Absturz des Rubels:Rettung nicht in Sicht

Der Rubel verliert drastisch an Wert, selbst Interventionen der russischen Zentralbank helfen nicht - sie muss eine gefährliche Gratwanderung absolvieren. Es sieht nicht danach aus, als würde ihr das gelingen.

Von Julian Hans, Moskau

Die russische Zentralbank muss derzeit eine gefährliche Gratwanderung absolvieren. Auf der einen Seite versucht sie, durch punktuelle Verkäufe von Euro und Dollar den Rubel zu stützen. Auf der anderen Seite muss sie mit ihren Währungsreserven haushalten, um nicht das Vertrauen in ihre eigene Handlungsfähigkeit zu beschädigen. Derzeit sieht es nicht danach aus, als würde dieser Balanceakt auf Dauer gelingen.

Am Mittwoch verlor der Rubel erneut drastisch an Wert. 54,87 Rubel mussten für einen US-Dollar gezahlt werden, so viel wie nie zuvor. Ein Euro kostete im Handelsverlauf bis zu 67,89 Rubel, fast 50 Prozent mehr als noch Ende Juni. Nachdem die Währung allein am Montag um sechs Prozent eingebrochen war, hatte die Notenbank 700 Millionen US-Dollar verkauft. Doch der Einsatz verpuffte an den Märkten.

Als der Handel am Mittwoch wieder mit starken Verlusten startete, warfen die Währungshüter offenbar erneut Devisen auf den Markt - um die Mittagszeit gab es einen steilen Knick. Doch seitdem stiegen die Preise für Dollar und Euro wieder. Experten schätzen, dass die Zentralbank bei unregelmäßigen Interventionen zur Stützung des Rubel fünf bis zehn Milliarden US-Dollar aufwenden muss, um einen spürbaren Effekt zu erzielen.

"Eine gewisse Panik"

Ewig kann das selbst die russische Zentralbank nicht durchhalten, die als eine der reichsten weltweit gilt. Denn nur über einen Teil der 420 Milliarden Dollar ihrer Währungsreserven kann sie frei verfügen. Etwa 50 Milliarden sind in Gold angelegt. Weitere 172 Milliarden sind auf zwei Vermögensfonds verteilt, die der Regierung unterstehen, auf die die Zentralbank keinen Zugriff hat. Diese und weitere Faktoren herausgerechnet, bleiben nach unterschiedlichen Berechnungen russischer Ökonomen etwa 230 Milliarden, mit denen die Notenbanker eingreifen können. In Anbetracht der Tatsache, dass sie im Vergleich zum Vorjahr bereits 100 Milliarden ausgegeben haben, erscheint diese Summe nicht so groß.

International gilt als Faustregel, dass Notenbanken über Reserven verfügen sollten, die den Import von Waren und Dienstleistungen über ein halbes Jahr entsprechen. Wenn die Reserven nur noch den Einfuhren von drei Monaten entsprechen, gilt die Situation als kritisch. Das durchschnittliche Importvolumen hatte laut russischer Zentralbank zwischen Oktober 2013 und September 2014 37,8 Milliarden im Monat betragen. Auf das halbe Jahr gerechnet macht das 226,8 Milliarden. Unter diese Summe sollten die verfügbaren Mittel nicht fallen. Derzeit nähern sie sich ihr.

Ein Aufsichtsratsmitglied der staatlichen VTB sprach am Dienstag von "einer gewissen Panik" in der Bankenbranche. Ministerpräsident Dmitrij Medwedew bemühte sich unlängst, Befürchtungen entgegenzutreten, der Staat könne Kapitalverkehrskontrollen einführen. "Die Regierung, ich selbst, meine Kollegen und die Zentralbank haben immer wieder betont, dass wir keine Beschränkungen der Kapitalströme planen", sagte er. Einige Kreditinstitute haben bereits den Verkauf von Devisen eingeschränkt. Die staatliche Sberbank etwa, die größte Bank des Landes, hat den Verkauf von Devisen laut einem Zeitungsbericht auf 5000 Dollar und 5000 Euro pro Kunde und Tag beschränkt. UniCredit gibt nicht mehr als 10 000 ab.

Der starke Verfall des Ölpreises und der folgende Einbruch der Wirtschaft könnte Russland seinen Platz als achtgrößte Weltwirtschaft kosten. Laut einem Bericht des britischen Telegraph, selbst in Besitz eines russischen Oligarchen, liegt die Wirtschaftsleistung inzwischen eher auf dem Niveau von Spanien.

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