Abgasskandal:Wie Audi ins Visier der Ermittler geriet

Erst war nur der Mutterkonzern VW betroffen, doch dann rückte der Ingolstädter Konzern in den Mittelpunkt. Eine Chronik der Ereignisse.

Von Vivien Timmler

Fast drei Jahre ist es nun her, dass der Dieselskandal öffentlich wurde, zuerst in den USA. Jetzt hat die Justiz erstmals einen Vorstandschef in Haft genommen. Eine Chronik der Ereignisse.

18. September 2015: Die amerikanische Umweltbehörde CARB teilt mit, dass Volkswagen, der Mutterkonzern von Audi, eine Software einsetzt, die bei Tests von Dieselfahrzeugen den Schadstoffausstoß künstlich drückt. Konzernchef Martin Winterkorn tritt daraufhin zurück.

November 2015: Der Abgas-Skandal weitet sich auf die Tochter Audi aus. In einem verschwurbelten Schreiben gesteht das Unternehmen ein, in seine Drei-Liter-Dieselmotoren ebenfalls eine Software eingebaut zu haben, die Schadstoffwerte schönt. Audi ist im VW-Konzern für den Bau der Drei-Liter-Motoren zuständig.

September 2016: Audi ist offenbar tiefer in die Abgasaffäre verstrickt als bislang angenommen. Es besteht der Verdacht, dass Audi nicht nur selbst betrogen, sondern auch die Betrugssoftware bei VW mitentwickelt hat. Das hat der Ingolstädter Autohersteller stets abgestritten und darauf beharrt, dass man lediglich ein bestimmtes Detail der Motorsteuerung bei den US-Behörden nicht offengelegt habe, was nichts mit Betrug zu tun gehabt habe.

Januar 2017: Die US-Behörden veröffentlichen ein sogenanntes "Statement of Facts", auf das sich die US-Regierung und VW geeinigt haben. Demnach erkennt VW jetzt an, dass auch Audi an der Täuschung von US-Behörden und -Verbrauchern mitgewirkt hat.

15. März 2017: Die Polizei durchsucht erstmals Audi-Büros. Auch Privatwohnungen sind betroffen. Brisant: Die Durchsuchungen erfolgen nur drei Stunden vor Beginn der Audi-Jahrespressekonferenz. Der Anfangsverdacht richtet sich jedoch nicht gegen einzelne Audi-Manager, die Ermittlungen laufen noch gegen unbekannt.

File: Ex-VW CEO Winterkorn Charged By U.S In Diesel-Cheating Case

VW-Chef Martin Winterkorn trat schon 2015 zurück

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Juni 2017: Verkehrsminister Alexander Dobrindt verkündet, dass auch Audi eine illegale Abgas-Software eingesetzt habe. Er verpflichtet das Unternehmen, 24 000 Fahrzeuge in die Werkstätten zurückzurufen. Es geht dabei um die Modellreihen A 8 und A 7 mit V 6- und V 8-Dieselmotoren der Baujahre 2009 bis 2013. Die Staatsanwaltschaft München leitet daraufhin Ermittlungen wegen Abgasbetrugs in Deutschland ein. Zuvor gingen die Behörden davon aus, dass die Manipulationen nur auf dem US-Markt passiert seien.

Juli 2017: Erstmals wird ein ehemaliger Audi-Mitarbeiter festgenommen. Es handelt sich um den früheren Motorenentwickler Giovanni P. Die Staatsanwaltschaft München wirft ihm Betrug und unlautere Werbung vor. Als Leiter eines Ingenieurteams im Werk in Neckarsulm soll er Mitarbeiter angewiesen haben, eine Software zu entwickeln und einzubauen, mit der Audi bei den Abgasmessungen in den USA die dortigen Behörden getäuscht habe.

