Absicherung:Nur Autos sind noch riskanter

Wer zahlt, wenn eine Firma ihre Erzeugnisse zurücknehmen muss? Mars war wohl versichert.

Von Herbert Fromme, Köln

Mars muss Millionen von Schokoriegeln in 55 Ländern von Verbrauchern und Händlern zurücknehmen. In einem der Riegel fanden sich kleine Plastikteile. Nicht nur für das Unternehmen ist das eine Bewährungsprobe, auch für seine Versicherer wird es teuer. Mars äußert sich nicht zu den Einzelheiten, aber Experten gehen davon aus, dass der Hersteller eine spezielle Rückrufpolice abgeschlossen hat.

"Die meisten Hersteller haben solche Policen", weiß Dirk Grote, Haftpflichtexperte beim Versicherungsmakler Marsh. Dabei unterscheiden die Versicherer zwischen der unbeabsichtigten Produktverunreinigung - wie sie im Fall Mars vorliegen dürfte - und absichtlich herbeigeführten Schädigungen. Dahinter stecken in den meisten Fällen Erpressungsversuche.

"Die Versicherung deckt die Kosten eines Rückrufs, einen Gewinnrückgang sowie Kosten für Wiederherstellungsmaßnahmen", erläutert Christof Bentele von der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), dem Spezialanbieter der Allianz. Gedeckt sind Kosten, die sich aus der Verunreinigung oder einem staatlich angeordneten Rückruf ergeben. Die meisten Versicherer zahlen sogar, wenn in Medien oder im Internet unrichtige Behauptungen über ein Produkt aufgestellt werden, die dazu führen, dass ein Hersteller Produkte zurücknehmen oder auf andere Weise Schadenbegrenzung betreiben muss.

Hersteller in der Lebensmittel- und Getränkebranche haben Deckungen bis zu 300 Millionen Euro, die von mehreren Versicherern bereitgestellt werden. "Als AGCS bieten wir eine maximale Kapazität von 50 Millionen Euro", sagt Bentele.

Für die Rückrufversicherung ist die Autoindustrie die wichtigste Sparte. "Da müssen auch kleine Zulieferer mit Schäden im zweistelligen Millionenbereich rechnen", sagt Makler Grote. Schließlich gebe es zahlreiche Rückrufe in der Branche - für die Hersteller gerne Zulieferer und deren Versicherer zahlen lassen, wenn sie einen Zusammenhang zum Fehler sehen.

Im Milliardenbereich beläuft sich der aktuelle Schaden, den der japanische Airbag-Hersteller Takata angerichtet hat. Die Airbags öffnen sich unter bestimmten Umständen mit großer Kraft. Bislang führte der Fehler zu zehn Todesfällen und 139 Verletzten. Rund 25 Millionen Airbags sind betroffen, die Kosten für die Umrüstung werden auf 1000 Euro pro Stück geschätzt.

Die Lebensmittelbranche steht besonders im Fokus

Nach der Kfz-Branche stehen die Lebensmittelhersteller vorne in der Rangliste der risikoreichen Branchen. "Die Hersteller haben Alarm- und Rückrufpläne und wickeln das sehr professionell ab", weiß Grote. "Dabei ist die Beratung durch den Versicherer in den meisten Fällen Teil des Versicherungsschutzes." Zu den großen Rückrufversicherern gehören AGCS, Zurich, XL Catlin sowie AIG und Chubb. AGCS-Spezialist Bentele berichtet von einer steigenden Zahl von Rückrufen bei Lebensmittelunternehmen. Dazu kommt, dass sie in mehr Ländern als früher ausgelöst werden und teurer sind. Die Lieferketten seien komplexer, die Vorschriften zur Produktsicherheit schärfer. Außerdem verbreiten sich Informationen weltweit sehr viel schneller, sagt er.

Kunststoffteile sind übrigens ein häufiger Grund für Rückrufe. Während Metallteile mit Detektoren gefunden werden, ist das bei Kunststoff schwieriger. "In den meisten Fällen wird die Verunreinigung durch ein kleines abgebrochenes oder defektes Teil einer Maschine verursacht", weiß Bentele. Besen, Bürsten und andere Reinigungswerkzeuge können ebenfalls Ursache sein.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: