Abgasskandal:Milliardenklage gegen Bosch

Volkswagen-Aktionäre werfen dem Zulieferer Beihilfe zum Diesel-Betrug vor. Dem Landgericht Stuttgart liegt eine Klageschrift vor, die Firmenchef Volkmar Denner eine Mittäterschaft vorwirft.

Von Max Hägler und Stefan Mayr, Stuttgart

Bosch-Chef Volkmar Denner wird gerade als Retter des Diesels gefeiert. Vergangene Woche präsentierte er eine Entwicklung des Stuttgarter Autozulieferers, die den Schadstoffausstoß von Dieselmotoren drastisch senken soll. Dafür gab es viel Beifall. Doch seit Mittwoch liegt dem Landgericht Stuttgart eine etwa 150 Seiten umfassende Klageschrift vor, die dem 61-jährigen Manager eine andere Rolle zuzuschreiben versucht: Denner als vermeintlicher Mittäter des Dieselskandals.

Es ist bekannt, dass in den meisten Autos, die eine Betrugssoftware verwenden, Bosch-Systeme laufen. Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart führt deshalb mittlerweile vier Verfahren gegen Bosch und prüft die Einleitung von vier weiteren. Und nun gibt es in Deutschland auch noch zivilrechtlichen Ärger für den größten Zulieferer der Welt - und Milliardenforderung.

Die Kanzlei Tilp wirft der Robert Bosch GmbH Beihilfe zur Täuschung vor. "Ohne Bosch hätte es Dieselgate nicht gegeben", sagt Andreas Tilp. Der Anwalt aus Kirchentellinsfurt bei Stuttgart treibt mit seinen Schadenersatzklagen bereits die Volkswagen AG und deren Haupteigentümerin Porsche SE vor sich her. Nun attackiert er auch Bosch. Der Konzern habe als Lieferant der Motorsteuergeräte die Betrügereien der Autohersteller in Kauf genommen und sogar Beihilfe geleistet, sagt Tilp. Für Bosch gelte, was diverse Landgerichte für VW festgestellt hätten: Das Verhalten sei gekennzeichnet durch "besondere Verwerflichkeit". Bosch habe "Verbraucher, Anleger und Investoren in sittenwidriger Weise geschädigt". Daher hafte Bosch auch für die Verluste der Autoaktien; die Kurse waren nach Bekanntwerden des Dieselskandals im Herbst 2015 eingebrochen.

Für Aktionäre wie die Sparkassen-Tochter Deka Investment versucht Anwalt Tilp nun entsprechenden Schadenersatz einzutreiben. Vor Gerichten in Braunschweig und Stuttgart hat er Klagen eingereicht, in denen er VW und Porsche Verstöße gegen das Wertpapiergesetz vorwirft. Beide Unternehmen hätten Anlegern die Schummelei verschwiegen, deshalb müssten sie deren Verlust tragen. Von VW fordert Tilp neun Milliarden Euro, von Porsche eine Milliarde. Und Bosch, so sein Argument, hafte "gesamtschuldnerisch" mit, weil das Unternehmen "von Beginn an federführend an der Entwicklung und Verschleierung" beteiligt gewesen sei.

Bosch schien den Schlamassel zu ahnen und wollte offenbar von der Haftung befreit werden

Die Indizien, die Tilp in der Klage anführt, sind großteils bereits vor US-Gerichten eingebracht worden. So etwa das Schreiben, mit dem Bosch im Juni 2008 von VW die "Freihaltung von jeglicher Haftung" forderte, die sich aus Abschalteinrichtungen ergebe. Wobei Bosch bestreitet, dass es da um Dieselmotoren gehe. Ebenfalls führt Tilp wieder das Treffen zwischen Denner und dem damaligen VW-Boss Martin Winterkorn auf: Am 28. Mai 2014 trafen die beiden in Wolfsburg aufeinander und sprachen über Akustik-Themen. Mit dem ähnlichen Begriff "Akustikfunktion" bezeichneten Ingenieure jene Schummelsoftware, die erkennt, wenn ein Fahrzeug auf einem Prüfstand steht und dann den Abgasausstoß reduziert. Wegen dieser Abschaltung hat VW in den USA mehr als 24 Milliarden Euro an Strafen und Schadenersatz bezahlt. Und in vielen der US-Akten fällt der Name Bosch. Auch der Zulieferer ficht juristische Kämpfe in den USA, hat 2017 mit Zivilklägern einen Vergleich geschlossen und dabei etwa 304 Millionen Euro bezahlt. Das Unternehmen betont aber stets, diese Zahlung stelle kein Schuldeingeständnis dar. Auch betont Bosch, Winterkorn und Denner hätten sich 2014 mitnichten über Betrugssoftware ausgetauscht. Tatsächlich sei es um Motorenlärm gegangen. Seit Januar ist in Detroit eine weitere Sammelklage anhängig: Diese wirft Ford vor, für Pick-up-Wagen illegale Abschalteinrichtungen entwickelt zu haben; Bosch sei dabei im "Herzen des Skandals". Für den 13. Juni ist eine Gerichtsanhörung geplant.

Anders als mancher Autohersteller streitet das Unternehmen Bosch nicht einfach vehement ab, sondern erklärt stets, Vorwürfe sehr ernst zu nehmen. Man kooperiere "vollumfänglich" mit den Behörden, verteidige jedoch in Klageverfahren "seine Interessen". Das gelte auch für die neuerliche Zivilklage, teilt Bosch auf Anfrage mit. Dessen Chef, Volkmar Denner ist seit Juli 2012 Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung. Zuvor war er mehrere Jahre lang mit Motorsteuergeräten befasst. Ermittelt wird gegen ihn nicht. Aber zumindest Anwälte haben Zweifel, ob er am Ende als Retter des Diesels durchgeht.

Wobei sie in der Kanzlei Tilp nicht nur das Tun und die Moral von Bosch-Managern im Blick haben, sondern die Prozesstaktik: Als Beklagte könne sich Bosch nicht mehr auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, wenn ein Gericht die Vorlage von Akten anordnet. Die Klage erhöhe damit auch den Druck auf die Autobauer VW und PSE.

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