Absicherungsgeschäfte:Den niedrigen Ölpreis absichern

File photo of a worker checking valve of oil pipe at Lukoil company owned Imilorskoye oil field outside West Siberian city of Kogalym

Kostbarer Rohstoff Öl: Für Mittelständler kann die Absicherung gegen Preisschwankungen an den Rohstoffmärkten sinnvoll sein.

(Foto: Sergei Karpukhin/Reuters)

Unternehmen können mit Finanzderivaten Risiken begrenzen und besser kalkulieren.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Auf den Tagesgewinn folgt tags darauf wieder ein Verlust. Der Ölpreis kann derzeit keine anhaltenden Zugewinne verzeichnen. Seit Beginn der Talfahrt vor zwei Jahren mit einem Preisverfall von 70 Prozent erwarten die Marktteilnehmer die Gegenbewegung. Vergebens. Volatilität ist angesagt. Trotz aller Unsicherheiten rechnen viele Experten mit einer schockartigen Verteuerung der Erdölpreise, spätestens Anfang 2017. Welches Szenario auch eintritt, Unternehmen sollten vorbereitet sein.

"Beim Ölpreis hat die Schwankungsbreite seit Mitte des Jahres 2014 wieder deutlich zugenommen", sagt Martin Keller, Leiter Product Management von der Mittelstandsbank der Commerzbank und meint: "Die Schwankungen bei gängigen Währungskursen sind weit geringer, dennoch sichern viele Kunden nach wie vor lediglich ihre Währungsgeschäfte und tragen bei den Rohstoffen das volle Risiko." Dabei könnten Sicherungsinstrumente die Abhängigkeit von Preisschwankungen an den globalen Märkten reduzieren. Das sogenannte Hedging, also Absichern, ist sinnvoll. Denn im Gegensatz zur Beschaffung der Rohstoffe erfolgt der Verkauf der Endprodukte üblicherweise zu Festpreisen. Die Begrenzung des Risikos schafft Planungssicherheit und eine solide Kalkulation, nicht nur für Unternehmen mit hohem Ölbedarf aus dem Agrar-, Logistik-, Pharma- und Chemiebereich, sondern generell auch für Betriebe mit großvolumigen, langfristigen Fertigungsaufträgen. Das Motiv ist dabei klar die Kalkulationssicherheit und nicht ein möglicher Gewinn.

Sicherungsangebote für mittelständische Betriebe gibt es für Einkaufsvolumina von deutlich unter 500 000 Euro jährlich. Angesichts der historisch niedrigen Ölpreise ist jetzt ein guter Zeitpunkt zur Absicherung gegen das Marktpreisrisiko. "Wer bisher noch keine Preisabsicherung gemacht hat, sollte angesichts des Ölpreisverfalls von 90 auf 30 Dollar für ein Barrel jetzt damit beginnen", sagt Semir Fersadi, Referatsleiter Finanzierung der IHK München und Oberbayern. Als Sicherungsinstrumente für feste Einkaufspreise dienen Finanzderivate. Generell können Firmen zwischen Termingeschäften und Optionen wählen. "Mit Hilfe von Termingeschäften kann sich ein Unternehmen gegen künftige Preissteigerungen von Rohstoffen absichern. Fällt der tatsächliche Preis zum Termin aber unter den Terminpreis, muss das Unternehmen die Differenz zahlen", sagt Martin Hellmich, Professor an der Frankfurt School of
Finance & Management. Steigt der Ölpreis über den vereinbarten Terminpreis, erhält der Kunde die Differenz von der Bank.

Außerbörsliche Derivate sind individuell zugeschnitten, aber auch teurer

Diese sogenannten unbedingten Termingeschäfte, die beide Parteien verpflichten, kommen bei mittelständischen Unternehmen am häufigsten zum Einsatz. Sie eignen sich bei konkreten Geschäften mit Abnahme und Lieferung der Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt. Mehr Freiheit bietet eine Option, auch bedingtes Termingeschäft genannt, den Betrieben. Die Option gibt dem Inhaber das Recht, nicht aber die Verpflichtung, einen Basiswert (Öl) zu einem vorher vereinbarten Preis am Fälligkeitstag zu kaufen. "Beim Optionsgeschäft erhält sich der Unternehmer größtmögliche Flexibilität, da er keine Verpflichtung eingeht. Verläuft die Geschäftsentwicklung anders als geplant oder fällt der Marktpreis unter den vereinbarten Wert, kann er die Option verfallen lassen", sagt Fersadi. Steigt der Marktpreis von Öl über den Ausübungspreis, wird der Inhaber die Option wahrnehmen.

Diese Flexibilität hat ihren Preis. Wie bei einer Versicherung ist die Prämie auch dann zu zahlen, wenn das Geschäft nicht zustande kommt. Die Ölpreisabsicherung mittels Finanzderivaten kann über die Bank oder direkt an der Börse erfolgen. "Kleine und mittlere Unternehmen ohne direkten Kapitalmarktzugang machen die Absicherung der Rohstoffpreise oft außerbörslich über ihre Bank mit sogenannten OTC-Kontrakten. Diese Kontrakte sind individuell zugeschnitten, dafür aber mit höheren Kosten verbunden als standardisierte Produkte", sagt Hellmich. Durch die flexible Wahlmöglichkeit von Laufzeit und Menge kann der Beschaffungsvertrag exakt abgebildet werden. In großen Konzernen wird die eigene Treasury-Abteilung hingegen direkt an den Terminbörsen tätig. "Die Unternehmen müssen die Preisentwicklung auch nach dem Absicherungsgeschäft weiter beobachten, um notwendige Anpassungen vorzunehmen. Liegen lassen und nicht mehr drauf schauen, geht nicht. Wir bieten unseren Kunden regelmäßiges Monitoring und Unterstützung im Controlling", sagt Keller.

Eine wichtige Entscheidung ist die Wahl der passenden Absicherungsquote. Diese ist von der Risikobereitschaft sowie der Geschäftstätigkeit und der Branche eines Unternehmens abhängig. Um sich eine gewisse Flexibilität in Bezug auf Preis und Menge zu erhalten, sollten nicht alle Geschäfte abgesichert werden. "Je stärker sich die Ölpreisentwicklung direkt auf das Unternehmensergebnis auswirkt, desto höher sollte tendenziell die Absicherungsquote liegen", sagt Hellmich. Die Absicherungsquote der Fluggesellschaft Lufthansa etwa betrug im Vorjahr 73 Prozent des Treibstoffbedarfs. Für mittelständische Unternehmen ist eine Kombination verschiedener Finanzinstrumente sinnvoll. Bei der Preiskalkulation kann ein Rohstoffrechner helfen. Die Software ermöglicht eine genaue Berechnung für jedes Produkt und macht Einflüsse einer Verteuerung der Rohstoffe sichtbar. Spezielle IT-Systeme gibt es auch für das aktive Management der Rohstoffrisiken. Betriebsintern muss diese Aufgabe zentral in Abstimmung mit Einkauf und Vertrieb erfolgen. "Das Problem ist, dass der Öleinkauf in vielen Firmen über die Einkaufsabteilung läuft. Es erfolgt somit keine Finanzplanung wie im Treasury bei Währungsgeschäften üblich", sagt Keller. Generell sollten sich Betriebe bereits beim Abschluss des Grundgeschäfts um die Preisabsicherung kümmern. Der Unternehmer könne somit ruhig schlafen und sich wieder ganz dem Tagesgeschäft widmen, meint Fersadi. Das bange Schielen auf die Preisentwicklung ist dann entbehrlich.

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