Acquia:Schöne Seiten für alle

Ein belgischer Programmierer hat mit Drupal eine Open- Source-Software entwickelt, um Internetauftritte zu verwalten. Trotzdem verdient er damit Geld und könnte sich sogar einen Börsengang seines Unternehmens Acquia, das er 2007 gegründet hat, vorstellen.

Von Helmut Martin-Jung

Als Dries Buytaert während seines Informatikstudiums mit einigen Kommilitonen an Software für Wlan-Zusatzkarten tüftelte, dachte er sich, es wäre gut, eine Art digitales schwarzes Brett zu haben, über das sich die Mitarbeiter des Projekts würden austauschen können. "An zwei Abenden", glaubte der Belgier ganz optimistisch, "kriege ich das hin." Mittlerweile beschäftigt er sich 16 Jahre damit. Schon während seiner Doktorarbeit verbrachte der IT-Experte viele Nächte damit, all die Fragen zu beantworten, die sich den inzwischen recht zahlreichen Nutzern seiner Software Drupal stellten.

Aus Drupal ist ein ausgewachsenes System zum Veröffentlichen und Managen von Websites geworden, das auch große Firmen und öffentliche Einrichtungen einsetzen - darunter Konzerne wie Nestlé oder Pfizer, das Weiße Haus oder Organisationen der UN. Buytaert, 38, ist noch immer für die Software verantwortlich. Aber er ist dabei nicht mehr alleine. An der jüngsten großen Version, der achten, arbeiteten in einem Zeitraum von dreieinhalb Jahren mehr als 3000 Menschen, 35 000 Menschen haben zu Drupal beigetragen.

Drupal ist Open-Source-Software, das heißt, jeder kann sie kostenlos verwenden. Doch ähnlich wie beim ebenfalls freien Betriebssystem Linux, das unter anderem den Markt für Server-Betriebssysteme dominiert, gibt es Firmen, die rund um die kostenlose Software ein Angebot an Dienstleistungen entwickelt haben. Sie garantieren beispielsweise, dass die Software jahrelang stabil einsetzbar ist und helfen auch bei der Einführung in Unternehmen. Genau das macht Buytaert mit seiner Firma Acquia. Geplant war auch das zunächst nicht. "Als ich Drupal zu Open Source machte, dachte ich, das würden höchstens einige wenige herunterladen." Weit gefehlt. Die Software schlug regelrecht ein, und Acquia, das 2007 gegründet wurde und seither schon 180 Millionen Dollar Risikokapital eingesammelt hat, wuchs schnell. Heute hat die Firma 750 Mitarbeiter und betreibt 13 Büros in aller Welt, und Buytaert denkt über den nächsten Schritt nach: "Wir sind bereit für einen Börsengang", sagt er selbstbewusst, "aber entschieden ist noch nichts."

Beim Supermarkt-Besuch kommen Kochrezept und Einlaufsliste aufs Handy

Das Geld aus dem Börsengang könnte er gut gebrauchen, Acquia müsse schneller wachsen, findet Buytaert. Die Anforderungen für Systeme wie das seine wandelten sich ständig, sagt er: "Websites bewegen sich weg von der bloßen Seite, es gibt Dinge wie Chatbots", also von künstlicher Intelligenz gesteuerte Systeme, an die sich potenzielle Kunden mit Fragen zu einem Produkt wenden können. Auch Videos spielten eine immer größere Rolle.

Die Drupal-Kunden im Handel verlangen dagegen nach Systemen, die den Kunden je nach deren Aufenthaltsort unterschiedliche Nachrichten schicken könnten. Sind sie im Supermarkt, bekommen sie auf Wunsch Vorschläge für ein Kochrezept mitsamt Einkaufsliste aufs Handy. Zu Hause wird dann die Schritt-für-Schritt-Anleitung ausgespielt, als Video auf einem Tablet, oder auch per Sprachausgabe über ein Gerät wie Amazons Echo, einem vernetzten Lautsprecher mit Spracherkennung. "Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Dinge entwickeln, ist für uns schon eine Herausforderung", sagt Buytaert.

Doch mit seinen vielen Helfern und der Tatsache, dass seine Software auch auf die Cloud ausgerichtet ist, sieht er sich gut gewappnet. Mit Amazon Web Services (AWS) ging er vor Jahren eine weitreichende und für ihn durchaus riskante Kooperation ein. Hätte die Sache nicht funktioniert, wäre sein Unternehmen in Gefahr gewesen. Aber es klappte: Mittlerweile laufen über Amazons Rechenzentren etwa 17 000 Drupal-Installationen, die jeweils Tausende von Websites groß sein können. Einige der größten Websites der Welt werden so betrieben, darunter weather.com. Der US-Fernsehsender NBC nutzte die Plattform während der Spiele in Rio für seine stark frequentierte Seite NBC Olympics.

Als Nächstes möchte Buytaert vor allem die Benutzerfreundlichkeit von Drupal verbessern und das System noch stärker auf die Bedürfnisse moderner Medienhäuser ausrichten. Die Nächte muss er sich dabei aber heute nicht mehr um die Ohren schlagen.

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