Abkommen zur Steuerflucht:USA spielen Wildwest mit der Schweiz

Wie die Wildwest-Legende John Wayne sollen die Amerikaner den Deal ausgehandelt haben

Wie die Wildwest-Legende John Wayne sollen die Amerikaner den Deal ausgehandelt haben

(Foto: dpa/dpaweb)

Vorbild John Wayne: In Großmacht-Manier zwingen die USA die Schweiz zu einem Steuerabkommen. Um Steuerflüchtlinge zu finden, wollen die Amerikaner Einblick in Briefe und E-Mails ihrer Bürger an Schweizer Bankiers. Die Eidgenossen sind empört - und machtlos.

Von Wolfgang Koydl, Zürich

Von einem Kniefall ist die Rede, von Erpressung und von Wildwest- Methoden nach Art des alten Westernhelden John Wayne. Groß sind Empörung und Entsetzen in der Schweiz über den Steuerdeal mit den Vereinigten Staaten, zu dem die Amerikaner die Eidgenossen tatsächlich in brutaler Großmacht-Manier - gleichsam mit vorgehaltener Pistole - gezwungen haben. Mehr, so räumte denn auch eine ziemlich geknickte Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf ein, sei in den "ziemlich harten" Gesprächen nicht verhandelbar gewesen. Noch deutlicher formulierte ein Mitglied der Schweizer Delegation die Haltung Washingtons: "Take it or leave it."

In der Tat erhalten das amerikanische Justizministerium und die Steuerbehörde IRS nun beinahe den totalen Einblick in die Bankgeschäfte ihrer eigenen Staatsbürger mit Schweizer Geldinstituten. Die gesamte Korrespondenz per Brief, Fax oder E-Mail gehört ebenso dazu wie die Namen der Bank-Mitarbeiter, die US-Bürger bei der Steuerhinterziehung berieten und unterstützten, und erstmals auch die Namen von Dritten, die an Steuerbetrug und -hinterziehung beteiligt waren: Anwälte, externe Vermögensberater, Treuhänder.

Nur ein Element konnten die USA auch diesmal nicht vollständig knacken: Das Bankkundengeheimnis. Die Identitäten verdächtiger Kunden müssen sich die Amerikaner auch weiterhin umständlich über ein mühsames Amtshilfeverfahren zusammenklauben. Und auch dies wird nur funktionieren, wenn der US-Senat seinen Widerstand aufgibt und das seit Monaten blockierte Doppelbesteuerungsabkommen mit der Eidgenossenschaft endlich behandelt und verabschiedet. Zunächst aber ist erst einmal das Schweizer Parlament gefragt, das binnen Wochenfrist das "Bundesgesetz über Maßnahmen zur Erleichterung der Bereinigung des Steuerstreites mit den Vereinigten Staaten" behandeln und abnicken muss. Mit diesem Gesetz wird für die Kreditwirtschaft geltendes Schweizer Recht ausgehebelt, damit die Institute straffrei mit den US-Behörden kooperieren und ihnen Daten liefern dürfen. Schon am 1. Juli soll das Gesetz in Kraft treten. Die USA, deutete Widmer-Schlumpf an, hätten nach dreijährigen zähen Verhandlungen keine Geduld mehr gehabt.

Die USA hätten sich sonst jede Bank einzeln vorgenommen

Bedrohlicher hatten sich Branchenkenner in Zürich geäußert: Wenn die Schweiz nicht eingeknickt wäre, hätte sich Washington in aller Ruhe eine Bank nach der anderen vornehmen, sie anklagen und nach Belieben "ausknipsen" können. Dazu würde es schon reichen, sie vom US-Finanzmarkt auszuschließen. Nicht länger als 48 Stunden dauere ein solcher Vorgang von der Anklageerhebung bis zum Exitus, orakelte Ex-Banker Oswald Grübel. Besonders ominös: Ganz oben auf einer Liste derart gefährdeter Institute standen die staatlichen Kantonalbanken in Zürich und Basel. "Schon im Sommer", so hatte der Schweizer Bundespräsident Ueli Maurer gewarnt, hätten sie mit einer Klage rechnen müssen.