20. August 2017: Der in Untersuchungshaft sitzende Ingenieur Giovanni P. erhebt schwere Vorwürfe gegen den Audi-Vorstand und weitere Spitzenmanager. Der Ingenieur hat über seine Anwälte der Staatsanwaltschaft München II ein 28-seitiges Papier vorgelegt, in dem 44 Vorgänge geschildert werden. Es geht um Mails, Sitzungen und Vorträge, die bei Audi zwischen dem 8. März 2006 und dem 10. Juli 2014 verschickt worden seien beziehungsweise stattgefunden haben sollen.

28. August 2017: Audi baut nach den Vorwürfen im Abgas-Skandal den Vorstand um. Der Audi-Aufsichtsrat beruft vier neue Mitglieder, nachdem zuvor vier der sieben Vorstände gehen mussten. Der umstrittene Audi-Chef Stadler bleibt jedoch im Amt.

September 2017: Wolfgang Hatz, ehemaliger Chef der Aggregate-Entwicklung bei Audi und später Porsche-Vorstandsmitglied, muss in Untersuchungshaft. Er bestreitet die Vorwürfe zu seiner Beteiligung an den Abgasmanipulationen und hat über seine Verteidiger Haftbeschwerde eingelegt.

IAA Frankfurt - Audi

Audi präsentierte in Frankfurt 2017 das neue Spitzenmodell A8.

(Foto: Uli Deck/dpa)

November 2017: Giovanni P. kommt gegen 80 000 Euro Kaution und weitere Auflagen aus der Untersuchungshaft frei. Er ist bei der Aufklärung der Abgasaffäre inzwischen zu einer Art Kronzeuge geworden: Er hat im Detail geschildert, wie es zu den Manipulationen bei der VW-Tochter Audi gekommen sein soll, und Top-Manager schwer belastet.

Januar 2018: Mit einer Razzia weitet die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aus: Es sollen insgesamt 253 000 in Europa und in den USA betroffen sein. Die Wohnungen von sechs Audi-Technikern werden durchsucht, insgesamt gibt es jetzt 13 Beschuldigte. Ursprünglich waren es vier. Die Staatsanwaltschaft will herausfinden, ob der Audi-Vorstand in die Affäre verwickelt ist.

6. Februar 2018: Ermittler durchsuchen die Büros von Audi in Ingolstadt und das Werk in Neckarsulm. Insgesamt 18 Staatsanwälte sind an dem Einsatz beteiligt.

22. Februar 2018: Ermittler durchsuchen die Privatwohnungen von drei weiteren Beschuldigten, darunter laut Staatsanwaltschaft zwei ehemalige Audi-Vorstandsmitglieder. Einer der Beschuldigten ist Stefan Knirsch, ehemaliger Entwicklungsvorstand bei Audi. Er schied wegen seiner Verwicklung in die Abgasaffäre aus.

Mai 2018: Audi gerät erneut unter Manipulationsverdacht: Konkret sollen Audi A 6 und A 7 mit Dieselmotoren eine Betrugssoftware an Bord haben. Diesem Verdacht geht das Kraftfahrt-Bundesamt nach und leitet eine amtliche Anhörung ein. Von den möglichen Manipulationen wären in Deutschland etwa 33 000 und weltweit insgesamt etwa 60 000 Fahrzeuge betroffen.

11. Juni 2018: Razzia beim Audi-Chef: Die Staatsanwaltschaft München II lässt die Privaträume von Stadler sowie einer weiteren Person durchsuchen, um mögliches Beweismaterial zu sichern. Sie legt Stadler Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last. Er werde bereits seit dem 30. Mai als Beschuldigter geführt. Stadler könnte demnach schon vor zweieinhalb Jahren Hinweise auf Dieselfahrzeuge mit manipulierter Abgasreinigung bekommen und womöglich bewusst in Kauf genommen haben, dass solche Modelle weiter hergestellt und in Europa verkauft wurden.

18. Juni 2018: Rupert Stadler wird am frühen Morgen in seinem Haus festgenommen.

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