Absicherung:Ein Pflegefalle

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Sport kann den kognitiven Verfall nicht aufhalten. (Foto: Carsten Koall/Getty)

Es gibt immer mehr Pflegebedürftige. Doch die gesetzliche Absicherung reicht nur selten aus.

Von K. B. Becker und J. Tauber, München/Berlin

Das Jahr war erst wenige Wochen alt, da stellte sich der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), in Berlin vor die Presse und sagte freiheraus: "Es läuft etwas falsch." Laumann meinte damit das niedrige Lohnniveau in der Alten- und Krankenpflege, denn im Vergleich zu anderen Fachkräften verdienen Pfleger im Mittel rund ein Fünftel weniger pro Monat. Das war das Ergebnis einer Studie, zu deren Vorstellung Laumann Ende Januar geladen hatte.

Doch der Satz "Es läuft etwas falsch" passt oft auch an anderen Stellen, wo immer es um Pflege und deren Finanzierung geht. Der demografische Wandel hat einigen Anteil daran: Etwa 2,6 Millionen Menschen in Deutschland gelten als pflegebedürftig. Vor zwei Jahre waren es noch knapp 2,5 Millionen. Das entspricht grob gerechnet der Größe einer mittelgroßen Stadt wie Würzburg.

Der Trend wirkt sich nicht nur auf die Pfleger aus, die sich in Zukunft um immer mehr Patienten kümmern müssen. Er betrifft auch die Bürger selbst, die sich nach Ansicht vieler Experten heute schon am Beginn ihres Berufslebens mit der Frage befassen müssen, was passieren soll, sofern sie selbst eines Tages ihre Leistungskraft verlieren. Die Realität ist: Wer sich nicht auf sein Vermögen oder die Unterstützung seiner Verwandten verlassen will, muss privat vorsorgen. Denn die gesetzliche Pflegeversicherung reicht für die tatsächlichen Kosten in den meisten Fällen nicht aus. Eine Möglichkeit dafür bieten Pflegetagegeldversicherungen. Nun hat die Stiftung Warentest untersucht, welche Tarife die Versorgungslücke am besten füllen.

Diese Lücke beziffert die Stiftung Warentest je nach Grad der Pflegebedürftigkeit auf zwischen 540 und 2000 Euro im Monat. "Ein guter Tarif soll die beschriebene Versorgungslücke möglichst günstig schließen", erklärt Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest. "Vor allem in den unteren Pflegestufen soll das Geld reichen, denn über 80 Prozent der Betroffenen haben Einstufung I und II."

Pflegetagegeldversicherungen funktionieren ähnlich der gesetzlichen Pflegeversicherung. Stellt die Krankenkasse die Pflegebedürftigkeit fest, erhält der Versicherungsnehmer eine fest vereinbarte tägliche Geldzahlung. Anders als etwa bei der Pflegekostenversicherung sind die tatsächlichen Pflegekosten für die Höhe der ausbezahlten Leistung unerheblich. Sie hängt allein von der Pflegestufe und der Versorgungsform ab.

Die staatlich geförderten Produkte reichen laut Experten nicht aus

Seit 2013 unterstützt der Staat Verträge, die bestimmte Vorgaben erfüllen, mit einem monatlichen Förderbeitrag von fünf Euro. Diese Tarife nach dem sogenannten Bahr-Modell, benannt nach dem früheren Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), hält die Stiftung Warentest für nicht ausreichend, um die Pflegelücke zu schließen. Sie wurden deshalb separat untersucht. "Die reinen Pflege-Bahr-Tarife reichen in keinem Fall über alle Pflegestufen hinweg aus, um die Pflegelücke zu schließen", sagte Baierl-Johna. "Wir haben sie deshalb nicht bewertet, sondern lediglich Beiträge und Leistungen für 65-jährige Versicherungsnehmer dargestellt."

Insgesamt 88 Pflegetagegeldtarife von 29 Anbietern nahmen die Tester unter die Lupe. Konkret wollten sie wissen, was die Verträge für zwei Modellkunden im Alter von 45 Jahren und 55 Jahren kosten und bringen. Das Ergebnis: 83 Tarife erfüllen das Prädikat "gut" oder "sehr gut". Durchschnittlich 56 Euro im Monat muss ein 45-Jähriger für eine Versicherung mit guten Leistungen zahlen, bei 55-Jährigen sind es 87 Euro. Besonders gut schnitten Produkte von Hanse Merkur, Württembergische und DFV ab.

Während die Stiftung Warentest Pflege-Bahr-Policen aufgrund ihrer Leistungen nicht empfehlen will, sind unter den Top-Tarifen sogenannte Kombinationsangebote vertreten, bei denen ungeförderte und geförderte Tarife im Paket angeboten werden. Tatsächlich seien diese teils den nicht geförderten Verträgen überlegen. "Unter dem Strich schneiden die Kombitarife etwas besser ab", sagt Baierl-Johna. "Durch die staatliche Zulage von fünf Euro im Monat, die auf den Beitrag des Versicherten oben drauf kommt, sind die Leistungen dieser Verträge oft etwas höher", sagte sie.

Der PKV-Verband kritisiert, dass die Stiftung Warentest, wie auch schon im vorangegangenen Test, die Untersuchung auf Modellkunden im Alter von 45 und 55 Jahren beschränkt. Das werde Tarifen nach dem Pflege-Bahr-Modell nicht gerecht, sagt Verbandssprecher Stefan Reker. "Rund 50 Prozent aller Pflege-Bahr-Versicherten sind jünger als die von Finanztest zugrunde gelegten Modellkunden - so dass sie für weniger Beitrag deutlich mehr Leistungen erhalten als im Testbericht erwähnt." Die Versicherer sehen die Police als einen guten Einstieg in die private Pflegevorsorge gerade für junge Menschen und Geringverdiener.

Die Stiftung Warentest hält die Auswahl dagegen für gerechtfertigt. Es sei richtig, dass jüngere Kunden eine gute Absicherung natürlich schon für weniger Geld bekämen, sagt Baierl-Johna. "Allerdings würde sich die voraussichtliche Vertragslaufzeit dann über Jahrzehnte hinziehen."

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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