Von einer solchen, potenziell tödlichen Strafverfolgung können sich die Banken nun freikaufen. Sobald das Parlament in Bern das Gesetz verabschiedet hat, enthüllt Washington ein lediglich für ein Jahr gültiges Ablassprogramm, dessen Einzelheiten vorerst geheim bleiben. Jede Bank kann für sich entscheiden, ob sie mit den USA zusammenarbeitet und ihre Geschäfte mit unehrlichen US-Kunden auf den Tisch legt. Eine von der Schweiz favorisierte Globallösung für alle 300 eidgenössischen Geldinstitute hatten die Amerikaner abgelehnt.

Mehrere Milliarden Franken Bußgeld möglich

Auf alle Fälle werden happige Strafgelder erhoben, deren Umfang von zweierlei abhängt: Wie viel schwarzes US-Geld die jeweilige Bank verwaltet hat und bis zu welchem Zeitpunkt sie dies getan hat. Die Strafe kann bis zu 40 Prozent der verwalteten Vermögen ausmachen. Als Stichtag gilt das Jahr 2009, in dem das zwielichtige Amerika-Geschäft der Großbank UBS aufflog. All jene Banken, die noch nach diesem Datum amerikanische Kunden mit Steuersparmodellen anlockten, könnten ein echtes Problem haben, wie selbst Finanzministerin Widmer-Schlumpf eingestand.

Vor allem würde es sehr teuer für sie werden. Insgesamt schätzt man, dass die gesamte Branche mehrere Milliarden Franken an Bußgeldern berappen wird müssen, wobei die häufig genannte Summe von zehn Milliarden als zu hoch gegriffen eingeschätzt wird. Analysten glauben, dass die besonders stark ins Amerika-Geschäft involvierte Credit Suisse mit einer Milliarde Franken den größten Einzelposten aufbringen müsste. Zum Vergleich: UBS kam bei ihrem Deal mit den USA vor vier Jahren mit 780 Millionen Dollar Strafe relativ glimpflich davon.

Die zweithöchste Strafe würde wohl die Bank Julius Bär treffen, von der die USA erst vor kurzem ultimativ die Herausgabe von Daten gefordert haben. Ebenfalls stark verwickelt wäre die Zürcher Kantonalbank. Bei ihr und bei der ebenfalls staatlichen Basler Kantonalbank könnte letzten Endes der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.

Schweizer Bankangestellten darf keine Kündigung drohen

Eine Milliarde Franken wäre für die Credit Suisse, die zweitgrößte Bank des Landes, eine unangenehme, aber nicht existenzbedrohende Summe. Anders sieht es bei kleineren Geldinstituten aus, die mit wenigen Dutzend Millionen Franken Eigenkapital amerikanische Vermögen in Milliardenhöhe verwalteten. Analysten nannten vor allem die Zürcher Privatbank Frey, wo mehr als 40 Prozent der verwalteten Einlagen amerikanischen Ursprungs sind. Dies geht aus der Anklageschrift gegen einen Frey-Banker hervor. Für solche Banken könnte eine Strafe das Ende bedeuten. Die Schweizerische Bankiervereinigung hat den Deal grundsätzlich gut geheißen, weil er Rechtssicherheit für Banken und Kunden herstelle. "Befremdet" zeigte sie sich allerdings, dass die Einzelheiten des US-Programms erst bekannt gegeben werden sollen, wenn das Schweizer Parlament das Gesetz gebilligt hat.

Anders als in früheren Fällen, wo Banken die Namen von Mitarbeitern preisgaben, ohne diese auch nur vorher informiert zu haben, wurde jetzt eine Regelung gefunden, die Bankangestellte weitgehend vor unangenehmen Folgen schützen soll. So müssen jene Mitarbeiter, die US-Kunden betreuten, unterrichtet werden, wenn ihr Name den amerikanischen Behörden übermittelt wird. Außerdem dürfen ihnen keine beruflichen Nachteile wie etwa eine Kündigung drohen. Für Härtefälle, wie etwa für die Übernahme von Anwaltskosten, haben die Banken einen Notfonds in Höhe von 2,5 Millionen Franken gebildet.

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