Abgasskandal:Wie die Mutter VW, so die Tochter Audi

Blessing, Volkswagen Group Board Member, Audi Chief Executive Officer Stadler and Volkswagen CEO Mueller chat after the annual news conference in Wolfsburg

Was tun? VW-Vorstand Karlheinz Blessing, Audi-Chef Rupert Stadler und VW-Chef Matthias Müller (von links).

(Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)
  • Die VW-Edelmarke Audi möchte sich am liebsten auf die digitale, elektromobile Zukunft konzentrieren.
  • Neue Erkenntnisse und Vorwürfe der US-Justiz bringen den Hersteller aus Ingolstadt nun aber in eine enge Verbindung zum Diesel-Skandal im Volkswagen-Konzern.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

Ein Aufbruch in Zeiten der Dieselkrise ist schwierig. Mit mindestens einem Bein steckt man ja noch in den unangenehmen Skandal-Geschichten. Weil man bei Audi aber möglichst schnell in die Zukunft will, macht man am Mittwoch die Dinge anders also sonst.

2800 Führungskräfte bekommen in Halle C der Münchner Messe diesmal keinen Frontalunterricht mit dem Chef vorne auf der Bühne. Das Motto des Tages heißt "Speed up", Tempo aufnehmen, und deshalb, so berichtet ein Teilnehmer, sitzen sie nun kreisförmig zusammen. Für den Chef, die Baureihenmanager, die Markenentwickler, die Digital-, Zukunfts- und Marketing-Experten, für alle hier heißt das: ständig in Bewegung bleiben, immer schön umdrehen, nach allen Seiten blicken.

Überall hinschauen, offen sein. Es ist ein interessantes Verfahren für ein Unternehmen, das am Tag vor seiner großen Strategiekonferenz und mitten in einer scheinbar endlosen Dieselaffäre in einer 90-seitigen Klageschrift aus New York auftaucht. Denn die dortigen Staatsanwälte werfen der Oberklasse-Tochter von VW vor, schon von 2004 an in Europa mit einem sogenannten Defeat Device, also einer Abschalteinrichtung, gearbeitet zu haben, um bei Abgastests zu schummeln.

Audi hätte mit dem Diesel-Skandal am liebsten nichts zu tun

Vorsprung durch Technik: Die Anklageschrift des New Yorker Generalstaatsanwalts basiert auf internen Untersuchungen der Anwaltskanzlei Jones Day, und wenn sich die Dinge so ereignet haben, dann ist Dieselgate nicht nur ein VW-Thema. Dann ist die Software auch ein Fall für die Edeltochter aus Bayern.

Und die tut sich schwer mit dem Thema, schwerer als die Konzernmutter VW. Seit Monaten fällt auf: Die Debatte über illegale Abschalteinrichtungen soll von Audi möglichst ferngehalten werden. In vertraulicher Runde sagen Strategen der Ingolstädter Konzernzentrale: Der Fall sei als VW-Dieselgate bekannt. Da brauche man jetzt nicht auch noch ein Audi-Dieselgate. Im vergangenen Herbst schon hatte die US-Umweltbehörde EPA Audi vorgeworfen, eine besondere Funktion zum Vorheizen der Abgasreinigung in den Motoren zu nutzen, wobei die Abgaswerte unzulässig verändert würden. Audi hatte das damals zurückgewiesen. Dabei - und auch dies geht aus dem US-Bericht hervor - hatten Ingenieure schon im Jahre 1999 nach Lösungen gesucht, mit denen der Konzern die immer strengeren Grenzwerte in Europa einhalten kann; auch über eine Spezial-Software sei damals gesprochen worden. Zum Einsatz soll die fragwürdige Software dann erst später gekommen sein.

Dass bei Audi aber bereits Fahrzeuge vor dem Baujahr 2005 vom Abgasskandal betroffen sein könnten, wurde nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR kürzlich auch in den VW-Aufsichtsratsgremien thematisiert.

Die US-Behörden setzen die Ingolstädter nun doch unter Druck

Audi-Chef Rupert Stadler hatte anfangs noch gesagt, dass man kein klassisches Defeat Device im Einsatz hatte; sondern bestimmte Softwarefunktionen nicht den US-Zulassungsbehörden mitgeteilt hatte.

Das klang weniger nach Dieselgate als nach einem Formfehler. Einige Wochen später dann hieß es, dass auch bei V6-Motoren eine Software eingebaut war, die in den USA verboten ist. Vor einigen Tagen dann lehnte die kalifornische Umweltbehörde CARB Vorschläge zur Reparatur der Fahrzeuge ab. Die Vorschläge reichten nicht aus, hieß es. Auch Audi und Stadler stehen jetzt unter Druck, nicht nur VW.

Als die Teilnehmer der Tagung am Mittwoch um 10 Uhr in die Halle kommen, geht es nicht um Diesel, sondern um Grundsätzliches. Das, was Manager "Megatrends" nennen. Nachhaltigkeit, die Urbanisierung der Gesellschaft, alternative Mobilität. Aus Audi soll ein digitales Unternehmen werden. Ein Luxushersteller, der im Jahr 2025 ein Viertel seiner Fahrzeuge elektrisch antreibt und der die Forschung an selbstfahrenden Autos im VW-Konzern übernimmt. Noch aber sind 70 Prozent aller Audis auf Europas Straßen Dieselautos.

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