Abschiedsfeier von EZB-Chef Trichet:Streicheleinheiten für Monsieur Euro

Mit Pomp und Prominenz verabschiedet die Europäische Zentralbank ihren langjährigen Chef Jean-Claude Trichet. Warme Worte der Kanzlerin, ein bisschen Schwelgen in Erinnerungen und am Ende noch ein Überraschungsgast. Doch vom Festakt hat der Franzose wenig - er muss mit den Staatschefs die Euro-Rettung vorantreiben.

Helga Einecke, Frankfurt

Plötzlich verlässt die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth den großen Saal der Alten Oper in Frankfurt. Die Abschiedsfeier für EZB-Präsident Jean Claude Trichet ist in vollem Gang. Draußen vor der Tür aber braust mit großer Eskorte Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy heran, den Roth freundlich begrüßt.

Der Überraschungsgast kommt keineswegs, weil ihm Trichet am Herzen liegt. Nein, er will kurz vor dem EU Gipfel am Sonntag mit europäischen Spitzenpolitikern verhandeln, die einem Mann die Ehre erweisen, der für die Europäer zum Inbegriff der gemeinsamen Währung geworden ist.

Jersy Buzek, Hermann Van Rompuy, Jose Manuel Barroso, Jean-Claude Juncker, die vier Chefs von Parlament, Rat, Kommission und der Eurogruppe sind vor Ort. Sie repräsentieren das Volk, die Regierung, die Staaten und die Finanzminister des Kontinents. Die deutsche Kanzlerin ist auch da, gewährt Trichet die verbalen Streicheleinheiten, die er zuletzt schmerzlich vermisste. "Lieber Jean-Claude, ich hoffe, dass du Deutschland als Freund weiter lieben wirst", sagte sie.

Die Deutschen nervten Trichet

Der hat das viele Lob, das auf ihn in Frankfurt herabprasselt selbst eingefordert. Der Vorwurf, er überfrachte die Zentralbank mit hohen Risiken, überschreite sein Mandat, kaufe zu viele marode Staatsanleihen, trifft ihn tief. Als Antwort hat der 68-Jährige seine Verdienste um stabile Preise parat und kritisiert die Politiker wegen des gebrochenen Stabilitätspakts. Es sind die Deutschen, die Trichet nerven, weil sie seinen Kurs nicht mittragen wollen.

Und es ist die Krise, die dem EZB-Präsidenten selbst am Tag seiner Abschiedsgala nicht mal zu einem Glas Wein oder zum Empfang kommen lässt. Hinter verschlossenen Türen tagt er mit Sarkozy, Merkel, Barroso, Van Rompuy und Juncker. Erst drei Stunden später am Abend darf er wieder zu seinen Gästen.

Er kann noch einmal Revue passieren lassen wie zwei Großväter des Euro, Ex-Kanzler Helmut Schmidt und sein französischer Alter Ego Valerie Giscard d'Estaing Erinnerungen auffrischten. Schmidt konnte sich eine Publikumsbeschimpfung nicht verkneifen und sprach vom "dramatischen Unvermögen der politischen Organe". Die sei eine ernstere Bedrohung als die Verschuldung einzelner Euroländer. Nur die EZB habe sich als handlungsfähig und wirksam erwiesen. Die unfähigen Organe hätten versäumt, die richtigen Spielregeln für die Währungsunion aufzustellen.

Die Sprachen der Reden wechselten vom Französischen ins Deutsche, selten ins Englische. Denn Deutschland und Frankreich sind von jeher die Motoren auf dem Weg zum gemeinsamen Europa. Selbst beim Trichet-Abschied ging es immer wieder um den richtigen Weg dorthin, selbst im übertragenen Sinn.

Der große Moderator - bis zuletzt

Kenner der fehlenden Einmütigkeit in Europa freuten sich über die treffende Auswahl der Musik. Der Auftakt zum "Karneval der Tiere" wurde gespielt. Es handelt sich um eine Komposition des Franzosen Camille Saint-Saens, der darin die Stimmen recht unterschiedlicher Tiere imitierte und berühmte Kollegen seiner Zeit veralberte.

Als Trichet vor acht Jahren das Amt des EZB-Präsidenten übernahm, war von Krise keine Spur. Damals begünstigte die Globalisierung das Wachstum, Schuldenmachen schien kein Problem. Deutschland galt als der kranke Mann Europas, ächzte unter grundlegenden Reformen wie Hartz IV. Irland, Spanien und Portugal waren die Gewinner der Euro-Zone. Die Finanzkrise hat das Blatt grundlegend gewendet, sie forderte Trichet und seine Führungsmannschaft wie nie zuvor. Die EZB flutet bis zum heutigen Tag die Banken mit Geld, um die Schwächen des Finanzsystems auszugleichen. Sie übernahm Risiken der Banken und der Staaten, vorübergehend, wie Trichet stets betont.

Die Auseinandersetzungen über den richtigen Weg sind an dem überzeugten Europäer nicht spurlos vorübergegangen. Man muss ihm als dem großen Moderator im Euro-Konflikt abnehmen, dass ihm die Zukunft Europas und die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland am Herzen liegt. Und dass er sich bis zuletzt in die Pflicht nehmen lässt. Den während Sarkozy wieder wegbrauste, zu Ehefrau und Kind ins Krankenhaus eilte, kümmerte sich Trichet wenigstens zum Abschied um seine Gäste.

Sein Nachfolger Mario Draghi, Chef der italienischen Notenbank, hat zuvor in der Alten Oper von alten Zeiten erzählt, als er noch gemeinsam mit seinem Freund Jean-Claude den Euro anschob.Und er empfing von Trichet die Glocke, die bei den Sitzungen des EZB-Rats läutet.

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