Abkommen zum Kontodatenabgleich:Späher für die gerechte Sache

Netzausbau - Internet

Ein Internet-Verteilerpunkt: "Ich habe nichts zu verbergen" ist eine fragwürdige Reaktion auf die NSA-Spionage. In Steuerfragen hingegen profitiert die Gesellschaft von mehr Transparenz.

(Foto: picture alliance / dpa)

Viele Menschen empören sich über staatliche Angriffe auf ihre Privatsphäre - zu Recht. Wenn die Regierungen jetzt aber den automatischen Austausch von Bankdaten vereinbaren, ist das sinnvoll und gerecht.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Ich habe nichts zu verbergen. Mit diesem Satz reagierten viele auf den NSA-Spähskandal. In einer repräsentativen Umfrage stimmte im Frühjahr jeder zweite Deutsche dieser Aussage zu, was eigentlich schon der nächste Skandal ist. Zur Erinnerung: Die NSA ist dieser fiese US-Geheimdienst, der die Bürgerrechte weltweit massenweise verletzt. Der in private Computer und Handys einbricht, auf denen Menschen intimste Informationen speichern. Der Schutzmechanismen des Internets schwächt, nur um an ein paar Daten mehr zu kommen. Und dessen Mitarbeiter selbst ihren Ex-Freundinnen hinterherspionieren. Bloß weil es geht.

Jetzt könnte man sich über den nächsten staatlichen Angriff auf die Privatsphäre aufregen. Dutzende Staaten wollen künftig Kontodaten austauschen. Sie wollen wissen, wer wo wie viel Geld parkt. Den technisch-rechtlichen Rahmen hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Juli vorgestellt. Am Mittwoch unterzeichnen nun mehr als 50 Vertreter im Bundesfinanzministerium das entsprechende Abkommen. Es wird eine große Schau für mehr Steuerehrlichkeit. Denn unter den teilnehmenden Ländern sind auch Steueroasen wie die Schweiz. Sogar karibische Inselstaaten wollen künftig ausländische Finanzämter informieren, wenn Banken Kunden aus den entsprechenden Ländern bedienen. Das alles wird automatisch laufen - die Mitarbeiter in den Finanzämtern bekommen die nötigen Informationen frei Haus. Selbst wenn die Umsetzung in nationale Gesetze noch Jahre dauert: Das ist ein enormer Fortschritt im Kampf gegen die Steuerhinterziehung - und ein begrüßenswerter Eingriff in die Privatsphäre.

Für mehr Gerechtigkeit brauchen die Finanzämter mehr Daten

Mehr Steuergerechtigkeit gibt es nur, wenn die Bürger transparenter werden. Das klingt auf den ersten Blick erschreckend. Es ist aber kein Widerspruch, sich über die NSA-Überwachung aufzuregen, aber die Kontodaten-Kontrolle zu loben. Denn in diesem Fall rechtfertigt der Zweck die Mittel. Das Bankgeheimnis muss fallen. Steuerhinterzieher und andere Kriminelle nutzen die Dunkelheit der Steueroasen, um den Finanzbehörden Milliarden vorzuenthalten. Den Schaden trägt die Gemeinschaft. Der normale Steuerzahler muss draufzahlen, um den Staaten die nötigen Einnahmen zu sichern. Die Steuerfahnder können somit auf tatsächliche Opfer verweisen, die NSA nur auf ein abstraktes Terrorrisiko. So schlimm Anschläge auch sind - die amerikanischen Sicherheitsdienste können nicht vernünftig begründen, warum eine digitale Massenüberwachung nötig sein sollte. Für die Internetnutzer ist nicht nachvollziehbar, was sie gewinnen, wenn sie Spione ihre E-Mail mitlesen und ihre Urlaubsfotos durchschauen lassen. Welche Daten die Behörden von den Steuerzahlern wissen, ist dagegen sauber geregelt. Der Informationsaustausch wird nach rechtsstaatlichen Maßstäben ablaufen, die sogar die Schweizer Banken begrüßen - obwohl sie jahrzehntelang gerne alles Schwarzgeld dieser Welt versteckt haben.

Außerdem werden die Bürger nicht völlig transparent. Das Bankgeheimnis fällt, aber das Steuergeheimnis bleibt bestehen. Dabei ist das nur ein kulturelles Tabu, was in anderen europäischen Ländern seit Langem gebrochen wird, ohne dass die Gesellschaft auseinanderfliegt. In Norwegen sind Steuerdaten seit 150 Jahren öffentlich zugänglich. Wer ein gewisses Einkommen vorweisen kann, findet sich in einer alphabetischen Liste wieder. Dort sind auch die finanziellen Eckdaten vermerkt: Gehalt, Kapitalerträge, Vermögen. Nachvollziehbar für die Nachbarn, nachprüfbar für die Zivilgesellschaft.

Wer nichts zu verbergen hat, profitiert

Der Konto-Datentausch geht also nicht zu weit. Er geht sogar nicht weit genug. Es bleiben Schlupflöcher für Kriminelle, die ihr Geld weiter verstecken wollen. In Briefkastenfirmen und Stiftungen können Vermögende weiterhin Geld so verstecken, dass Finanzämter machtlos sind. Denn die Firmenregister und öffentlichen Verzeichnisse für Stiftungen sind gerade in Steueroasen oft wertlos. Das ist das Offshore-Geschäftsmodell, das Diskretion verkauft. Die Staaten müssten sich verpflichten zu ermitteln, welche Personen hinter den Briefkastenfirmen stecken. Erst dann können Einkommen denen zugeordnet werden, die davon profitieren - und die sie auch versteuern müssten.

Der globale Informationsaustausch von Banken und Finanzämtern ist trotz dieser Einschränkungen ein großer Schritt in die richtige Richtung. Eine Gefahr für die Bürger ist er nicht, im Gegenteil. Bei Steuerdaten gilt tatsächlich: Wer nichts zu verbergen hat, muss nichts befürchten - sondern profitiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: