die Strecken für Neuwagen von BMW, Mercedes oder Fiat alle bei mir im Heft stattfinden."

Es ist aber nicht so, wie der ADAC es gerne hätte. Dafür sind Hersteller von Treppenliften besonders treue Anzeigenkunden; über viele Seiten hinweg sind Kleinanzeigen das beherrschende grafische Element im Heft.

Weil das alles so ist, hat man im vergangenen Jahr intensiv über "Splittings" nachgedacht, über neue Beihefte der großen Motorwelt. Der Hamburger Designer Dietmar Suchalla hat das Layout einer Probe-Ausgabe für Führerschein-Anfänger entworfen, im modischen Pocket-Format.

Das Heft sah mehr nach Lounge als nach Club aus. Das Echo bei Lesertests war gut. Zurzeit arbeitet der ADAC daran, passende Vorteilsangebote für die spezielle junge Zielgruppe zu bauen.

Selbst eine Zwei-Klassen-Gesellschaft hat man im Allgemeinen Deutschen Automobil-Club diskutiert. Die Idee war, für normale Mitglieder eine "ordentlich gemachte Vereinszeitschrift" zu produzieren, und für Leute mit ADAC-Plus-Mitgliedschaft ein "super Heft mit besserem Papier, Magazinbeiträgen, längeren Farbstrecken", sagt Ramstetter.

Motorwelt-TV hätte es eigentlich auch geben sollen, bei Sat1. Aber der Plan endete 2002 noch in der Projektphase - laut ADAC wegen Differenzen mit der Produktionsfirma über den Aufritt der Marke ADAC. Einen Teil der Ambition hat der Club jetzt im Hessischen Rundfunk verwirklicht, wo er für das Fernseh-Magazin Autowelt Beiträge mitproduziert.

Dem Aufbruch in neue Motorwelten haben im Übrigen die Clubmitglieder eine Absage erteilt. Nach einer ADAC-Umfrage will die Mehrheit keine Veränderung - 90 Prozent bekräftigten Zustimmung zum jetzigen Konzept. Und so wird Ramstetter seine Ambitionen für ein neues Erscheinungsbild des Heftes im Moment bremsen, sich am Image des ADAC freuen, am Frühling und am Dienstfahrrad.

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