Abgasskandal:US-Kanzlei fordert für Kunden 357 Millionen Euro von VW

VW-Diesel-Affäre

Nur ein Teil aller betroffenen Dieselfahrer hat bisher gegen den VW-Konzern auf Schadenersatz geklagt.

(Foto: dpa)
  • Die amerikanischen Juristen reichen Klage für 15 000 VW-Fahrer in Deutschland ein, die durch den Abgasskandal geschädigt wurden.
  • Die Verbraucher möchten den gesamten Kaufpreis gegen Rückgabe ihrer Autos zurückbekommen. Die Kanzlei möchte an dem Verfahren viel Geld verdienen.
  • Volkswagen zweifelt an der Legitimität des Vorhabens, da das deutsche Recht grundsätzlich keine Sammelklagen vorsieht.

Von Markus Balser und Janis Beenen

Verbraucheranwälte erhöhen in der Diesel-Affäre den Druck auf den VW-Konzern. Die Kanzlei Hausfeld reichte nach eigenen Angaben am Montag eine Schadenersatzklage im Auftrag von mehr als 15 000 Kunden ein. Die Kanzlei fordert vom Autohersteller insgesamt 357 Millionen Euro an Wiedergutmachung. Der Konzern soll dafür haften, dass Diesel-Autos mit manipulierten und überhöhten Schadstoffwerten verkauft wurden. In den USA hatte VW Kunden bereits eine millionenschwere Entschädigung gezahlt. In Deutschland weigert sich der Konzern wegen eines anderen Rechtssystems bislang, Kunden zu entschädigen. Die Klage ging am Montagmittag beim zuständigen Gericht in Braunschweig ein.

Die Kanzlei des US-Staranwalts Hausfeld arbeitet dabei nicht allein auf eigene Faust. Sie kooperiert mit einer Berliner Firma namens Financial Right. Die wiederum hat sich von den gut 15 000 Autobesitzern deren Ansprüche abtreten lassen und macht alle Schadenersatzforderungen in einer einzigen, eigenen Klage geltend. Für die Autobesitzer kostet die Klage deshalb zunächst nichts - die Kosten und Risiken trägt Hausfelds Partnerfirma. Bei einem Erfolg vor Gericht würde sie vom fälligen Schadenersatz dann jedoch 35 Prozent Provision kassieren. Das wären bei der VW-Klage im besten Falle mehr als 100 Millionen Euro.

Die Kanzlei versucht, für Kunden den gesamten Kaufpreis gegen Rückgabe des Autos zurückzubekommen. Sie argumentiert dabei, dass Autos nach geltendem Recht nur "in den Verkehr gebracht und zugelassen werden, wenn sie einem behördlich genehmigten Fahrzeugtyp entsprechen". Laut Kraftfahrt-Bundesamt sei das bei den mit Schummel-Software ausgestatteten Fahrzeugen mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189 des VW-Konzerns aber eindeutig nicht der Fall. "Volkswagen wusste genau, dass der Einbau von Abschalteinrichtungen nach den für die betreffenden Fahrzeuge erteilten Typgenehmigungen nicht gestattet war", sagt Christoph Rother, deutscher Statthalter der US-Kanzlei in Berlin.

Die Affäre könnte für VW auch noch aus einem anderen Grund teuer werden. Wegen finanzieller Folgen für US-Pensionsfonds infolge des Dieselskandals haben nun auch noch die USA Volkswagen auf Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe verklagt. Wie die Bild am Sonntag berichtete, reichte die US-Regierung ebenfalls Klage vor dem Landgericht Braunschweig ein. Demnach sollen zahlreiche US-Pensionsfonds durch den Absturz der Aktie im Zuge des Dieselskandals einen massiven finanziellen Schaden erlitten haben. Das US-Justizministerium werde in dem Rechtsstreit von einer deutschen Anwaltskanzlei mit Sitz in Frankfurt vertreten.

Zweifel an der Rechtsgrundlage

Volkswagen zweifelt in einer Stellungnahme an den Chancen der Klage der deutschen Kunden: "Die Kanzlei Hausfeld und Financial Right versuchen hier wieder einmal medial den Eindruck zu erwecken, dass es wie in den USA auch in Deutschland möglich sei, sich vermeintlichen Sammelanklagen anzuschließen." Aus Sicht von VW ist die Rechtslage eine andere: "Das Gericht wird in den kommenden Wochen und Monaten Fall für Fall bearbeiten müssen, selbst wenn alle Fälle in der Klagebegründung übereinstimmen sollten." Erfolgsaussichten sieht der Konzern allerdings nicht: "Wir sind der Ansicht, dass es für kundenseitige Klagen im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik keine Rechtsgrundlage gibt. Alle betroffenen Fahrzeuge sind technisch sicher und fahrbereit. Sie können uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt und auch weiterhin verkauft werden."

Indem die Kunden ihre Ansprüche an die Partnerfirma Financial Right abtreten, umgeht Hausfeld ein juristisches Hindernis. Das deutsche Recht sieht grundsätzlich keine Sammelklagen vor, mit denen Kanzleien tausende Kläger vertreten. So vertritt Hausfeld nur einen Kläger, nämlich Financial Right. Juristisch sei der Umweg legitim, sagt Roland Stuhr vom Verband der Verbraucherzentralen. Damit widerspricht er der Darstellung von VW. Für die Verbraucher sei das Modell aber nicht optimal: "Bei einem erfolgreichen Verfahren ist ein großer Teil des erstrittenen Geldes für die Honorare der Kanzleien vorgesehen", sagt Stuhr. Für viele sei das Vorgehen von Hausfeld aber die einfachste Möglichkeit, Ansprüche geltend zu machen.

Für Anleger gibt es eine Art Sammelklage

In der deutschen Politik gab es im Zuge des Dieselskandals immer wieder Überlegungen, die Option der Sammelklage zu erlauben. Zuletzt wagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki einen entsprechenden Vorstoß. Letztlich scheiterten die Entwürfe bislang auch an der Angst vor Kanzleien, die nach amerikanischem Vorbild agieren. Vielen US-Juristen wird vorgeworfen, rechtlich fragwürdige Sammelklagen aus Profitgier und dem Streben nach Öffentlichkeit zu initiieren.

Aktuell gibt es in Deutschland nur für Anleger am Kapitalmarkt die Möglichkeit einer Art Sammelklage. Im Jahr 2005 entwickelte der Gesetzgeber eine eigene Klageform für Aktionäre: Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, kurz KapMuG genannt.

Es sollte das Vorgehen für den Fall regeln, dass viele Anleger wegen denselben Sachverhalten gegen ein Unternehmen klagen. Anlass des Gesetzes waren die herben Verluste, die die Aktionäre beim zweiten Börsengang der Telekom erlitten haben.

Viele fühlten sich falsch informiert, 17 000 Anleger klagten gemeinsam. Tatsächlich erkannte der Bundesgerichtshof die Klage an und erklärte einen Verkaufsprospekt aus dem Jahr 2000 für fehlerhaft. Viele hatten sich beim Aktienkauf auf das Informationsblatt verlassen.

Später nutzten auch die Anleger bei Daimler und Porsche das Gesetz, um gegen die Autobauer zu klagen."Eine echte Sammelklage ermöglicht das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz aber nicht", sagt Verbraucherschützer Stuhr. Denn auch bei diesem Modell müsse jeder Verbraucher einzeln klagen und das Gericht verhandelt ein Musterverfahren.

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